In dem Bemühen um mehr gesundheitliche Chancengleichheit in Nordmazedonien hat WHO/Europa vor Kurzem eine Bewertung durchgeführt, um Defizite in der Chancengleichheit zu bestimmen und Wege zur Förderung des Zugangs zu einer qualitativ hochwertigen und chancengleichen Gesundheitsversorgung zu finden.
Die von WHO/Europa durchgeführte „Bewertung gesundheitlicher Benachteiligungen“ beinhaltet vor allem die Erhebung und Analyse von Daten, die eine wesentliche Rolle bei politischen Entscheidungsprozessen und bei der Beseitigung von Benachteiligungen spielen.
„Wir brauchen einen ressortübergreifenden Ansatz zur Förderung von Gleichstellung zwischen den Geschlechtern, Chancengleichheit und Menschenrechten im Gesundheitsbereich. Die WHO spielt eine führende Rolle beim Aufbau nachhaltiger Partnerschaften und bei der Gewinnung von Daten und Erkenntnissen über vorhandene Defizite und für die Einleitung gesundheitspolitischer Dialoge zur Herbeiführung von Veränderungen und zur Veranlassung von mehr Investitionen in die Kontrolle gesundheitlicher Chancengleichheit“, erklärte Dr. Anne Johansen, Sonderbeauftragte der WHO und Leiterin des WHO-Länderbüros in Nordmazedonien.
In bessere Daten investieren
Die Bewertung gesundheitlicher Benachteiligungen, die von der Regierung Kanadas finanziell unterstützt wird, war der Anstoß für die Entwicklung eines nationalen Kontrollsystems für gesundheitliche Chancengleichheit, das die Erhebung und Aufschlüsselung von Daten verbessern soll, eine wesentliche Voraussetzung für die Ermittlung und Beseitigung gesundheitlicher Benachteiligungen. Gesundheitliche Benachteiligungen sind ungerechte und vermeidbare Unterschiede beim Gesundheitsstatus, die sich in einer niedrigeren Lebenserwartung oder in Hindernissen beim Zugang zur Gesundheitsversorgung niederschlagen und die von Faktoren wie sozioökonomischem Status, ethnischer Zugehörigkeit, geschlechtlicher Identität oder Wohnort beeinflusst werden.
Obwohl Nordmazedonien über ein solides System für die Erfassung von Gesundheitsdaten verfügt, sind die Daten oftmals nicht aufgeschlüsselt. Deshalb wird eine detailliertere Aufschlüsselung der Daten nach Geschlecht und Alter benötigt; Gleiches gilt für die Erfassung und Analyse von Daten nach geografischen Standorten zum Zwecke der Bestimmung und Beseitigung von Hindernissen und Defiziten in der Gesundheitsversorgung. Auch aussagekräftigere Daten über Menschen mit Behinderungen spielen im Hinblick auf mehr gesundheitliche Chancengleichheit eine wesentliche Rolle.
„Die von der WHO unterstützte Bewertung gesundheitlicher Benachteiligungen ist ein wichtiger Schritt hin zur Verbesserung der Fähigkeit der Länder zur Gewinnung nuancierterer und detaillierterer Daten, zur Schaffung von Kontrollsystemen und zur Aufwertung von Gleichstellungs-, Chancengleichheits- und Menschenrechtsaspekten – nicht nur im Gesundheitswesen, sondern auch im Rahmen breiter angelegter nationaler Entwicklungsstrategien und Interventionen“, stellte Dr. Johansen fest.
Mit finanzieller Unterstützung durch die Internationale Entwicklungsbehörde der Vereinigten Staaten (USAID) hat die WHO vor Kurzem eine Bewertung der Barrieren abgeschlossen, mit der sie nähere Erkenntnisse über Einflussfaktoren für einen chancengleichen Zugang zur Gesundheitsversorgung in Nordmazedonien gewinnen will.
„Um handeln zu können, brauchen wir Daten. Wir streben einen nachhaltigen Ansatz und den Aufbau von Kapazitäten für die Erhebung und Analyse von Daten auf Ebene der Gesundheitseinrichtungen und auf der nationalen Ebene an, aber auch eine verstärkte Einbeziehung der gesundheitlichen Chancengleichheit in übergeordnete nationale Rahmenkonzepte, damit niemand zurückgelassen wird“, fügte Dr. Johansen hinzu.
Beseitigung gesundheitlicher Benachteiligungen, damit niemand zurückgelassen wird
In Nordmazedonien und weltweit werden gesundheitliche Benachteiligungen durch schwache Gesundheitssysteme, mangelnde finanzielle Sicherheit, ungünstige Lebensbedingungen, Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, einen Mangel an Sozial- und Humankapital sowie unsichere Beschäftigungsverhältnisse und Arbeitsbedingungen verursacht. Dies erschwert es Einzelpersonen und Familien, insbesondere in ländlichen, benachteiligten Gebieten, solchen Zuständen zu entkommen.
2019 waren fast 40% der Menschen in Nordmazedonien armutsgefährdet oder lebten in schwerer materieller Not, und gut 43% der Kinder waren von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. COVID-19 hat die bestehenden Ungleichgewichte und Probleme noch verschärft.
Die Pandemie hat zuvor erzielte Zugewinne in Bezug auf Gleichheit zunichte gemacht, indem sie die Finanzierungs- und Sozialsysteme geschwächt hat, und stellt eine ernste Bedrohung für die psychische Gesundheit dar.
„Aber die Pandemie hat es uns auch ermöglicht, der gesundheitlichen Chancengleichheit einen höheren Stellenwert auf der politischen Tagesordnung zu verschaffen“, sagte Dr. Johansen.
Die Pandemie bot auch eine Gelegenheit, die Bemühungen um mehr Chancengleichheit durch Erhöhung des Versorgungsgrades und der Zugänglichkeit der Gesundheitsversorgung zu forcieren, insbesondere im Impfwesen. Die gebührende Berücksichtigung von Gleichstellungs-, Chancengleichheits- und Menschenrechtsaspekten in nationalen Plänen und Strategien zum Wiederaufbau nach COVID-19 ist ein dringendes Gebot.
Hohe Gesundheitsausgaben aus eigener Tasche und mangelnde Chancengleichheit beim Zugang zur Gesundheitsversorgung, vor allem in ländlichen und entlegenen Gebieten, gehören zu den zentralen Herausforderungen für die WHO und ihre Partnerorganisationen vor Ort. Es wird ein verbesserter Zugang zu Arzneimitteln benötigt, insbesondere für chronisch Kranke und in entlegenen Gebieten lebende Menschen.
„Wir arbeiten in enger Abstimmung mit unseren Partnerorganisationen bei den Vereinten Nationen und mit der Regierung darauf hin, das Kontrollsystem für gesundheitliche Chancengleichheit einzurichten und funktionsfähig zu machen und gleichzeitig den Schutz des Gesundheitspersonals und seine Arbeitsbedingungen zu verbessern“, sagte Dr. Johansen. „Die WHO ist weiterhin entschlossen, eine gerechte und gesunde Gesellschaft und ein entsprechendes Gesundheitssystem aufzubauen, bei denen niemanden zurückgelassen wird, und den Weg in eine Zukunft mit mehr Chancengleichheit für alle in Nordmazedonien zu ebnen.“