Lisandro Moises Enrique umgibt eine Mischung aus Wärme und Ernsthaftigkeit, die ihn sogleich sympathisch macht. Der 48-jährige Argentinier zog vor vier Jahren nach Barcelona und liebt den Strand in der Stadt, ihre Atmosphäre und die dort gebotene Lebensqualität.
„Das Leben ist entspannt, und Freiheit und Vielfältigkeit werden respektiert. Hier gibt es alles, einschließlich Nahrungsmitteln aus allen Ecken der Welt“, bemerkt er. Doch mit einem Lächeln auf den Lippen gibt er zu, dass er das Fleisch aus seinem Heimatland vermisst. Und seine Großmutter.
Lisandro wohnte bereits in Barcelona als die COVID-19-Pandemie begann. Es sei keine leichte Situation gewesen, erzählt er. Dann infizierte er sich im letzten Juni mit Mpox (Affenpocken).
„Angst. Das war das erste Gefühl, das ich verspürte, als ich herausfand, dass ich mich mit Mpox angesteckt hatte. Angst um die Menschen um mich herum, Angst um die Menschen, die mich [vor meiner Diagnose] besucht und mit Oberflächen in Kontakt gekommen waren, die ich berührt hatte“, erinnert er sich.
„Durch meine Infektion war ich nicht in der Lage zu arbeiten oder andere berufliche Verpflichtungen zu erfüllen. Ich musste mich fast einen Monat lang isolieren. Das hatte Auswirkungen auf mein Sozialleben, meine Finanzen und andere Aspekte meines Lebens. Es war kompliziert. Zudem war es unglaublich heiß. Es war also wirklich keine leichte Situation.“
Lisandro fügt hinzu: „Doch die Infektion wurde frühzeitig entdeckt, daher waren zumindest die Symptome nicht so schlimm. Bedauerlicherweise war das bei der Person, bei der ich mich mit Mpox angesteckt hatte, nicht der Fall. Er hatte viele Läsionen, und seine Symptome hielten deutlich länger an. Mpox hatte letztendlich Auswirkungen auf sein Selbstbewusstsein, und er hatte Angst, seinen Job zu verlieren.“
Während seiner Isolation erhielt Lisandro jeden Tag einen Anruf vom Barcelona Checkpoint, einem gemeindenahen Zentrum, das Schwule, bisexuelle und andere Männer mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten (GBMSM) sowie Transgender-Frauen unterstützt und dabei den Schwerpunkt auf die Erkennung von HIV und anderen sexuell übertragenen Infektionen legt.
Lisandro war vor dem Mpox-Ausbruch als Freiwilliger im Barcelona Checkpoint tätig, und er setzte die Zusammenarbeit fort, wenn auch nur online, als er an dem Virus erkrankt war. Die Mitarbeiter des Zentrums fragten, wie sich seine Symptome entwickelten und wie sie ihn unterstützen könnten.
Über Instagram begann Lisandro zudem, über seine Erfahrungen mit Mpox zu sprechen und Informationen darüber zu posten, wie man eine Infektion und die Ausbreitung des Virus verhindern kann (ein „kompletter Leitfaden“, wie er es nannte). Sobald Impfstoffe gegen Mpox verfügbar waren, postete er Informationen darüber, wo betroffene Gemeinschaften Zugang zu Impfungen erhalten konnten und wer Anspruch auf eine Impfung hat.
Ferner teilte Lisandro, der seit 1994 mit HIV lebt (sein Instagram-Account trägt den Namen „LisandroPositivo“), Informationen zu dem von Mpox ausgehenden Risiko für Menschen, die mit HIV leben. Als es nur spärliche Informationen zu Mpox gab und viele Fragen unbeantwortet blieben, waren Lisandros Posts für seine fast 10 000 Follower eine Rettungsleine.
„Als Migranten haben wir immer Rechte“
Als er über seine Arbeit im Barcelona Checkpoint spricht, gibt Lisandro zu, dass sein Leben in seiner neuen Stadt ohne die Unterstützung des Zentrums während der COVID-19-Pandemie und seines Kampfes mit Mpox ganz anders ausgesehen hätte.
Obwohl er sich unterstützt fühlte und die Versorgung erhielt, die er benötigte, merkt er an: „Ich kenne viele Migranten in Barcelona. Einige von ihnen kamen erst kürzlich in der Stadt an und infizierten sich mit Mpox. Sie hatten Angst, die Angebote des öffentlichen Gesundheitswesens in Anspruch zu nehmen, da sie keine Papiere oder einen Pass aus der Europäischen Union hatten. Sie zogen es vor, nicht um Unterstützung zu bitten, aus Angst, zurückgewiesen oder erwischt zu werden.
Er fügt hinzu: „Als Migranten haben wir immer Rechte. Das ist etwas, das immer klargestellt werden sollte. Es ist wichtig, dass Migranten von gemeindenahen Organisationen über ihre Rechte in Kenntnis gesetzt werden. Was Mpox betrifft, gilt: je früher eine Mpox-Infektion entdeckt und behandelt wird, desto besser ist es für alle.“
Lisandro hat eine eindeutige Botschaft an das Gesundheitspersonal: „Vorurteile oder Stigmata sind nie hilfreich. Krankheiten sind Krankheiten und sollten mit Respekt und Fürsorge behandelt werden, egal wer davon betroffen ist.“
Er ist nach wie vor als Freiwilliger im Barcelona Checkpoint tätig. Das Zentrum arbeitet eng mit den Gesundheitsbehörden zusammen und bietet Mpox-Impfungen für alle Betroffenen an – einschließlich Migranten, die möglicherweise nicht über eine Gesundheitskarte verfügen.
WHO/Europa fordert, alle unterversorgten Gemeinschaften mit Mpox-bezogenen Gesundheitshinweisen, Tests und Impfungen zu versorgen
WHO/Europa fordert kontinuierliche Ressourcen, erhöhte Wachsamkeit und niedrigere Barrieren für Tests und Impfungen, damit Mpox in der Europäischen Region der WHO unter Kontrolle gebracht und möglicherweise sogar eliminiert werden kann. Diese Botschaft verbreitet es im Rahmen seiner Mpox-Kampagne „Eliminierung der Mpox: die betroffenen Bevölkerungsgruppen im Mittelpunkt der Gegenmaßnahmen“, die von Mai bis September 2023 läuft, sowie mit Hilfe seines Toolkits zur Risikokommunikation und Bürgerbeteiligung sowie zur Bewältigung von Infodemien für die Eliminierung von Mpox (Stand: Mai 2023) und seines jüngsten Kurzdossiers zum Thema Mpox (Stand: April 2023).
Insbesondere fordert WHO/Europa die Länder eindringlich dazu auf, alle unterversorgten Bevölkerungsgruppen, darunter auch Migranten, zu erreichen. Das Erreichen von und der Aufbau von Vertrauen in Gruppen, die häufig zurückgelassen werden – wie etwa Migranten, die möglicherweise nicht in das formelle Gesundheitssystem eingebunden sind –, stellen eine anhaltende Herausforderung dar. Es muss mehr getan werden, um diesen dabei zu helfen, in Bezug auf Mpox Zugang zu Gesundheitshinweisen, Tests und Impfungen zu erhalten.
Das Kompendium von Fallstudien von WHO/Europa zur Bürgerbeteiligung in Reaktion auf den Mpox-Ausbruch, das im Rahmen der Kampagne „Eliminierung der Mpox“ veröffentlicht wurde, hat zur Verbesserung des Verständnisses über die Bekämpfung von Mpox beigetragen. Die darin aufgeführten Erkenntnisse, u. a. darüber, wie man unterversorgte Gruppen erreicht, sind entscheidend, damit wir auch nur den Hauch einer Chance haben, Mpox in der Europäischen Region zu eliminieren.