,Sie laufen um ihr Leben, ohne auch nur eine Zahnbürste dabei zu haben‘ – eine Gemeindeschwester in einem Flüchtlingszentrum in Rumänien berichtet von ihren Erfahrungen

9 March 2022
News release
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In dem neu eingerichteten Flüchtlingszentrum – einer umfunktionierten Sporthalle in Darabani (Rumänien) – begrüßt Maria Răpciugă Flüchtlinge nach ihrer Ankunft aus der Ukraine. Die hier ankommenden Menschen haben ihr Zuhause und ihre Lebensgrundlage verloren und sehen einer ungewissen Zukunft entgegen. Zudem sind sie zahlreichen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Maria lässt ihre eigentliche Arbeit als Gemeindeschwester derzeit ruhen, um Neuankömmlingen aus der Ukraine Gesundheitschecks anzubieten und sie mit Essen und Trinken und dem Nötigsten zu versorgen. 

Die meisten der Menschen, auf die Maria in Darabani trifft, sind Familien mit Kindern, doch es sind auch zahlreiche ältere Menschen unter ihnen. 

„Wenn Menschen mit Gesundheitsproblemen hier eintreffen, rufen wir einen örtlichen Familienarzt, der uns angeboten hat zu helfen“, erzählt Maria. „So traf etwa eine 73 Jahre alte Frau hier ein, und als ich ihren Blutdruck maß, fiel mir auf, dass dieser sehr hoch war. Da rief ich sofort den Arzt an. Er verschrieb Medikamente, also ging ich zur Apotheke, um sie mit Geldern der örtlichen Behörden zu besorgen. Darüber hinaus haben wir Arzneimittelspenden aus örtlichen Apotheken erhalten.“

Das Flüchtlingszentrum versorgt die Ankommenden mit Heißgetränken und Frühstück, und die örtliche Gemeinde hat sich rasch mobilisiert, um Nahrungsmittel und Unterstützung in Form von Unterkünften, Decken, Windeln, Handtüchern und Hygieneartikeln anzubieten.

„Mir ist aufgefallen, dass viele Flüchtlinge nicht einmal eine Zahnbürste und Zahnpasta dabei haben, doch ich kann mir vorstellen, dass, wenn man sein Zuhause fluchtartig verlassen und um sein Leben laufen muss, eine Zahnbürste und frische Socken das Letzte sind, an das man denkt“, erklärt Maria. „Einige Menschen kommen zusammen mit ihren Haustieren an – Katzen und Hunden – daher stellen wir auch Tierfutter bereit. Ich kann durchaus verstehen, warum sie ihre Tiere mitbringen wollen.“

Leider ist die Sprachbarriere für viele Helfer des Flüchtlingszentrums ein Problem. Da das Zentrum nur über einen einzigen Dolmetscher verfügt, müssen die Flüchtlinge ihre Bedürfnisse oft pantomimisch darstellen. Zudem sind die Beschäftigten oft auf Google Translate angewiesen. Maria erklärt, dass sie dringend ukrainische Übersetzer und gedruckte Materialien auf Ukrainisch bräuchten, die grundlegende Informationen über die Rechte von Flüchtlingen und Gesundheitsinformationen enthalten.

„Einige von ihnen weinen und erzählen uns, dass sie in Kiew Explosionen gehört haben und welch ein Schock das für sie war. Wir versuchen, ihnen so gut es geht Trost zuzusprechen, indem wir ihre Hand halten oder sie in den Arm nehmen“, erklärt Maria. „Sie bedürfen dringend einer Art von psychologischer Unterstützung, in ihrer eigenen Sprache.“

Maria ist fest entschlossen, solange wie nötig in dem Flüchtlingszentrum zu arbeiten, doch die Arbeit dort fordert bereits ihren Tribut. 

„Es ist so schwer vorstellbar, dass dies tatsächlich passiert. Ich bin sehr müde – körperlich und emotional. Gestern war ich froh, dass die Flüchtlinge mit Essen versorgt waren, doch als ich nach Hause kam realisierte ich, dass ich selbst nicht zum Einkaufen gekommen war, um meinen eigenen Kindern etwas zu Essen zu machen. Ich muss auch für meine eigene Familie sorgen.“

Die Notlage in der Ukraine hat massive Auswirkungen auf die umliegenden Länder. Der rumänische Verteidigungsminister, Vasile Dîncu, erklärte, dass Rumänien bereit sei, über 500 000 Flüchtlinge aufzunehmen. Die WHO arbeitet Hand in Hand mit den rumänischen Behörden, um sicherzustellen, dass das Gesundheitssystem dem Zustrom an Flüchtlingen gewachsen ist und dass die Menschen auf der Flucht bei Bedarf Zugang zu Gesundheitsangeboten erhalten.