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Die Klimakrise vermitteln: Wissenschaftler im Kampf gegen Desinformation und Klimaangst

25 April 2025
Mark McCarthy ist seit 25 Jahren als Klimawissenschaftler tätig. Beim Met Office, dem nationalen Wetter- und Klimadienst des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, untersuchen er und sein Team historische Klimaaufzeichnungen und Klimamodell-Prognosen und nutzen diese Informationen, um zu verstehen, inwiefern menschliche Aktivitäten den Klimawandel beeinflussen. 

Im Jahr 2022 wurde das Vereinigte Königreich von einer einwöchigen Hitzewelle heimgesucht, bei der die Temperaturen zum ersten Mal seit Aufzeichnungsbeginn 40 °C überstiegen – etwas, das Klimawissenschaftler in weiter Ferne vermutet hatten. 

Zunächst waren die Antizipation und die Überwachung des Hitze-Ereignisses aufregend, erzählt Mark. Doch je länger die Hitze anhielt, desto mehr hatte er zu kämpfen. „Ich war derjenige, der die Aspekte dieser Umweltproblematik, mit der wir alle konfrontiert sind, im Detail beobachtete und aufzeichnete, aber ich fühlte mich ziemlich machtlos, wenn es darum ging, etwas darüber hinaus zu tun“, sagt er. „Die Tatsache, dass wir diesen Punkt erreicht hatten, hat mich einfach umgehauen. Wir haben die 40 °C tatsächlich überschritten. Es ist geschehen. Das hat mich auf emotionaler Ebene sehr getroffen.“

Seine Kollegin Katrina McNeill erkannte, dass Mark mit seinen Gefühlen nicht allein war.

„Einige der hier tätigen Klimawissenschaftler arbeiten seit 30–40 Jahren auf diesem Gebiet, ihr ganzes Leben lang. Sie verfügen nicht nur über das Fachwissen und die Erfahrung, sondern auch über einen enormen Enthusiasmus und den Willen, diese Wissenschaft tatsächlich relevant zu machen. Dass einige von ihnen zum Ausdruck brachten, dass sie sich überfordert fühlten, war daher ein Weckruf“, sagt Katrina.

Sie organisierte eine Reihe von Workshops, in denen die Mitarbeiter über die emotionalen Auswirkungen der Arbeit im Bereich Klimawandel sprachen. Mark sagt, dass sie ihm halfen, mehr Resilienz und ein besseres Unterstützungsnetzwerk aufzubauen.

„Es war eine einschneidende Erfahrung, offen über diese eher emotionalen Reaktionen sprechen zu können. Sie sind ganz natürlich, denn wir sind schließlich auch nur Menschen, aber wir erkennen das in unserem Beruf nicht so wirklich an“, sagt er. „Ich habe langsam gelernt, zu erkennen, wann es Auswirkungen auf mich hat und welche Auslöser es dafür gibt, und mich langfristig um mein eigenes Wohlbefinden zu kümmern.“

Umgang mit Desinformation, Leugnung und Drohungen

Die Arbeit von Klimawissenschaftlern und Klimavermittlern ist für die Gesundheitssicherheit entscheidend. Frühwarnsysteme und Klimadienste – und die Fähigkeit der Öffentlichkeit, diese zu verstehen und umzusetzen – schützen Gemeinschaften und Volkswirtschaften.

Im Jahr 2024 erreichten die wichtigsten Indikatoren für den Klimawandel erneut Rekordwerte, was vor allem bei jüngeren Menschen ein Gefühl der Schwermut und der Beunruhigung über die Klimaprognosen hervorrief. Diejenigen, deren Aufgabe es ist, den Klimawandel zu erfassen und zu überwachen, waren ebenfalls emotional betroffen von der nackten Realität unserer sich erwärmenden Welt. Welche Auswirkungen haben also Desinformation, Missbrauch und Klimaleugnung auf sie? Und wie vermitteln Klimawissenschaftler angesichts von Fehlinformationen, die über Online-Plattformen verbreitet werden, die zunehmenden Gesundheitsrisiken, die mit den beispiellosen Temperaturanstiegen einhergehen?  

„Meine Hauptreaktion auf das hohe Maß an Klima-Desinformation ist Frust“, sagt Mark. „Das Erstellen oder Verbreiten von Falsch- oder Desinformationen mag nur Sekunden in Anspruch nehmen, aber sie zu widerlegen, erfordert sehr viel mehr Aufwand. Vor allem, weil die Wissenschaft hinter der Klimaforschung nicht gerade simpel ist. Manchmal gibt es keine einfachen Antworten, und vielleicht liegt genau darin ein Teil der Macht der Desinformation begründet. Sie gibt vor, einfache Antworten auf komplexe Probleme zu haben.“

Für Katrina trägt ein Gefühl von Wirksamkeit, der Teilhabe und der Unterstützung dazu bei, Gefühle der Hilflosigkeit zu verringern. Sie übersetzt die komplexe Klimawissenschaft für Regierungsmitarbeiter, damit diese politische Handlungskonzepte zur Abmilderung der schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels entwickeln können.

„Ich neige dazu, Klimaleugner aus einem mitfühlenden Blickwinkel zu betrachten – warum wenden sich die Menschen ab, warum suchen sie nach anderen Optionen? Es liegt wohl daran, dass die anderen Optionen viel leichter zu verkraften sind. Wenn die Menschen glauben, dass der Klimawandel nicht vom Menschen verursacht wird, dann können sie nichts dagegen tun. Sie können einfach ihr normales Leben weiterführen, und was auch immer geschieht, wird geschehen. Es ist der einfachere Mechanismus, um mit dem Problem umzugehen.“

In einer früheren Funktion in der Wetterabteilung des Met Office war Katrina verbalen Angriffen ausgesetzt. „Wir bekamen einige wirklich beleidigende Anrufe. Man wurde bedroht, dass sie wüssten, wo man sei, und einem nach Hause folgen würden. Ich wurde ein paar Mal zu meinem Auto begleitet, weil mich das aufrüttelte, besonders wenn sie während einer Nachtschicht anriefen.“ 

Sie sagt, die Desinformation im Internet motiviere sie, den Klimawandel noch deutlicher zu vermitteln.  

„Es ist auf allen Ebenen wichtig, dass die Menschen genaue und korrekte Informationen darüber erhalten, wie sich unser Klima verändert. Auf politischer Ebene treffen die Regierungen weitreichende Entscheidungen, die uns alle betreffen können, aber auch als einzelner Bürger kann man einiges tun, um etwas zu bewirken, und wenn einem etwas nicht bewusst ist, kann man auch nichts dagegen tun.“

Die Bedrohung durch extreme Wetterverhältnisse vermitteln 

Helen Roberts bezeichnet sich selbst als Sozio-Meteorologin, deren Karriere sich um die Vermittlung des Wetters an die breite Öffentlichkeit wie auch an politische Entscheidungsträger dreht. Vor 22 Jahren kam sie zum Met Office und arbeitete dort in der Abteilung Wettervorhersage und sowie als Wetteransagerin. 

„In der Vergangenheit und bis zu einem gewissen Grad auch heute noch gehen viele Menschen, die sich mit Klimawissenschaften beschäftigen, davon aus, dass es ausreicht, die Wissenschaft zu betreiben und Daten zu erstellen. Der Rest wird sich von selbst ergeben. Und natürlich wissen wir, dass das weit gefehlt ist“, sagt sie.

„Wir müssen die ganze Zeit über das Was nachdenken. Was bedeuten diese Daten? Was machen wir damit? Für wen sind sie nützlich? Welche Entscheidungen werden auf der Grundlage dieser wissenschaftlichen Arbeit getroffen?“

Helen ist der festen Überzeugung, dass Natur- und Sozialwissenschaftler Hand in Hand arbeiten müssen, um sinnvoller kommunizieren zu können, und war aktiv daran beteiligt, den Wetterwarndienst des Met Office entsprechend anzupassen. So haben sie etwa Wetterwarnungen um Ratschläge ergänzt, die sich auf verhaltensbezogene Erkenntnisse und Verhaltenspsychologie stützen, damit die Menschen die Risiken besser verstehen und sich vor den möglichen gesundheitlichen Auswirkungen extremer Wetterbedingungen schützen können.

Als Klimavermittler arbeitet Helens Team daran, den Menschen zu helfen, Fake News zu erkennen und sie dort, wo sie vorkommen, durch gezielte Beiträge in den sozialen Medien zu entlarven.

„Leider sind reißerische Schlagzeilen, die die Risiken extremer Wetterereignisse diskreditieren oder untergraben, immer noch ein echtes Problem“, sagt Helen und verweist auf die Hitzewelle 2022. „Wir haben versucht, davor zu warnen, dass es sich wirklich um eine gefährliche, noch nie dagewesene Hitzewelle handelt, die weitreichende gesundheitliche Auswirkungen und Todesfälle zur Folge haben kann, und die Schlagzeilen der Boulevardpresse lauteten: ,Oh, Big Brother. Bevormundungsstaat. Warum können wir nicht einfach den Sommer genießen und mit unseren Freunden draußen grillen?’“

In 35 Ländern in der Europäischen Region der WHO starben im Jahr 2022 mehr als 61 000 und im Jahr 2023 mehr als 47 000 Menschen an den Folgen von Hitze. Obwohl alle Menschen gefährdet sind, handelt es sich bei den am stärksten Betroffenen vor allem um ältere und gefährdete Menschen mit Vorerkrankungen, die klare und einheitliche Informationen benötigen, um mit hohen Temperaturen umgehen zu können. 

Die Arbeit der WHO zur Bewältigung der gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels 

Die Auswirkungen des Klimawandels treffen die Region mit ihren 53 Mitgliedstaaten hart: Hitzewellen, Waldbrände und Überschwemmungen nehmen zu, und die Verbreitung von durch Vektoren übertragenen Krankheiten, wie etwa durch Zecken übertragene Hirnhautentzündung oder Dengue-Fieber, verändert sich. WHO/Europa räumt in seinem zweiten Europäischen Arbeitsprogramm 2026–2030 der Arbeit zum Klimawandel und seinen gesundheitlichen Auswirkungen, einschließlich der psychischen Gesundheit, hohe Priorität ein. 

Die Notwendigkeit umfassender Maßnahmen gegen den Klimawandel und für die Gesundheit, einschließlich der körperlichen und psychischen Gesundheit, wurde auch von den Mitgliedstaaten der WHO in ganz Europa und Zentralasien in der Erklärung von Budapest anerkannt, die im Juli 2023 auf der Siebten Ministerkonferenz Umwelt und Gesundheit in Ungarn angenommen wurde.