Dänemark ist Vorreiter im Bereich digitale Gesundheit. Auf der individuellen Ebene können die Menschen auf ihre eigenen elektronischen Gesundheitsdaten von Krankenhäusern, Kommunen und Allgemeinärzten zugreifen. Auf der nationalen Ebene werden die gesammelten Daten der Bevölkerung von der dänischen Behörde für Gesundheitsdaten, die dem Gesundheitsministerium unterstellt ist und rund 300 Mitarbeiter beschäftigt (darunter Statistiker, Ökonomen und Epidemiologen) sicher gespeichert, überwacht und analysiert. Anlässlich des Weltkrebstages (4. Februar) teilt Mette Keis Jepsen, Leiterin der Abteilung für Analytik, Statistik und Ökonomie in der dänischen Behörde für Gesundheitsdaten, einige ihre Erkenntnisse darüber, wie die Analyse von Gesundheitsdaten der Bevölkerung zu Verbesserungen bei der Krebsversorgung führt.
Erstklassige Gesundheits-IT
Dänemarks nationale digitale Gesundheitsinfrastruktur wird als erstklassig angesehen. Sie ist geprägt von einem hohen Maß an Vertrauen vonseiten der Öffentlichkeit und hoher IT-Sicherheit. Den Menschen den leichten Zugriff auf ihre persönlichen Gesundheitsdaten zu ermöglichen, hat dazu beigetragen, die öffentliche Gesundheitskompetenz zu verbessern. Digitale Technologien haben zudem das Spektrum der Gesundheitsforschung erweitert, im Hinblick auf medizinische Behandlung und die Planung der Gesundheitsversorgung ebenso wie auf Gesundheitsmanagement und Qualitätsverbesserung.
„Es hat in Dänemark schon immer eine solide Tradition für die Erfassung von Gesundheitsdaten der Bevölkerung für Forschungszwecke gegeben“, erläutert Jepsen. „Bei uns gibt es viele Beispiele dafür, inwiefern die Überwachung und Analyse von Daten dazu beigetragen haben, bei der Gesundheitsversorgung Bereiche mit Verbesserungspotenzial und die bestmöglichen Lösungen zu identifizieren. Das erfordert von uns [in der Behörde] eine enge Zusammenarbeit mit Ärzten und ein gutes Verständnis ihrer Bedürfnisse, was eine Art Feedbackschleife von Wissen schafft, durch die gewährleistet wird, dass wir die nützlichsten Dinge messen, die richtigen Fragen stellen und Erkenntnisse angemessen interpretieren.“
Dies erfordert eine Vielzahl unterschiedlicher Fähigkeiten, sowohl statistischer als auch sozialer Art, um den Kontext von Daten zu verstehen und dann die maßgeblichen statistischen Werkzeuge auf korrekte und verantwortungsvolle Weise anzuwenden. Darüber hinaus erfordert es viel Zeit und das Bemühen um ein gemeinsames Verständnis konkreter Messungen oder „Indikatoren“, die anschließend genutzt werden, um ein Bild von der Gesundheit der Bevölkerung und der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems zu vermitteln. Mit Blick auf diese Art der Zusammenarbeit erklärt Jepsen: „Diese Interaktion ist sehr wichtig. Als Wissenschaftler, Ökonomen oder Ärzte führen wir keinen dieser Schritte allein aus. Das tun wir gemeinsam.“
Verbesserung der Überlebensraten bei Krebserkrankungen
Ein Beispiel dafür, wie die Überwachung der Daten zu merklichen Verbesserungen geführt hat, sind die Überlebensraten bei Krebserkrankungen. Ende der 1990er Jahre zeigten die nationalen Bevölkerungsdaten, dass die Fünfjahresüberlebensraten bei Krebserkrankungen nach der Diagnose in Dänemark erheblich geringer ausfielen als in europäischen Nachbarländern. Es folgte eine konzertierte Kampagne unter Federführung eines engagierten Gesundheitsministers, die den Umbau der Versorgungsleistungen für Krebspatienten (etwa die Zentralisierung der chirurgischen Versorgung zugunsten hochwertigerer Leistungsangebote in weniger Krankenhäusern), besseren Zugang zu Behandlungsangeboten und die Einführung organisierter Krebsvorsorgeprogramme umfasste. Infolgedessen war Dänemark in der Lage, seine Überlebensraten von 48 % (der mit Krebs diagnostizierten Menschen, die fünf Jahre nach ihrer Diagnose noch am Leben sind) im Jahr 2002 auf 61 % im Jahr 2014 zu erhöhen. Gegenwärtig fallen die Überlebensraten für unterschiedliche Krebsarten in Dänemark im Vergleich zu den meisten anderen Ländern der Europäischen Union (EU) positiv aus.
Die Daten der Bevölkerung weisen zudem darauf hin, wo noch mehr getan werden muss. Doch auch wenn beachtliche Fortschritte bei der Verlängerung der Lebensdauer und Verbesserung der Lebensqualität nach einer Krebsdiagnose erzielt werden konnten, liegt die Zahl der mit Krebs diagnostizierten Menschen in Dänemark noch immer über dem EU-Durchschnitt. Teilweise ist der Anstieg der festgestellten Fälle von Brust-, Gebärmutterhals- und Darmkrebs auf verstärkte Krebsvorsorgeuntersuchungen zurückzuführen. Doch die Daten verdeutlichen auch die Notwendigkeit verstärkter Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit und der Prävention, insbesondere im Hinblick auf Tabak- und Alkoholkonsum. Andere aktuelle Daten zeigen einen besorgniserregenden Trend zu längeren Wartezeiten zwischen der Überweisung und der ersten Behandlung bei Brustkrebs, die über der empfohlenen Vorgabe von maximal 30 Tagen liegen. Ein Ansetzen an diesen negativen Trends durch die Erstellung einer zeitnahen Diagnose und eine zeitnahe Behandlung, was gerade bei Brustkrebs so entscheidend ist, wird gewährleisten, dass die Überlebensraten bei Brustkrebs weiterhin ansteigen. Entscheidungsträger mit Zugang zu den Gesundheitsdaten der Bevölkerung, aufgeschlüsselt nach Region, Krankenhaus und Krankheitsbereich (etwa Brustkrebs), können eindeutiger identifizieren, wo die Herausforderungen liegen und wo es der Bündelung von Ressourcen bedarf.
Transparenz bei der Entscheidungsfindung
Für Jepsen, die Volkswirtschaft studiert hat und in unterschiedlichen Positionen im gesamten Gesundheitswesen gearbeitet hat, ist bei der Bereitstellung von Daten auf Bevölkerungs- und Systemebene Transparenz ebenso wichtig wie die Verfolgung von Krankheitsmustern. Transparenz schafft Vertrauen, und es ist kein Zufall, dass die Menschen in Dänemark so viel Vertrauen in ihr Gesundheitssystem haben. „Unsere Daten zeigen, wie öffentliche Gelder im Gesundheitswesen investiert werden. Angesichts begrenzter Budgets sind Debatten darüber, wo sich Geld für Gesundheit am besten ausgeben lässt, unumgänglich. Aussagekräftige Daten können die notwendigen Informationen für diese schwierigen Diskussionen liefern und darüber hinaus aufzeigen, wie gut sich ein Handlungskonzept bewährt.“
Sie begrüßt den anhaltenden Dialog über die Regulierung und Ethik des Datenschutzes. In ihren Augen geht es dabei um Gleichgewicht: „Datenschutz sollte jederzeit diskutiert und untersucht werden.“ Digitale Gesundheit bedeutet auch die moralisch vertretbare und verantwortungsbewusste Verwaltung sensibler Daten der Bevölkerung, sowie der Schutz dieser Daten wie auch von Datensystemen vor Cyber-Attacken. „In Dänemark legen wir großen Wert auf diese Aspekte und auf die Sicherheit. Darum ist das Vertrauen in das Gesundheitssystem auch so groß“, erklärt Jepsen.
Künftige Entwicklungen
Es gibt immer Raum für weitere Fortschritte, selbst im hochmodernen digitalen Gesundheitssystem Dänemarks. „Ich habe noch einen Wunsch“, erzählt Jepsen. „Ich träume davon, dass wir eines Tages eine einzige Internetseite bereitstellen können, auf der sich die Menschen sicher einloggen können, um all ihre persönlichen Daten auf einer Seite einzusehen, und dass sie ferner Einblick in die Forschung erhalten, für die ihre Daten genutzt werden. Vieles davon bleibt noch immer hinter den Bezahlschranken medizinischer Fachzeitschriften verborgen.“
Die Überwachung und Analyse von Krebsdaten durch die dänische Behörde für Gesundheitsdaten hat greifbare Vorteile für Krebspatienten mit sich gebracht. Jepsen ist jedoch bewusst, dass mit jeder neuen Chance, die durch die Daten eröffnet wird, diese auch inhärente Risiken nach sich ziehen. „Manchmal lassen wir uns von den Möglichkeiten dieser Daten hinreißen. Doch müssen wir uns auch weiterhin die ethische Frage stellen: nur weil etwas theoretisch möglich und sogar erlaubt ist, ist es auch moralisch richtig?“
2021 rief WHO/Europa „Gemeinsam gegen Krebs“ ins Leben, eine gesamteuropäische Bewegung, die von der gesellschaftlichen Basis bis zur Regierungsebene reicht und das Ziel verfolgt, Krebs als eine lebensbedrohliche Krankheit in ganz Europa zu eliminieren. Um dieses Ziel zu erreichen, unterstützt WHO/Europa Dialoge auf subregionaler und nationaler Ebene über die Stärkung der Gesundheitssysteme zur Verbesserung des Kontinuums in der Krebsversorgung, bei der die Patienten im Zentrum stehen. Die Verbesserung von Datenqualität, Datenverwaltung und Datennutzung für evidenzbasierte Entscheidungsprozesse ist ein wichtiger Baustein der fachlichen Hilfe, die die Mitgliedstaaten von der WHO erhalten. Hochwertige Daten können den Ländern dabei helfen, Lücken zu identifizieren und gezielte, evidenzgeleitete Strategien zur Stärkung der Patientenpfade und Verbesserung der Behandlungsergebnisse bei Krebserkrankungen zu entwickeln. Im Rahmen seiner Flaggschiff-Initiative für digitale Gesundheit hat WHO/Europa einen Handlungsrahmen entwickelt, der die Nutzung hochwertiger Gesundheitsdaten für Entscheidungsprozesse auf allen Ebenen des Gesundheitssystems unterstützen soll.