Pflegekräfte werden oft als das Rückgrat der Gesundheitssysteme bezeichnet und spielen eine Schlüsselrolle bei der erfolgreichen Bereitstellung von Gesundheitsleistungen. Obwohl sie in der Europäischen Region die Mehrheit des Gesundheitspersonals stellen, steht die Region aufgrund der weltweiten Personalkrise im Gesundheitswesen vor einem schwerwiegenden Mangel an qualifizierten Pflegekräften. Deshalb kommt es entscheidend darauf an, neue Auszubildende für den Beruf zu gewinnen.
Anlässlich des diesjährigen Internationalen Tags der Pflege haben wir mit mehreren angehenden Pflegekräften darüber gesprochen, warum sie sich für einen Pflegeberuf entschieden haben, wie wichtig es ist, die richtige Einstellung zu haben, und was für sie die größten Herausforderungen sind.
Lucas Otterstrøm Hyttel, Dänemark
Lucas (26) ist Krankenpflegeschüler an der Absalon-Berufsschule in Roskilde (Dänemark), aber Krankenpflege war nicht seine erste Berufswahl.
„Im Sommer 2017, nach dem Abitur, wusste ich nicht, was ich als Nächstes tun sollte. Ich beschloss, mindestens ein Jahr lang zu arbeiten und dann auf Reisen zu gehen, und bekam einen Einstiegsjob in einem bekannten Hamburger-Restaurant.“
Lucas stieg dort schnell auf und wurde zunächst Ausbilder und dann Geschäftsführer.
„Mir wurde klar, dass ich gerne im Team arbeite. Nach zweieinhalb Jahren hatte ich mich menschlich weiterentwickelt, hatte aber das Gefühl, dass es an der Zeit war, mich auch weiterzubilden, und dachte daran, Unternehmensführung oder Finanzen zu studieren.“
Da er aber immer noch unentschlossen war, bat er einige Kollegen, mit denen er enger zusammenarbeitete, um Rat und fragte sie, was sie für seine Stärken hielten, um so einen besseren Ausbildungs- und Berufsweg wählen zu können:
„Eine Kollegin sagte mir, dass ich mich immer um andere kümmere und dass mir das Wohlergehen anderer Menschen sehr am Herzen liegt. Ein anderer Kollege sagte Ähnliches: dass ich über sehr gute interpersonelle Fähigkeiten verfüge und gut bei der Problemlösung bin. Beide sagten, ich würde einen großartigen Krankenpfleger abgeben!“
„Zuerst habe ich nur gelacht und ihnen gesagt, dass nicht in Frage kommt, weil ich einen schlechten Eindruck von der Arbeitsumgebung hatte und die Bezahlung für schlecht hielt.“
Doch als im März 2020 die COVID-19-Pandemie in Europa ausbrach, änderte sich das alles. Die Pandemie zwang Lucas nicht nur dazu, seine Reisepläne zu begraben, sondern veranlasste ihn auch dazu, neu zu überdenken, was im Leben wirklich wichtig ist, und letztendlich den Rat seiner Kollegen zu befolgen.
Er wurde an der Krankenpflegeschule angenommen und begann im Februar 2021 sein Studium. Doch sogar dann war er sich nicht sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben:
„Am Anfang dachte ich, das ist doch alles recht langweilig. Wir haben uns mit der Geschichte der Krankenpflege in Dänemark beschäftigt, wie sich die Uniform mit der Zeit verändert hat – von Kleid zu Rock und Bluse und später zu Hose und Hemd – um ehrlich zu sein, das war mir völlig egal! Aber als wir uns dann mit Anatomie und Kommunikation beschäftigten und ich an einem dreiwöchigen klinischen Praktikum teilnehmen durfte, war ich hin und weg. Das war der richtige Beruf für mich!“
Inga Stefánsdóttir, Island
Inga (46) stammt aus Mosfellsbær (Island) und beschloss nach dem Tod ihrer Mutter, den Beruf zu wechseln und eine Ausbildung zur Krankenschwester zu machen:
„Ich hatte 20 Jahre lang als Lehrerin gearbeitet, und es hat mir wirklich Spaß gemacht, aber als meine wunderbare Mutter ihren Kampf gegen den Krebs verlor, verlor ich meine Lebensfreude. Ich hatte das Bedürfnis, etwas völlig anderes zu tun – für mein eigenes Wohlergehen. Nach reiflicher Überlegung beschloss ich, einen alten Traum zu verwirklichen und eine Ausbildung als Krankenschwester zu machen.“
Wie Lucas ist auch Inga der Meinung, dass sie die richtige Einstellung hat, um Krankenschwester zu werden, und dass ihr darüber hinaus ihre Erfahrung als Lehrerin dabei geholfen hat, wieder ein Studium aufnehmen zu können:
„Ich hatte schon immer einen starken Drang, Menschen in Not zu helfen und der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Mir liegen die Menschen am Herzen, und es tröstet mich, wenn ich helfen kann, das Leid der Menschen zu lindern, und sei es auch nur für kurze Zeit.“
„Solange ich mich erinnern kann, hatte ich immer einen unbändigen Wissensdurst. Fast alles interessiert mich, und so ist es nicht verwunderlich, dass mir der komplexe Stoff während meiner Pflegeausbildung viel Spaß gemacht haben. Die Erfahrung hat mir mehr Kraft gegeben, als ich erwartet hätte, und gleichzeitig hat sie mir eine völlig neue Sicht auf das Leben eröffnet.“
Doch Inga legt Wert auf die Feststellung, dass sie ohne die Unterstützung anderer eine solche radikale Veränderung in der Lebensmitte nicht in Betracht gezogen hätte:
„Dank meiner Familie und meiner Freunde, die mich auf jede erdenkliche Weise unterstützt haben, habe ich mein Studium erfolgreich abgeschlossen. Sie feuern mich in schwierigen Zeiten an, und ohne ihre Ermutigung hätte ich mich gar nicht erst für diese Ausbildung entschieden.“
Auf die Frage, welche Fachrichtung sie nach Abschluss ihrer Ausbildung einschlagen möchte, hat Inga noch keine endgültige Antwort, aber sie hat schon einige Optionen im Kopf:
„Ich mag alles, was komplex ist; darum würden mir Intensivpflege und Anästhesie sehr gut liegen, aber ich könnte mir auch vorstellen, selbst auszubilden; wir müssen also abwarten.“
Francisco Ferraz, Portugal
Francisco (21) kommt aus Coimbra in Portugal. Wie bei Lucas und Inga war die Idee, Krankenpfleger zu werden, nicht von Anfang an da, obwohl er immer wusste, dass er etwas tun wollte, das Menschen bei der Erholung von Krankheiten oder Verletzungen hilft und die Lebensqualität der Menschen verbessert:
„Seit ich denken kann, interessiere ich mich für Sport: zuerst Schwimmen und später Fußball. Mir war klar, dass ich irgendetwas tun wollte, das mit Gesundheit und Wohlbefinden zu tun hat, und so dachte ich zunächst daran, an der Universität Physiotherapie zu studieren.“
Doch von allen gesundheitsbezogenen Studiengängen war es die Krankenpflege, die sein Interesse am meisten weckte, wie Francisco erklärt:
„Die Krankenpflege bietet einem die Möglichkeit, mit einer Vielzahl von Menschen in Kontakt zu kommen: von anderen Angehörigen der Gesundheitsberufe bis hin zu den Patienten, die man betreut. Mich hat vor allem der Gedanke gereizt, eine vertrauensvolle Beziehung zu den Patienten aufzubauen, dabei Techniken für eine gute Kommunikation zu erlernen und eine individuelle Betreuung anbieten zu können. Außerdem schien es mir, dass die Krankenpflege beruflich die meisten Möglichkeiten bietet.“
Nach seinem Schulabschluss wurde Francisco in Coimbra an der Krankenpflegeschule, der Escola Superior de Enfermagem, aufgenommen – ein Tag, den er als lebensverändernd beschreibt:
„Seit dem Beginn meiner Ausbildung habe ich mich so weiterentwickelt. Ich werde ständig durch neue Situationen und Patientenfälle herausgefordert. Es kann manchmal ziemlich anstrengend sein, aber ich bin auf jeden Fall stärker geworden und sehe jetzt jede Schwierigkeit als eine Gelegenheit, zu lernen und neue Wege zu finden, um alle Probleme zu lösen, mit denen ich konfrontiert werde.“
Trotzdem war das Studium nicht immer einfach und hatte Auswirkungen auf jeden Aspekt seines Lebens:
„Wenn man ein Praktikum absolviert, hat man bis zum Ende des Praktikums kein Privatleben, weil die Arbeitsbelastung einfach so hoch ist. Davor war ich zum Beispiel zwei- bis dreimal pro Woche bei meinen Eltern zum Essen, aber jetzt ist das nicht mehr möglich.“
„Manchmal ist es auch schwierig, Privat- und Berufsleben voneinander zu trennen. Man will mitfühlend sein, aber man kann nicht ständig sein Herzblut geben, sonst macht das einen kaputt. Es ist manchmal schwierig, am Ende einer langen Schicht abzuschalten und alles zu verdauen, was man getan und gesehen hat – vor allem, wenn ein Patient gestorben ist.“
Francisco hat noch 18 Monate bis zum Ende seiner Krankenpflegeausbildung. Danach hofft er, ein Master-Studium aufnehmen und später promovieren zu können. So ist es nicht verwunderlich, dass Francisco später einmal in der Forschung arbeiten möchte, aber auch eine Laufbahn in der Palliativversorgung (Pflege am Lebensende) in Betracht zieht:
„Ich hatte schon mit der Forschungsabteilung meiner Universität zu tun und dadurch die Möglichkeit, mit einigen wirklich guten Forschern in Kontakt zu kommen und von ihnen zu lernen. Außerdem bin ich an zwei internationalen Forschungsprojekten zur Prävention und Bekämpfung von Infektionskrankheiten in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen in Afrika und Asien beteiligt.“
„Gleichzeitig interessiere ich mich für pädiatrische Palliativmedizin und auch die Palliativversorgung für Erwachsene. Dieser Bereich fasziniert mich wegen der Komplexität der Pflegearbeit und wegen des Respekts, der Würde, der Fürsorge und der Liebe, die in der letzten Phase des Lebens eines Menschen erforderlich sind.“
Für eine Verbesserung der Arbeit im Pflege- und Hebammenwesen
WHO/Europa bemüht sich in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten, ihren obersten Beauftragten für das Pflegewesen, den Kooperationszentren der WHO und anderen Partnern, wie der European Nursing Student Association und dem European Forum of National Nursing and Midwifery Associations, zur Umsetzung der Globalen Strategischen Leitlinien für das Pflege- und Hebammenwesen beizutragen. Dies umfasst:
- eine Stärkung der Fähigkeit von Bildungseinrichtungen, der nächsten Generation von Pflegekräften und Hebammen ein positives Lernen zu ermöglichen;
- eine Anhebung des Niveaus der Ausbildung im Pflege- und Hebammenwesen der Länder der Europäischen Region als Beitrag zur Patientensicherheit und zu besseren Resultaten für Patienten, bestimmte Bevölkerungsgruppen und die Gesundheitssysteme insgesamt; und
- die Gewinnung von evidenzbasiertem Wissen über das Pflege- und Hebammenwesen und die Beeinflussung der nationalen Politik im Hinblick auf die Bereitstellung hochwertiger, zugänglicher, ausgewogener, effizienter und sensibler Gesundheitsangebote.