In einer ruhigen Ecke Usbekistans beobachtete ein Neurologe bei einem Routinebesuch etwas Ungewöhnliches. Ein Mann hatte spärliche Augenbrauen, trockene Haut und gefühllose Stellen – Anzeichen für Lepra, die viele übersehen hätten. Aber Dr. Bahodir Karimov erinnerte sich an die Schulung der WHO zum Thema Lepra, an der er 2023 teilgenommen hatte, und griff zum Telefon.
„Ich war mir nicht sicher, aber ich wusste, dass ich schnell handeln musste und keinen Fehler machen durfte“, sagt Dr. Karimow, der im Bezirk Chodscheli in Karakalpakstan arbeitet. Sein prompter Anruf führte zu einer raschen Diagnose. Dank dieser frühzeitigen Erkennung wurde der Patient unverzüglich zur Behandlung an das nationale Leprosorium überwiesen.
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From left to right: Eshboev Egamberdi (Professor, Chief Leprologist of the Republic of Uzbekistan), Nuratdinova Zamira (Chief Physician of the Karakalpak Leprosarium), Jamshid Gadoev (National Professional WHO Country Office in Uzbekistan).
Jeden Fall erfassen
Die Lepra, auch als Hansen-Krankheit bekannt, wird oft für eine Krankheit der Vergangenheit gehalten, aber es gibt sie auch heute noch. Sie ist eine chronische Infektionskrankheit, die hauptsächlich durch eine Bakterienart namens Mycobacterium lepraeverursacht wird. Die Krankheit befällt die Haut, die peripheren Nerven und die Schleimhäute der oberen Atemwege sowie die Augen. Neben der körperlichen Entstellung haben Leprakranke auch mit Stigmatisierung und Diskriminierung zu kämpfen.
Jedes Jahr werden weltweit etwa 200 000 neue Fälle gemeldet. In Usbekistan wurden 2024 offiziell drei Fälle gemeldet. Durch kontinuierliche Bemühungen versucht das Land, die Entdeckung von Fällen zu verbessern, damit jeder Fall erfasst wird.
Lepra ist behandelbar und heilbar, aber nur, wenn sie rechtzeitig erkannt wird. Doch das größte Hindernis auf dem Weg zur Eliminierung der Krankheit ist das mangelnde Bewusstsein, selbst in den Gesundheitsberufen.
Für Dr. Jumagul Abdurasuliyeva, eine Landärztin im usbekischen Bezirk Amudarya, ist diese vernachlässigte Krankheit nichts Neues. Einmal diagnostizierte sie bei einem Patienten Lepra und erkannte nun, Jahrzehnte später, Anzeichen bei seinem Neffen. „Ich habe nicht sofort etwas gesagt“, erinnert sie sich. „Es ist schwer, jemandem zu sagen, dass er vielleicht Lepra hat. Aber ich wusste, was zu tun war. Ich habe sofort einen Facharzt angerufen.“
In den Regionen Karakalpakstan und Khorezm wurden Gesundheitsfachkräfte mit Unterstützung der WHO darin geschult, frühe Anzeichen von Lepra wie trockene Hautstellen, Taubheit oder unerklärliche Wunden zu erkennen, insbesondere in den abgelegenen Gemeinden. Ihre Bereitschaft, schnell zu handeln, ist kein Zufall.
Ein nationaler Lepra-Aktionsplan
Das WHO-Länderbüro in Usbekistan hat das Gesundheitsministerium der Republik Usbekistan bei der Annahme des Nationalen Lepra-Strategieplans 2022–2030, der sich an der „Globalen Lepra-Strategie 2021–2030: auf dem Weg zu Null Lepra“ orientiert, fachlich unterstützt.
Im Rahmen der Umsetzung der Strategie führte die WHO eine Reihe von Schulungen zum Kapazitätsaufbau für insgesamt 81 Beschäftigte des Gesundheitswesens in den lepragefährdeten Gebieten Usbekistans durch. An diesen Schulungen nahmen Augenärzte, Neurologen, Epidemiologen und Allgemeinmediziner teil. Ziel dieser Fortbildungsmaßnahme war die Verbesserung der Früherkennung von Leprafällen und der Behandlung der Lepra und ihrer Komplikationen.
Als nächsten Schritt planen das WHO-Länderbüro in Usbekistan und das Gesundheitsministerium die Einleitung von Maßnahmen zur Ermittlung von Kontaktpersonen in den Zielregionen. Das Ziel besteht darin, neue Leprafälle zu ermitteln, insbesondere innerhalb des Haushalts und bei engen Kontaktpersonen bekannter Patienten, und eine Postexpositionsprophylaxe gemäß den Empfehlungen der WHO durchzuführen, um die Übertragung zu unterbrechen und die Entwicklung der Krankheit zu verhindern.
Tiefe Wirkung
Nikolay, der in einem Dorf in Chodscheli in Karakalpakstan lebt, wusste nichts von seiner Lepraerkrankung. „Ich dachte, ich sei gesund. Das hätte ich mir nie vorstellen können“, sagt er. „Als die Ärzte mir das sagten, geriet ich in Panik. Aber sie erklärten, dass die Krankheit heilbar sei. Das gab mir Hoffnung.“
Andere reagierten gelassener auf die schockierende Nachricht. „Ich habe den Ärzten einfach vertraut“, sagt Alikhan, ein weiterer Patient aus Karakalpakstan. „Sie wussten, was zu tun war.“
Lepra betrifft oft mehr als nur die Haut und kann auch das psychische Wohlbefinden stark beeinträchtigen. Studien zeigen, dass über 30 % der von Lepra Betroffenen unter Depressionen, Angstzuständen, geringem Selbstwertgefühl oder sogar Suizidgedanken leiden. Viele beschreiben ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit oder emotionalen Taubheit, das häufig durch jahrelange Stigmatisierung, soziale Isolation und Angst vor Diskriminierung bedingt ist.
Für Mekhriniso, eine Großmutter aus Khorezm, kam der Wendepunkt nach monatelanger falscher Behandlung. „Ich hatte Hautflecken, aber niemand wusste, was das war“, erinnert sie sich. „Schließlich wurde ich an eine Klinik in Nukus überwiesen und bekam die richtige Diagnose.“ Inzwischen befindet sich Mekhriniso in Behandlung und hofft darauf, bald zu ihrer Familie und ihren Enkelkindern zurückkehren zu können.
Warum Früherkennung so wichtig ist
Es wird angenommen, dass Lepra von einer Person mit unbehandelter Krankheit durch Tröpfchen aus Nase und Mund übertragen wird. Die Krankheit verbreitet sich nicht durch oberflächlichen Kontakt wie Händeschütteln oder Umarmen, gemeinsames Essen oder das Sitzen neben einer infizierten Person. Sie entsteht durch längeren engen Kontakt, wobei die Patienten nach Beginn der Behandlung nicht mehr ansteckend sind.
Lepra ist generell nicht hochgradig ansteckend. Die Krankheit ist kein Fluch und sie ist heilbar, doch es kommt entscheidend auf Früherkennung an. Das derzeit empfohlene Behandlungsschema besteht aus drei Medikamenten – Dapson, Rifampicin und Clofazimin – und wird als Multimedikamententherapie (MDT) bezeichnet. Das gleiche Schema, mit einer Dauer von sechs Monaten für paucibazilläre bzw. zwölf Monaten für multibazilläre Fälle, wird von der WHO empfohlen. Die MDT tötet den Erreger und heilt den Patienten. Bei frühzeitiger Diagnose und sofortiger Behandlung können Behinderungen eher verhindert werden. Die WHO stellt die MDT kostenlos zur Verfügung.
„Wir müssen die Augen offen halten, nicht nur für Lepra, sondern für alle Infektionskrankheiten“, sagt Dr. Karimov. „Das haben wir bei COVID-19 gelernt.“
„Wir dürfen nicht vergessen, dass es die Lepra gibt“, fügt Dr. Abdurasuliyeva hinzu. „Und wir sollten nie vergessen, dass hinter jedem Fall ein Leben steht, das verändert werden kann.“

