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Dr. Rosa and Dr. Joyrine.
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„Wir hatten seit Monaten keine Sepsisfälle“, berichtet eine Entbindungsklinik in Tadschikistan

30 April 2024
„Einige meiner Kollegen sind ein wenig verwirrt“, gesteht Dr. Rosa Nodirshoeva, die hier einfach als Dr. Rosa bekannt ist. „Wir hatten seit einigen Monaten keine Sepsisfälle mehr. Das finden sie sehr ungewöhnlich“, fügt sie hinzu und lächelt ihrer Kooperationspartnerin, Dr. Joyrine Biromumaiso, zu, bevor sie erklärt: „Aber du und ich, wir kennen den Grund.“

Dr. Rosa verändert bequem ihre Sitzposition. Sie strahlt eine gewisse Autorität aus. Das passt zu ihrer Position als Oberärztin in der großen Entbindungsklinik Nummer 1 in Duschanbe (Tadschikistan). Dr. Rosa arbeitet seit über 30 Jahren in der Gesundheitseinrichtung und kennt sie wie ihre Westentasche. 

Sie arbeitet eng mit Dr. Joyrine zusammen, einer Expertin für Infektionsprävention und -bekämpfung, die im WHO-Länderbüro in Tadschikistan arbeitet. Heute sprechen sie darüber, wie viel sich seit dem Beginn ihrer engen Kooperation vor etwas mehr als 3 Jahren verändert hat.

 

Dr. Rosa Nodirshoeva

Dr. Rosa Nodirshoeva. © WHO

Prävention nosokomialer Infektionen

„Schulungen im Bereich Infektionsprävention und -bekämpfung haben die Art und Weise, wie wir arbeiten, verändert“, erklärt Dr. Rosa. „Früher konnten Pflegekräfte mit jahrelanger Erfahrung selbst bei einfachsten Eingriffen wie dem Einführen eines Katheters versehentlich einen Patienten infizieren, weil sie die richtigen Maßnahmen und Techniken zur Prävention von nosokomialen Infektionen schlichtweg nicht kannten. Sie waren nicht gut darüber aufgeklärt worden.“

Dr. Rosa erläutert, dass die Einrichtung sich seit Jahrzehnten um die Verbesserung der Infektionsprävention und -bekämpfung bemühe. Doch seit sie mit Dr. Joyrine zusammenarbeite, seien sie in der Lage, ihre Kapazitäten drastisch auszubauen und die Fortschritte zu beschleunigen. 

Sie nennt Beispiele für in der Einrichtung vorgenommene Verbesserungen und fügt hinzu, dass das Personal jetzt genau auf die Maßnahmen zur Infektionsprävention und -bekämpfung achte und verstehe, wie wichtig dies für eine sichere und hochwertige Pflege ist.

„Unsere Mitarbeiter wenden die 5 Momente für Handhygiene an und sind bei der Reinigung der Einrichtung viel gewissenhafter geworden. Meine Kollegen wissen, wie man gebrauchte Spritzen, Masken und andere medizinische Abfälle ordnungsgemäß entsorgt. Unsere Einrichtung hat den Bedarf an Desinfektionsmitteln und anderen Gesundheitsprodukten, die zum Schutz eingesetzt werden, klar formuliert. Wir haben jetzt überall in der Einrichtung Geräte mit Desinfektionslösungen. Die Patienten möchten eine qualitativ hochwertige Versorgung erhalten, und all diese Veränderungen helfen uns, sie und unser Gesundheitspersonal vor nosokomialen Infektionen zu schützen.“

Dr. Rosa merkt an, dass eine einfache Erinnerung manchmal ausreiche, um eine Tragödie zu verhindern, und dass die Patienten selbst ein größeres Bewusstsein für ihre eigene Gesundheit entwickelt hätten. „Sie kommen zwar zur Behandlung, aber wenn sie sehen, dass der Arzt seine Hände nicht gewaschen hat, melden sie sich zu Wort.“

 

Health workers explain about proper medical waste management to Dr. Hans Kluge

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Weniger Infektionsfälle

Am Ende des Korridors sind die Beschwerden einer werdenden Mutter zu hören. Fast 1000 Babys werden in dieser Einrichtung jeden Monat geboren. Jedes fünfte Baby wird per Kaiserschnitt entbunden, da die Einrichtung Frauen mit Komplikationen aus allen Regionen des Landes aufnimmt. 

Früher wurden in der Entbindungsklinik jeden Monat mindestens 2 oder 3 Fälle von septischen Komplikationen registriert, aber das hat sich in den letzten Jahren geändert. Auch bei anderen Infektionen, einschließlich Hepatitis B beim Gesundheitspersonal, konnte die Einrichtung einen drastischen Rückgang verzeichnen. Die Verbesserungen bei der Infektionsprävention und -bekämpfung waren dabei der Schlüssel zum Erfolg.

Dr. Joyrine ist stolz auf die Erfolge von Dr. Rosa und ihren Kollegen. Sie weiß selbst, dass die richtigen Praktiken zur Infektionsprävention und -bekämpfung Leben retten können. Sie war auf dem Höhepunkt der Ebola-Krise, bei der mehr als 11 000 Menschen starben, in Westafrika. Als an vorderster Front tätige Fachkraft schulte sie Gesundheitsfachkräfte darin, sichere Behandlungen durchzuführen und sich vor dem Virus zu schützen, das dennoch viele ihrer Kollegen tötete. 

Nach dieser schrecklichen Erfahrung ist Dr. Joyrine eine der größten Verfechterinnen für die Umsetzung von Programmen zur Infektionsprävention und -bekämpfung in Gesundheitseinrichtungen. „In Tadschikistan spreche ich oft über meine Erfahrungen in Westafrika und Ostafrika und über das, was ich vor Ort gesehen habe.“

Sie erklärt, dass das Thema der kulturellen Normen oft zur Sprache komme. „Durch ein offenes Gespräch über kulturelle Praktiken und Traditionen – zum Beispiel in Zusammenhang mit Bestattungsriten – beginnen die tadschikischen Gesundheitsfachkräfte zu verstehen, wie sich Infektionen ausbreiten können. Sie sind sehr daran interessiert, mehr über die Leitlinien der WHO zu erfahren und die von uns empfohlenen Praktiken und Techniken umzusetzen. Das ist der Grund, warum wir diese Verbesserungen sehen.“

Seit Dr. Joyrine ihre Tätigkeit in Tadschikistan aufgenommen hat, hat sich viel verändert. Mit fachlicher Unterstützung der WHO hat das Land im Jahr 2022 neue nationale Leitlinien für die Infektionsprävention und -bekämpfung entwickelt. Die finanzielle Unterstützung durch die Behörde der Vereinigten Staaten für internationale Entwicklung (USAID) war entscheidend für die Ausarbeitung weiterer Leitlinien für das Gesundheitspersonal zur Umsetzung dieser Maßnahmen in die Praxis. 

 

Dr. Hans Kluge visited the maternity hospital where Dr. Rosa works

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„Infektionsprävention und -bekämpfung sind entscheidend“

In den letzten Jahren wurden auf der Grundlage der WHO-Leitlinien für die Infektionsprävention und -bekämpfung und in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen, wie dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF), landesweit mehr als 8000 Beschäftigte des Gesundheitswesens in der Infektionsprävention und -bekämpfung geschult. Es wurde hochwertiges Schulungs- und Kommunikationsmaterial in den Landessprachen entwickelt. 

Viele Partner unterstützen Tadschikistan dabei, den Zugang zu einer angemessenen Infrastruktur für die Wasser- und Sanitärversorgung und Hygiene sowie entsprechenden Angeboten wie auch zu wichtigen Materialien und Geräten für die Infektionsprävention und -bekämpfung sicherzustellen, um eine sichere Versorgung zu gewährleisten.

Die harte Arbeit wird fortgesetzt. In vielen Einrichtungen des Landes werden noch immer keine angemessenen Praktiken zur Infektionsprävention und -bekämpfung befolgt, und viele weitere Beschäftigte des Gesundheitswesens müssen geschult werden. Darüber hinaus stellen der fehlende Zugang zu sicherem, fließendem Wasser in den Gesundheitseinrichtungen und die mangelnde Verfügbarkeit von persönlicher Schutzausrüstung wie Handschuhen, Masken und alkoholhaltigen Handreinigungsmitteln große Hindernisse für die Umsetzung von Maßnahmen zur Infektionsprävention und -bekämpfung dar. 

Mit Unterstützung von USAID wird Dr. Joyrine ein Überwachungs- und Evaluationsteam ausbilden, das entscheidend dazu beitragen wird, die Fortschritte in den Gesundheitseinrichtungen in allen Bezirken Tadschikistans zu verfolgen. Zu den wichtigsten nächsten Schritten für das Land gehört auch, dass Kurse zur Infektionsprävention und -bekämpfung in alle medizinischen Lehrpläne aufgenommen und systematisch dem Gesundheitspersonal in den Einrichtungen angeboten werden. 

Eine der wichtigsten Empfehlungen der WHO ist die Schaffung eines neuen Kaders von Gesundheitsfachkräften, die sich ganz der Anleitung und Überwachung der ordnungsgemäßen Umsetzung von Praktiken der Infektionsprävention und -bekämpfung in Gesundheitseinrichtungen widmen.

Eine Reinigungskraft kommt an dem Raum vorbei, in dem Dr. Rosa und Dr. Joyrine sitzen. Dr. Rosa rückt ihre Brille zurecht und erklärt: „Infektionsprävention und -bekämpfung sind entscheidend. Wenn man nicht weiß, wie man Infektionen verhindert, sollte man nicht in einer Gesundheitseinrichtung arbeiten.“