Wenn Sie heute in einen Supermarkt gehen, werden Sie immer mehr Flaschen und Dosen mit der Aufschrift „alkoholfrei“, „alkoholarm“ oder „leicht“ finden. Auf den ersten Blick sieht dies wie ein Fortschritt aus, ein Zeichen dafür, dass es in einer Region, in der Alkohol jedes Jahr fast 800 000 Todesfälle verursacht und in der jeder zehnte Erwachsene an einer Alkoholkonsumstörung leidet, gesündere Wahlmöglichkeiten gibt.
Die Tatsache, dass die Hersteller den Alkoholgehalt senken, ist ein Schritt in die richtige Richtung und damit im Sinne des Globalen Alkohol-Aktionsplans der WHO. Doch bei näherem Hinsehen ergibt sich für alkoholfreie oder alkoholarme Getränke (sog. „NoLos“) ein weit weniger eindeutiges Bild, und Länder wie Belgien haben dies öffentlich thematisiert und auf die Risiken hingewiesen, die vage oder irreführende Bezeichnungen für die Verbraucher beinhalten.
Was bedeuten diese Begriffe eigentlich?
Zunächst einmal stellt sich die Frage, was „alkoholarm“ bzw. „niedriger Alkoholgehalt“ eigentlich bedeutet. Laut dem WHO-Bericht mit dem Titel „Alkoholfreie und alkoholarme Getränke aus gesundheitlicher Sicht“ wird in manchen Ländern „alkoholfrei“ als 0,0 % Alkoholgehalt – gemessen in Volumenprozent (% vol) – definiert. Je nach Land kann das gleiche Etikett aber auch legal auf einem Getränk mit bis zu 0,5 % oder sogar 2,8 % Alkoholgehalt angebracht werden. Für die Kennzeichnung als „alkoholarm“ gibt es sogar noch weniger Regeln. Wo es Definitionen gibt, können sie bis zu 3,7 % vol reichen. Das Ergebnis ist ein Flickenteppich von Normen in der Europäischen Region, der die Verbraucher im Unklaren darüber lässt, was sie wirklich kaufen und konsumieren.
Vage oder irreführende Etiketten verschärfen das Problem
Diese Verwirrung dürfte künftig noch zunehmen. Um der steigenden Nachfrage gesundheitsbewusster Verbraucher gerecht zu werden, entwickeln die Hersteller neue „reduzierte“ oder „weniger starke“ Versionen bekannter Getränke. Dementsprechend sind nun neben den traditionellen Weinen mit 11 bis 14 % und den 40-prozentigen Spirituosen auch Weine mit 6 % Alkoholgehalt oder Gin mit 20 % Alkoholgehalt verfügbar. Da in Ermangelung von Vorschriften für die Bezeichnung dieser Produkte können alkoholische Getränke, die immer noch erhebliche Mengen an Alkohol enthalten, als „leicht“ oder „alkoholarm“ gekennzeichnet und vermarktet werden.
Warum ist das so wichtig?
Untersuchungen über die Kennzeichnung von Tabakerzeugnissen und Lebensmitteln belegen, dass Begriffe wie „gering“ und „leicht“ die Verbraucher in die Irre führen können, indem sie ein falsches Gefühl der Sicherheit vermitteln und den Eindruck erwecken, dass man mehr konsumieren kann, weil das Produkt scheinbar weniger schädlich ist. Sie können auch einen „gesundheitlichen Halo-Effekt“ hervorrufen, der die Gesamtwahrnehmung von Produkten als gesünder aufgrund eines einzigen Attributs (z. B. „fettarm“) verzerrt. Bei Alkohol, wo selbst geringe Mengen mit erhöhten Gesundheitsrisiken (insbesondere Brustkrebsrisiko) in Verbindung gebracht werden, liegen die Konsequenzen eines solchen Missverständnisses klar auf der Hand.
Klarheit, Regulierung und Ehrlichkeit vonnöten
Die Verbraucher haben ein Recht auf wahrheitsgetreue Etiketten. Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit können u. a. folgende Maßnahmen in Erwägung gezogen werden:
- einheitliche Definition von Begriffen wie „alkoholfrei“, „alkoholarm“ und „reduzierter Alkoholgehalt“ in allen Ländern und für die verschiedenen Arten von alkoholischen Getränken;
- Vorschreiben der genauen Angabe des Alkoholgehalts (in % vol) auf Produktetiketten ohne irreführende Bezeichnungen;
- Schließung von Schlupflöchern für die Vermarktung, die es ermöglichen, NoLos als Instrument der Markenwerbung zu nutzen; und
- Anbringung von Gesundheitswarnungen, Nährwertangaben und Zutatenlisten strikt nur auf dem Etikett selbst und nicht versteckt hinter QR-Codes.
Eine Verringerung des Alkoholgehalts alkoholischer Getränke kann der öffentlichen Gesundheit zugute kommen. Im Globalen Alkohol-Aktionsplan (2022–2030) ist ausdrücklich als mögliche Maßnahme vorgesehen, dass die Hersteller alkoholischer Getränke „in ihrem Produktsortiment nach Möglichkeit Produkte mit höherem Alkoholgehalt durch alkoholfreie oder alkoholärmere Produkte ersetzen“.
Doch in dem Aktionsplan kommt auch deutlich zum Ausdruck, dass dies auf transparente Weise geschehen muss, ohne geltende Vorschriften zu umgehen oder neue Verbrauchergruppen anzusprechen, sodass die Konsumenten wissen, wofür sie sich entscheiden. Heutzutage kann eine vage und uneinheitliche Kennzeichnung Verwirrung stiften und die Menschen auf der Suche nach Alternativen in die Irre führen. Klarheit und Kohärenz tragen entscheidend dazu bei, dass die Menschen wirklich mündige Entscheidungen treffen können und dass politische Entscheidungsträger auf der Grundlage solider Fakten handeln können.

