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„Krankheiten machen nicht an Grenzen Halt“: eine moldauische Familienkrankenschwester versorgt ukrainische Flüchtlinge

12 May 2022
News release
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„Als ich das erste Mal einen Flüchtling versorgen musste, hatte ich das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Ich hatte sehr gemischte Gefühle. Einerseits wollte ich vor Schmerz schreien, aber gleichzeitig war mir klar, dass ich mich konzentrieren musste, weil mein Patient mich brauchte.“ 

So antwortete Maria Roșca, eine Familienkrankenschwester in der Republik Moldau, die jetzt an einem Flüchtlingszentrum arbeitet, auf die Frage nach ihrer Arbeit zur Versorgung ukrainischer Flüchtlinge in den vergangenen beiden Monaten. „Krankheiten machen nicht vor Grenzen Halt“, sagt sie. „Der Schmerz ist unerträglich, für die Moldauer und für die Ukrainer.“

Vor Kurzem musste Maria einer bettlägrigen Frau helfen, deren Tochter sie einen langen Weg von der Ukraine in die Republik Moldau gebracht hatte. 

„Die Frau litt an verschiedenen Erkrankungen und musste dringend medizinisch untersucht werden“, erinnert sich Maria. „Aber sie konnte nicht zum Arzt gehen, weil sie das Bett nicht verlassen konnte.“ Maria konnte die benötigten medizinischen Geräte in das Flüchtlingszentrum bringen, um die erforderlichen Tests durchführen und später die Ergebnisse einem Arzt vorlegen zu können und sich die nötigen Rezepte ausstellen zu lassen.  

Wenn Menschen wie jetzt in der Ukraine vor Krieg und Gewalt fliehen, nehmen sie ihre gesundheitlichen Bedürfnisse mit. Zu Beginn der elften Woche des Krieges ist angesichts von fast 6 Mio. Geflüchteten die Gesundheitsversorgung durch Personal in den Nachbarländern, wie Maria, unverzichtbar geworden. Nach Schätzungen des Amts des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) sind bisher fast 450 000 Menschen in die Republik Moldau gekommen, von denen mehr als 90 000 sich noch im Land aufhalten. 

Als Krankenschwester während COVID-19 und jetzt der Flüchtlingskrise 

Der jährlich am 12. Mai begangene Internationale Tag der Pflege gibt Anlass zur Erneuerung der Forderung nach mehr Investitionen in und Unterstützung für die Pflegeberufe. 

In diesem Jahr wirft WHO/Europa ein besonderes Licht auf die lebensrettende Arbeit von Pflegekräften in allen Umfeldern – auch in Konfliktgebieten oder inmitten einer Flüchtlingskrise – und verbindet dies mit einem Appell, ihre Sicherheit bei der Versorgung schutzbedürftiger Menschen zu gewährleisten. 

Der Kampf gegen COVID-19 in den letzten beiden Jahren war erschöpfend, räumt Maria ein. 

„Die Menschen hatten Angst, die Krankheit war unerbittlich, und die Arbeit hat sich mit der Zeit vervielfacht. Sie hat mich und meine Kollegen enorm belastet. Doch durch harte Arbeit rund um die Uhr konnte ich sämtliche Wellen der Pandemie bewältigen.“ 

Während der gesamten Dauer der Pandemie hat WHO/Europa immer wieder die Notwendigkeit unterstrichen, die psychische Gesundheit aller Gesundheitsfachkräfte zu schützen. Bei ihrem Einsatz an vorderster Linie waren sie Stressbelastung, Burnout, Krankheit und Verlust ausgesetzt, die langfristige Folgen für ihr seelisches Wohlbefinden haben können. 

Doch wie Maria erklärt, hat die Pandemie auch das Durchhaltevermögen des Gesundheitspersonals auf eine harte Probe gestellt. 

„Ich glaube, das hat mich auch auf die gegenwärtige Flüchtlingskrise vorbereitet“, sagt sie. „Das Zentrum, an dem ich arbeite, wurde gleich nach Beginn des Konflikts eröffnet, sodass wir vom ersten Tag an Flüchtlinge unterstützt haben.“ 

In den vergangenen zwei Monaten hat Maria viele Mütter und ihre Kinder versorgt. 

„Ich konnte sehen, dass sich manche von ihnen in aller Eile angezogen hatten, weil sie Kleidungsstücke verkehrt herum anhatten“, erinnert sie sich. „Ich habe Angst, Unsicherheit und Entsetzen in ihren Augen, in ihrem Verhalten und in ihren Stimmen bemerkt. Ich kann mir kaum vorstellen, was sie durchgemacht haben.“ 

Ein brennender Wunsch zu helfen

Vor dem Krieg in der Ukraine arbeitete Maria als Familienkrankenschwester in dem Dorf Popeasca, wo gut 2300 Menschen leben. Zusammen mit dem Hausarzt, der zweimal pro Woche aus einer anderen Stadt kommt, ist sie die einzige Gesundheitsfachkraft am Ort.  

„Es kommt alles von einem brennenden Wunsch, Menschen zu helfen und nützliche Arbeit zu leisten, und jetzt kenne ich die Geschichten der hiesigen Menschen und ihre Schmerzen und Ängste.“ Ihre Arbeit als Krankenschwester, sagt sie, geht über die Mauern ihrer Klinik hinaus.