Die Atmosphäre bei der Tanzveranstaltung in Berlin ist elektrisierend und ausgelassen – es ist ein Ort, an dem viele Lesben, Schwule und Bisexuelle, aber vor allem Menschen aus der Trans-Community zusammenkommen, frei von Diskriminierung. Heute Abend feiern rund 500 Besucher und applaudieren den Mitgliedern der Community, wenn sie über den Laufsteg gehen und sich in Tanzwettbewerben messen.
Amanita Calderón-Cifuentes, eines der Jurymitglieder, wird auf den Schultern von zwei Tänzern hereingetragen. Sie ist eine Trans-Frau, die mit HIV lebt. Im Alltagsleben ist sie als Beauftragte für Forschung und Überzeugungsarbeit bei Transgender Europe (TGEU) tätig, einer Organisation, deren Auftrag darin besteht, die Rechte und das Wohlbefinden von Trans-Menschen in Europa und Zentralasien zu stärken. Amanita ist bekannt für ihre kritischen Gesundheitsinformationen und ihre Ratschläge für Veranstaltungsbesucher, und heute Abend wird sie sich mit dem Thema Mpox beschäftigen – einem Thema, bei dem die Trans-Community oft ausgeschlossen wurde, ob in der Fachliteratur, in der Beratung oder bei der Gesundheitsversorgung.
Die entscheidende Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen
Beim gegenwärtigen Mpox-Ausbruch traten außerhalb der Länder Afrikas, in denen die Krankheit seit langem endemisch ist, die bei weitem meisten, aber nicht alle Fälle unter schwulen, bisexuellen und anderen Männern mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten auf. Doch auch Trans- und nicht-binäre Personen waren betroffen. Zur Bekämpfung von Mpox haben sich zivilgesellschaftliche Organisationen, die betroffene Gruppen vertreten, mobilisiert, um sich selbst zu schützen und eine Weiterübertragung zu verhindern. Amanitas Einsätze auf Tanzveranstaltungen sind nur ein Beispiel für die wichtige Öffentlichkeitsarbeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die die am stärksten betroffenen Gruppen über den Schutz vor Mpox informieren und sie dort erreichen, wo sie sich versammeln.
„Ohne die LGBTQ+-Gemeinschaften der Welt wären wir nicht in der Lage, mit diesen Mpox-Infektionen umzugehen, denn wir sind es, die den Gruppen die Hand reichen, die es am meisten brauchen. Wir sind es, die die Welt daran erinnern: Leute, wir sind immer noch da. Und wir haben Schmerzen. Das kommt mir als Erstes in den Sinn, wenn ich an Mpox denke. Schmerzen. Die Schmerzen meiner Community“, sagt Amanita.
Sie weist darauf hin, dass die ersten Fälle, die im vergangenen Jahr in Europe entdeckt wurden, wie ein Weckruf waren.
„Ich habe zwei Pandemien [HIV und COVID-19] und mehrere Epidemien überlebt“, fügt sie hinzu. „Und bei Mpox war eindeutig absehbar, dass sie die Queer- und Trans-Community ebenso stark treffen würden wie HIV.“
In ihrer Arbeit bei TGEU setzt sie sich für die Rechte und das Wohlbefinden von Trans-Personen ein, einer Bevölkerungsgruppe, die in der Europäischen Region der WHO, die insgesamt 53 Länder in Europa und Zentralasien umfasst, oft stigmatisiert wird. Sie ist der Ansicht, dass die Anbieter von Gesundheitsleistungen vielleicht wichtige Lehren aus der HIV/Aids-Epidemie nicht beherzigen, weil sie oft nicht verstanden haben, wie man mit den gesundheitlichen Bedürfnissen von Schlüsselgruppen wie Prostituierten, Drogenkonsumenten, Häftlingen und Migranten umgehen kann.
„Was wir von HIV wissen, ist, welche Bevölkerungsgruppen ein hohes Risiko tragen, sich mit dieser Art von Infektion anzustecken. Das sind nicht nur schwule, bisexuelle und andere Männer mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten, sondern auch Trans-Menschen. Für viele Ärzte stellt der Zugang zu Impfungen für Trans-Menschen keine Priorität dar, weil wir laut medizinischen Leitlinien im Gegensatz zu Männern mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten keine Hochrisikogruppe sind“, sagt Amanita abschließend.
Lernen von der Community, um Mpox zu eliminieren
WHO/Europa arbeitet seit Beginn des Ausbruchs mit den betroffenen Bevölkerungsgruppen zusammen: durch Zuhören und Lernen und durch Einbeziehung ihrer wertvollen Erfahrungen und Ideen in Botschaften, Interventionen, Leitlinien und Strategien mit dem Ziel, die Mpox in der Europäischen Region zu eliminieren.
„WHO/Europa hat eine Kampagne mit dem Titel ,Eliminierung der Mpox: die betroffenen Bevölkerungsgruppen im Mittelpunkt der Gegenmaßnahmen‘ gestartet. [...] Mit dieser Kampagne, die in enger Zusammenarbeit mit der TGEU entstanden ist, soll sichergestellt werden, dass die verwendete Sprache ausdrücklich andere marginalisierte Mitglieder der Gesellschaft einbezieht, die zuvor nicht berücksichtigt wurden, wie Trans-Menschen und Prostituierte“, sagt Amanita.
Um eine Chance zu haben, Mpox in der Europäischen Region zu eliminieren, kommt es entscheidend darauf an, insbesondere die auf der Strecke gebliebenen oder noch nicht vollständig in die Mpox-Bekämpfung integrierten Gruppen zu erreichen und bei ihnen Vertrauen aufzubauen. WHO/Europa unterstreicht, dass zwar Mpox nicht mehr als gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite eingestuft wird, aber es dennoch keinen Grund zur Untätigkeit gibt, sondern dass die Gesundheitsbehörden und die am stärksten betroffenen Gruppen gleichermaßen wachsam bleiben müssen, wenn die Krankheit wirksam bekämpft und sogar eliminiert werden soll.
Im Saal äußern sich andere Vertreter der Community über Mpox. Sedami ist Fotografin und identifiziert sich als trans-feminin. „Mpox ist da, und die Leute stecken sich immer noch damit an“, sagt Sedami. „Ich finde, es muss eine Selbstverständlichkeit werden, dass man darüber sprechen kann. Ich habe die beiden Impfungen bekommen, aber jetzt passe ich auf, mit wem ich mich einlasse oder Sex habe, denn nicht alle haben Zugang zu den Impfungen.“
Als Jeffry, ein schwuler Mann, sich gegen Mpox impfen ließ, fand er die Registrierung relativ einfach, aber der Fragebogen, den er ausfüllte, enthielt keinen Hinweis auf Gruppen wie Trans- und nicht-binäre Menschen. „Ich habe mich impfen lassen“, sagt er. „Es ist ein Privileg, [nach der Lockerung der COVID-19-Maßnahmen] wieder zusammensein zu können, aber man sollte sich bewusst sein, was mit dem eigenen Körper passiert, denn es kann sich leicht auf andere auswirken.“
Jade Mugisha ist 21 Jahre alt und identifiziert sich als Trans-Frau. Um Mpox zu eliminieren, sagt sie, müsse die Gesundheitsversorgung inklusiv sein und eine stigmatisierungsfreie Beratung anbieten. „Wir müssen geschützt werden, denn die Welt funktioniert oft nicht für uns, sondern eher gegen uns. Ein Grund, warum Menschen nicht bereit sind, sich zu engagieren, könnte sein, dass sie sich nicht eingeladen fühlen. Es ist wichtig, dass wir an einem Strang ziehen und diese Krankheit als Gemeinschaft bekämpfen, als eine Einheit“, betont Jade.
Auch wenn die Zahl der Fälle von Mpox in der Europäischen Region weiterhin niedrig ist, so ist die Krankheit doch nicht verschwunden. Es ist ungewiss, was in den kommenden Monaten und sogar Jahren geschehen wird. Denn die Menschen reisen weiterhin in Gebiete mit höheren Mpox-Fallzahlen oder geringerem Impfschutz, und in diesem Sommer finden wieder große Massenveranstaltungen statt.
Als Amanita unter Jubel und Johlen die Bühne betritt, ist ihre Botschaft ein Aufruf zum Handeln. „Wir wollen keinen Wiederanstieg der Fallzahlen im Frühjahr und Sommer“, sagt sie. „Darum sage ich euch allen hier: lasst euch testen, impfen und behandeln. Schützt einander, redet miteinander, mit euren Freunden, Partnern und Lovern, und mit euren Familien.“
Kampagne von WHO/Europa zur Eliminierung der Mpox
Die im Mai 2023 gestartete Kampagne von WHO/Europa zur Bekämpfung der Mpox appelliert an die betroffenen Gruppen, die Gesundheitsbehörden und die Gesundheitsberufe, in diesem Sommer wachsam zu bleiben. Die Länder werden dringend aufgefordert, mit Gesundheitstipps und -informationen zum Thema Mpox und mit Tests und Impfungen auf alle betroffenen Gruppen zuzugehen; gleichzeitig werden die Erfahrungen, Bedürfnisse und Hoffnungen der Menschen in Verbindung mit Mpox in diesem Jahr beleuchtet. Mit dem aktualisierten Toolkit zur Risikokommunikation und Bürgerbeteiligung sowie zur Bewältigung von Infodemien (RCCE-IM) bietet WHO/Europa Gesundheitsbehörden, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Veranstaltern auch einen umfassenden Ratgeber im Hinblick auf die Eliminierung der Mpox an, der auch einen neuen Abschnitt mit Tipps für die Sicherstellung der Einbeziehung von Gruppen wie Trans-Personen, Prostituierten und Betreibern von Swinger-Clubs enthält. In einem von WHO/Europa neu erstellten Kompendium mit zwölf Fallstudien wird die zentrale Rolle örtlicher Initiativen der WHO bei der Reduzierung der Mpox-Fallzahlen durch Inspiration und Aufzeigen bewährter Praktiken für Gesundheitsbehörden und zivilgesellschaftliche Organisationen dargestellt.