Digitale Gesundheit: grundlegende Umgestaltung und Ausweitung der Leistungserbringung im Gesundheitswesen

9 September 2020
News release
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Digitale Gesundheit ist ein breiter Themenkomplex, der u. a. elektronische Gesundheit, mobile Gesundheit, Telemedizin und Gesundheitsdaten umfasst. Digitale Gesundheitslösungen können eine Stärkung von Gesundheitssystemen bewirken, etwa indem Gesundheitsleistungen direkt zu den Bürgern nach Hause und speziell zu unterversorgten Gruppen gebracht werden, die Dokumentierung von Krankheitsausbrüchen unterstützt wird und digitale Tools zur Anwendung kommen, die die Gesundheitsversorgung bedarfsgerechter und effizienter machen.

Doch neben der Schaffung neuer Möglichkeiten wirft die digitale Gesundheit auch eine Reihe von Fragen auf. Kann durch digitale Gesundheitslösungen sichergestellt werden, dass die Menschen eine hochwertige Versorgung erhalten? Wie können wir dafür sorgen, dass Menschen ohne Zugang zu oder Wissen über digitale Geräte nicht zurückgelassen werden? Wie können wir gewährleisten, dass sensible Gesundheitsdaten ordnungsgemäß gesichert werden, sodass die Bürger sich bei der Nutzung der Angebote sicher fühlen?

Die Antworten auf diese Fragen sind ein wesentlicher Bestandteil der Zukunft von Gesundheit in der Europäischen Region der WHO. Deshalb wird im Europäischen Arbeitsprogramm digitale Gesundheit neben Impfmaßnahmen, psychischer Gesundheit sowie kulturellen und verhaltensbezogenen Erkenntnissen als weiteres Flaggschiff benannt.

Warum ist digitale Gesundheit zur Priorität geworden?

Digitale Gesundheit gilt seit Jahren als eine kommende strategische gesundheitliche Priorität. Schon vor der COVID-19-Pandemie wurde die Bedeutung digitaler Gesundheitstechnologien für wirksamere Gesundheitssysteme und -angebote allgemein anerkannt. Auch die Länder haben den Nutzen digitaler Gesundheitslösungen erkannt.

Das mit dem Dreizehnten Allgemeinen Arbeitsprogramm der WHO verknüpfte Europäische Arbeitsprogramm enthält eine Verpflichtung zur Gewährleistung eines besseren Zugangs zur Gesundheitsversorgung für die Menschen in allen Teilen der Europäischen Region durch Verwirklichung einer allgemeinen Gesundheitsversorgung, und digitale Gesundheit wird als Schlüssel zur Umsetzung dieser Vision erkannt.

Der Begriff „digitale Gesundheit“ ist für manche mit Bildern von fortgeschrittenen, futuristischen Technologien verbunden, doch schließt er in der Praxis oft ein breites Spektrum von Interventionen ein, darunter:

  • elektronische Gesundheitsakten und Standards für den Austausch von Daten;
  • mobile Gesundheits-Apps für Kontrolle und Prävention;
  • öffentliche Gesundheitsportale, die einen transparenten Zugang zu den persönlichen Patientenakten ermöglichen und Kontaktinformationen zum Gesundheitssystem enthalten;
  • Telemedizin;
  • integrierte Leistungserbringung;
  • Tools zur Unterstützung klinischer Entscheidungsprozesse in der primären Gesundheitsversorgung;
  • Robotik;
  • personalisierte Medizin;
  • Nanotechnologien; und
  • Künstliche Intelligenz.

Digitale Gesundheit ist auch mit anderen Flaggschiffen wie den verhaltensbezogenen und kulturellen Erkenntnissen und der psychischen Gesundheit verknüpft, und es wird versucht, ein Partnerschaftsmodell zu erstellen, das der Bestimmung vorbildlicher Praktiken und guter Handlungsmöglichkeiten dient.

COVID-19 als Beschleuniger

Die mögliche Rolle digitaler Gesundheitsangebote wird aufgrund der COVID-19-Pandemie verstärkt untersucht. Die Nutzung von digitalen Tools wie Kontaktverfolgungs-Apps zur Kontrolle von Krankheitsausbrüchen und von Online-Konsultationen zur Gewährleistung der Sicherheit von Gesundheitsfachkräften und Patienten bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Versorgung sind nur zwei der vielen Anwendungsmöglichkeiten digitaler Gesundheitstechnologien.

Diese neuen digitalen Methoden in der Gesundheitsversorgung werden mit hoher Wahrscheinlichkeit auch weiterhin Anwendung finden. Mehr Führungskompetenz und Wissensaustausch auf diesem Gebiet sind wichtig, um sicherzustellen, dass die Bürger eine gute Versorgung erhalten und die Gesundheitssysteme von neuen Technologien profitieren.

Digitale Gesundheit in der Praxis

Auf einem vom WHO-Regionalbüro für Europa 2019 organisierten Symposium über digitale Gesundheit wurde demonstriert, wie Regierungen und Organisationen Gesundheitstechnologien gezielt zum Abbau gesundheitlicher Benachteiligungen und zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden einsetzen können. In der Praxis sind digitale Gesundheitslösungen bei der Leistungserbringung im Gesundheitswesen weiter auf dem Vormarsch.

In Kirgisistan etwa gibt eine App für sichere Entbindungen Hebammen Anleitung für den Umgang mit verschiedenen Geburtsszenarien, einschließlich solcher, die manchmal Notfallmaßnahmen erfordern. Die App selbst, die weltweit inzwischen in mehr als 40 Ländern eingesetzt wird, wurde von der Maternity Foundation in Dänemark entwickelt. Sie hilft Hebammen bei ihrer Arbeit, vor allem beim Umgang mit schwierigen Situationen.

In Finnland wurde ein patientenorientiertes digitales Gesundheitsangebot unter der Bezeichnung „Gesundheitsdorf“ von mehreren Universitätskrankenhäusern eingeführt. Die Online-Plattform ermöglicht es den Menschen, ihre eigene Versorgung mittels einfacher medizinischer Geräte zu planen und zu bewältigen und die abgelesenen Werte an Gesundheitsfachkräfte zu übermitteln. Sie ermöglicht einen gestraffteren Ansatz in der Gesundheitsversorgung, bei dem die Lebensumstände der Patienten gebührend berücksichtigt werden, die oft nur schwer Zeit für Routinetermine finden. Natürlich ergeben sich hier auch Fragen, vor allem bei Personen, die weniger Erfahrung mit und daher mehr Schwierigkeiten beim Umgang mit digitalen Technologien haben. Deshalb wird durch eine anfängliche Einweisung sichergestellt, dass sich die Patienten mit den neuen Angeboten auch sicher fühlen.

Dies sind nur einige wenige Anwendungsmöglichkeiten digitaler Gesundheitslösungen, die die Bürger befähigen, die Gesundheitssysteme wirksamer machen und einen höheren Versorgungsgrad bewirken können.