Viele Städte in den Ländern der Europäischen Region der WHO sind zu Epizentren der COVID-19-Pandemie geworden. Angesichts dieser beispiellosen Herausforderung wollen Kommunen auf einer Tagung bewährte Praktiken und Lehren aus der Bekämpfung von COVID-Ausbrüchen analysieren und Wege für einen möglichst schnellen Wiederaufbau zum Besseren bestimmen.
COVID-19: ähnliche Herausforderungen für die Städte – unterschiedliche Lösungen
Die Herausforderungen aufgrund der Pandemie sind für alle Städte und Länder weitgehend ähnlich.
- Strukturelle Ungleichheiten haben Einfluss auf die Verteilung der COVID-19-Last, wobei die anfälligsten Bevölkerungsgruppen meist am stärksten betroffen sind.
- Lokale Betriebe und Unternehmen benötigen dringend Unterstützung von den Kommunen.
- Die teilweise erfolgte Schließung von Schulen und anderen Bildungseinrichtungen setzt die Kommunalbehörden unter Zugzwang im Hinblick auf eine weitestgehende Vermeidung weiterer Beeinträchtigungen des Schulbetriebs.
- COVID-19 hat bestehende Risiken der Ernährungsunsicherheit und der Lebensmittelknappheit verschärft, und ungesunde Ernährung hat zur Erhöhung der Krankheitslast aufgrund nichtübertragbarer Krankheiten geführt.
- Die Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit beeinträchtigen das Wohlbefinden der Bevölkerung und die Bereitstellung von Gesundheitsleistungen.
- Die Bedeutung einer Neugestaltung städtischer Räume für den Aufenthalt der Bürger im Freien und für die Einhaltung räumlicher Distanz ist deutlich geworden. Die Städte brauchen mehr Grün- und Wasserflächen und ein erneuertes, gesundheitsverträgliches Verkehrswesen.
Viele Städte in der Europäischen Region haben Maßnahmen durchgeführt, die sich bei der Lösung mancher dieser Probleme bewährt haben.
So hat sich die Kommunalverwaltung Mailands mit über 30 gemeinnützigen Organisationen und privaten Nahrungsmittelherstellern zusammengetan und das Dispositivo di Aiuto Alimentare – das System für Nahrungsmittelhilfe – geschaffen. Das Projekt hat das Problem eines verringerten Zugangs zu hochwertigen Lebensmitteln infolge der verhängten Quarantänemaßnahmen gelöst, wodurch Tausende Menschen aus gefährdeten sozialen Gruppen zunehmend unter Druck geraten waren.
Die irische Stadt Limerick hat ein Team für die Bekämpfung von COVID-19 eingesetzt, das ältere Menschen unterstützen soll, die in der „neuen Normalität“ von Isolation bedroht sind. Dieses Netzwerk von über 1700 Freiwilligen unterhält einen kostenlosen täglichen Telefondienst für Menschen in Not.
Die aserbaidschanische Hauptstadt Baku hat Maßnahmen für eine zügige Umgestaltung ihres Verkehrssystems durchgeführt, als sie gemäß den nationalen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung ihre U-Bahn-Linien schließen musste. Die Stadt verbesserte umgehend ihr oberirdisches Verkehrssystem mit praktischen und wirksamen Desinfektionseinrichtungen.
Dennoch benötigen Kommunalbehörden heute mehr denn je Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch. Ein solcher Austausch ermöglicht nicht nur die Bestimmung vorbildlicher Praktiken zur Überwindung der COVID-19-Pandemie, sondern soll auch als Ausgangspunkt für die Schaffung gesünderer und widerstandsfähigerer Städte für künftige Generationen dienen.
Das andere Gesicht der Pandemie
Bürgermeister und Kommunalvertreter aus Dutzenden Städten des Gesunde-Städte-Netzwerks der Europäischen Region haben die internationale Gemeinschaft zur Zusammenarbeit aufgerufen. Aus ihrer gemeinsamen politischen Erklärung geht hervor, dass die Erfahrungen aus der Pandemie eine Chance für mehr Stärke, Einheit, Widerstandsfähigkeit und Zusammenhalt sowie mehr Handlungsfähigkeit in Bezug auf Notlagen, Katastrophen und Erschütterungen, aber auch auf gesundheitliche, umweltbedingte, soziale und ökonomische Herausforderungen darstellen.
„Die brutale Nagelprobe durch COVID-19 hat unser Verständnis in Bezug auf die Probleme erweitert, die wir zum Schutz unserer Bevölkerung lösen müssen. Das Gesunde-Städte-Netzwerk spielt hierbei eine zentrale Rolle, namentlich im Hinblick auf die Verwirklichung unseres gesundheitspolitischen Zielkatalogs für nächsten fünf Jahre: des Europäischen Arbeitsprogramms – „Gemeinsam für mehr Gesundheit in Europa“, sagte Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa.
„Die gemeinsame politische Erklärung des Netzwerks stimmt mich sehr zuversichtlich. Sie ist ein Beispiel dafür, wie angewandte Solidarität aussieht. Die Zusammenarbeit und das Bekenntnis zu der Maxime, inmitten der COVID-19-Pandemie niemanden zurückzulassen, werden zur Schaffung stärkerer, widerstandsfähigerer und gesünderer Gemeinschaften in unserer Region beitragen.“
Der Ruf nach gemeinsamem Handeln war das zentrale Thema der Jahrestagung des Gesunde-Städte-Netzwerks der Europäischen Region der WHO, die vom 8. bis 10. Dezember als Online-Veranstaltung stattfand. Die Konferenz sollte einen Beitrag zur Verwirklichung des Europäischen Arbeitsprogramms 2020–2025 (EPW) leisten. In ihrer gemeinsamen politischen Erklärung begrüßten die Städte das EPW und erklärten ihre Entschlossenheit, zu seiner Umsetzung und der seiner vier Flaggschiff-Initiativen beizutragen: psychische Gesundheit, digitale Gesundheit, Impfwesen und verhaltensbezogene Aspekte.
Den Städten kommt eine wesentliche Rolle beim weltweiten Wiederaufbau nach COVID-19 zu. Gesunde und lebenswerte Städte sind nicht nur ein wichtiges Element in diesem Prozess, sondern eine entscheidende Voraussetzung für dessen Gelingen. Ohne Investitionen in gesundes städtisches Leben können wir die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung und unser gemeinsames Ziel einer nachhaltigen Zukunft nicht verwirklichen.
Zeit zur Verbreitung der Botschaft
Das Gesunde-Städte-Netzwerk der Europäischen Region der WHO ist über 30 Jahre alt und besteht aus mehr als 1500 Städten und Kommunen, von denen 100 Flaggschiff-Städte der WHO sind.
Die WHO führt Partner zusammen, um die zentrale Botschaft zu verbreiten: Wir müssen uns dieser Krise gemeinsam stellen – internationale Partnerorganisationen aus dem System der Vereinten Nationen und darüber hinaus, Partner aus allen Teilen der Gesellschaft auf Ebene der Europäischen Region und der Länder, nationale Organisationen und vor allem die Städte und Kommunen selbst.