„Meine Rolle als Pflegerin und Betreuerin ist nicht wirklich aufgabenorientiert. Kevin kann Dinge wie Zähneputzen, Anziehen usw. selbst erledigen. Er hat eher Probleme mit seinem räumlichen Wahrnehmungsvermögen, sodass es lauter kleine Gefahren gibt, auf die ich für ihn achten und bei denen ich ihn unterstützen muss.“
Helena aus Kanturk (Irland) ist verheiratet mit Kevin (60), der vor sieben Jahren mit Lewy-Körperchen-Demenz diagnostiziert wurde, einer degenerativen Erkrankung des Gehirns, die sich auf das Verhalten, die kognitiven Fähigkeiten, die Bewegung und die Regulierung der automatischen Körperfunktionen auswirkt.
„Ich muss nun das Autofahren übernehmen, denn er hat nicht mehr das räumliche Wahrnehmungsvermögen, um sicher zu fahren“, erzählt sie. „Er wird auch schnell müde, wenn er körperliche Tätigkeiten ausübt, wie etwa Rasenmähen oder Holzhacken für den Kamin, sodass ich diese Aufgaben auch oft übernehmen muss.“
Nahezu jeder fünfte Erwachsene in der Europäischen Region ist aktiv in die Pflege und Betreuung eines Familienmitglieds, Freundes oder Nachbarn involviert. Der Großteil dieser Pflege- und Betreuungstätigkeiten wird von Frauen wie Helena ausgeführt, die zwischen 45 und 64 Jahre alt sind.
Valli aus Oxford (Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland) hat ebenfalls erlebt, wie sich ihr Leben dramatisch verändert hat, seit ihr Ehemann Des (67) ebenfalls begann, erste Symptome einer Lewy-Körperchen-Erkrankung aufzuweisen.
„Des hat früher unsere gesamte Buchhaltung gemacht, die Rechnungen für den Haushalt gezahlt und die Finanzplanung erledigt, doch jetzt kann er das nicht mehr“, erklärt Valli. „Ich muss mich um seine Termine kümmern und sicherstellen, dass er seine Medikamente rechtzeitig einnimmt, und auch für unsere Reiseplanung bin ich zuständig. Viele Dinge sind auf meine To-Do-Liste gewandert. Ich musste die Kontrolle übernehmen.“
Die Krankheit kann auch einige recht beunruhigende psychotische Episoden hervorrufen, wie Helena berichtet. „Kevin hat oft visuelle Halluzinationen, bei denen er Menschen sieht, die nicht da sind, er nimmt üble Phantomgerüche wahr, die er mit dem Geruch von verrottendem Fleisch vergleicht, und er hat regelmäßig schreckliche Albträume. Ich bin da, um ihn in diesen schwierigen Momenten zu beruhigen.“
Die Vereinten Nationen haben den 29. Oktober 2023 zum ersten Internationalen Tag der Pflege und Unterstützung erklärt, um auf die Notwendigkeit aufmerksam zu machen, mehr in die Pflegewirtschaft zu investieren und geschlechtersensible, behindertengerechte und altersgerechte Pflege- und Unterstützungssysteme zu schaffen, um unbezahlte Pflege- und Hausarbeit sowie entsprechende Unterstützung anzuerkennen, zu reduzieren, wertzuschätzen und umzuverteilen.
Sich mit ihrem neuen Leben arrangieren
Es überrascht nicht, dass beide Paare mehrere Jahre gebraucht haben, um sich an die grundlegenden Veränderungen ihrer Lebensumstände anzupassen, wie Valli erläutert. „Es dauerte lange, bis Des die Diagnose akzeptierte. In den ersten zwei Jahren oder sogar noch länger half ich ihm, sich mit der Tatsache abzufinden, dass er tatsächlich an Demenz erkrankt ist, dass es die Realität ist und dass es nicht wie ein gebrochenes Bein einfach wieder in Ordnung gebracht werden kann. Die Krankheit wird nicht mehr verschwinden.“
Und für Des war diese Unterstützung von entscheidender Bedeutung. „Valli ist meine Frau, meine beste Freundin und meine Inspiration“, erklärt Des. „Sie hat mich auf der Strecke gehalten. Natürlich bin ich derjenige, der die Diagnose erhalten hat, doch Valli verfügt über die nötige Energie und die geistige Kraft, um uns durch die schwierigsten Momente zu bringen.“
„Unsere größte Stärke ist, dass wir es geschafft haben, positiv und robust zu bleiben, und das ist im Wesentlichen Vallis Stärke zu verdanken, dem Alltag Auftrieb zu verleihen, den ich ohne sie nicht hätte.“
Informationen und Unterstützung erhalten
Der veränderte Gesundheitszustand ihres Mannes veranlasste Valli dazu, so viel wie möglich über die Lewy-Körperchen-Demenz und die externe Unterstützung herauszufinden, die sie bei Bedarf in Anspruch nehmen konnten.
„Ich bin ein sehr pragmatischer Mensch. Als Des seine Diagnose erhielt, habe ich daher als Erstes im Internet recherchiert, was sie für die unmittelbare Zukunft und langfristig bedeutete, damit wir wissen, was auf uns zukommt“, erklärt Valli.
Die Begegnung mit anderen Menschen mit Demenz und mit Ärzten, die auf diesem Gebiet arbeiten, hat ihr und Des geholfen, die Krankheit besser zu verstehen. „Unser Hausarzt verwies uns an das UK Young Dementia Network (britische Netzwerk für junge Demenzkranke), und wir nahmen an vielen ihrer Treffen teil, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sich die Demenz auf verschiedene Menschen in unterschiedlichen Stadien der Krankheit auswirkt und wie sie lernen, damit umzugehen“, fügt Valli hinzu. „Wir nehmen auch an den Treffen der University College London (UCL) Rare Dementia Support Group (Selbsthilfegruppe für seltene Formen der Demenz) teil – in deren Rahmen separate Treffen für Betroffene und ihre Betreuer abgehalten werden –, die wir beide in praktischer, emotionaler und wissenschaftlicher Hinsicht als sehr hilfreich empfinden.“
Für beide Paare hat ein unterstützender Familien- und Freundeskreis ihre Erfahrungen mit der Demenz definitiv erleichtert.
Positive Partner für die Reise
Valli gibt jedoch zu, dass sie die Bezeichnung „Pflegerin“ nicht mag und ihre Situation lieber als eine sich verändernde Reise betrachtet, bei der sowohl sie als auch Des Mitreisende auf dem gleichen Weg sind.
„Am Anfang ging es darum, mehr über die Krankheit zu erfahren, sich mit ihr zu arrangieren, finanzielle Unterstützung zu erhalten und Arzttermine wahrzunehmen, um Des’ körperliche Gesundheit zu erhalten“, erzählt Valli. „Jetzt geht es darum, sich auf die Veränderung seiner Symptome einzustellen und die Dinge zu recherchieren und zu beschaffen, die ihm beim Umgang mit den Symptomen helfen, ob es sich dabei um neue Medikamente oder Hilfsmittel handelt.“
Sie ist der Meinung, dass es wichtig ist, sich auf Des’ Fähigkeiten und nicht auf seine Behinderungen zu konzentrieren, und betont, dass seine Handlungsfähigkeit – seine Fähigkeit, zu denken und Dinge selbst zu tun – so lange wie möglich erhalten bleiben muss.
„Menschen, die an Demenz erkrankt sind, haben leicht das Gefühl, dass ihr Leben schrumpft, und sie unternehmen nicht mehr so viel oder gehen nicht mehr so viel nach draußen“, erklärt Valli. „Aber während Des noch in der Lage ist, eine Vielzahl von Aufgaben und Situationen selbst zu bewältigen, kann er immer noch ein sehr aktiver Bürger sein.“
Kampagnen für mehr Verständnis und Unterstützung
Beide Paare engagieren sich nun aktiv für die Sensibilisierung für die Lewy-Körperchen-Demenz und ihre Auswirkungen auf Pflege- und Betreuungspersonen, sowohl in ihren Ländern als auch international.
In den letzten sechs Jahren hat Kevin zwei Bücher über seine Erfahrungen mit der Krankheit geschrieben und zahlreiche Interviews für das irische Fernsehen, den Rundfunk und die Presse gegeben. Er ist Vorsitzender der Irish Dementia Working Group (irische Arbeitsgruppe für Demenzerkrankungen), stellvertretender Vorsitzender der European Working Group of People with Dementia (Europäische Arbeitsgruppe für Menschen mit Demenz) und Mitbegründer von Lewy body Ireland.
„Ich halte mich bewusst auf Trab“, sagt Kevin, „denn es wird der Tag kommen, an dem ich nicht mehr in der Lage sein werde, solche Dinge zu tun. Natürlich möchte ich diesen Tag so lange wie möglich hinauszögern.“
Helena ist Vorsitzende des Dementia Carers Campaign Network (Netzwerk für pflegende Angehörige von Demenzkranken) in Irland, das sich für die Beseitigung der kulturellen Stigmatisierung der Krankheit einsetzt.
„Auch wenn sich die Situation verbessert, schämen sich viele Menschen, vor allem in ländlichen Gegenden, für ihre Demenz und bemühen sich nicht um Unterstützung“, erklärt sie. „Es gibt auch einige Gruppen, wie z. B. Reisende, die nicht erreicht werden. Das wollen wir ändern.“
Des und Valli indessen haben ihre Fähigkeiten als Lehrer und Pädagogen genutzt, um über die Veränderungen in ihrem Leben aufgrund der Demenz zu sprechen.
„Wir haben die Dinge, die wir in unserem Leben vor der Demenz getan haben, in Dinge umgesetzt, die für unsere jetzige Situation relevant sind“, erzählt Valli. „Und damit meine ich, dass wir etwa Präsentationen und Vorträge halten und andere Menschen aus ganz Europa treffen, die Erfahrungen mit der Krankheit haben, z. B. bei Veranstaltungen wie Walking the Talk for Dementia [eine jährliche Wanderveranstaltung und ein Symposium in Spanien, bei dem Fachleute aus dem Gesundheitswesen, Fürsprecher, politische Entscheidungsträger, Wissenschaftler und Menschen, die mit Demenz leben, sowie ihre pflegenden Angehörigen aus über 20 Ländern zusammenkommen].“
Unterstützung durch WHO/Europa für informelle Pflege- und Betreuungspersonen
WHO/Europa arbeitet in Partnerschaft mit der Europäischen Kommission daran, das Bewusstsein für die nachteiligen Auswirkungen intensiver oder lang andauernder Pflege auf Gesundheit und Wohlbefinden zu schärfen und den Zugang zu Schulungen für Pflege- und Betreuungspersonen zu verbessern. WHO/Europa tut dies u. a. durch die Entwicklung eines interaktiven, frei zugänglichen Kurses, der informellen Pflege-Betreuungspersonen den Zugang zu Informationen, Kenntnissen und Fertigkeiten erleichtern soll, die sie für die Pflege benötigen, um ihre eigene Selbstfürsorge und ihr Wohlbefinden zu fördern.
Darüber hinaus arbeitet WHO/Europa eng mit den Ländern zusammen, um sich über Erfahrungen mit innovativen Interventionen zum Schutz informeller Pflege- und Betreuungspersonen auszutauschen, eine gerechtere Verteilung der Pflegeaufgaben zu fördern und die Koordination und Kooperation zwischen professionellen Pflegekräften und informellen Pflege- und Betreuungspersonen zu verbessern.
Bei all diesen Aktivitäten versucht WHO/Europa sicherzustellen, dass informelle Pflege- und Betreuungspersonen und Pflegebedürftige in die Mitentwicklung und Koproduktion einschlägiger Materialien und Konzepte einbezogen werden.
Hier sind einige weitere Fakten über informelle Pflege- und Betreuungspersonen in Europa:
- In der Europäischen Union ist jedes zehnte Kind und jeder zehnte junge Erwachsene im Alter von 18 bis 29 Jahren auch ein pflegender Angehöriger.
- Jede zehnte erwachsene Pflege- und Betreuungsperson in der Europäischen Union war gezwungen, ihre Arbeit aufzugeben oder ihre Arbeitszeit zu reduzieren, um ein Familienmitglied zu pflegen.
- Die informelle Pflege über einen längeren Zeitraum und mit hoher Intensität kann sich nachteilig und dauerhaft auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Pflegenden auswirken; Berichten zufolge sind psychische Probleme bei informellen Pflege- und Betreuungspersonen in Europa um 20 % höher als bei nicht Pflegenden.
- Der wirtschaftliche Wert der für informelle Pflege- und Betreuungstätigkeiten aufgewendeten Zeit beläuft sich in Europa auf 3,6 % des BIP – mehr als die öffentlichen Ausgaben für formelle Langzeitpflegeleistungen in den meisten Ländern der Europäischen Union.