Bled (Slowenien), 12. Mai 2025
Sehr geehrter Herr Minister Prevolnik, sehr geehrte Minister, Delegationsleiter, Kollegen, Freunde: dober dan!
Es ist wirklich eine Freude, heute hier bei Ihnen zu sein, in dieser wunderschönen Umgebung von Bled, in den Ausläufern der Julischen Alpen.
Im Namen von WHO/Europa möchte ich Slowenien ganz herzlich für die Ausrichtung der 11. hochrangigen Tagung der Initiative kleiner Länder (SCI) danken – in einer Zeit wachsender geopolitischer Herausforderungen, in der multilaterale Zusammenarbeit wichtiger denn je ist.
Slowenien kann auf ein stolzes Erbe im Bereich der öffentlichen Gesundheit zurückblicken, das bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht, wobei die Grundlagen der primären Gesundheitsversorgung nach dem Zweiten Weltkrieg gestärkt und noch stärker gefördert wurden.
Die WHO selbst wurde damals, vor über 75 Jahren, mit unserer weitreichenden Satzung gegründet, in der Gesundheit als Menschenrecht verankert ist.
Auch in der slowenischen Verfassung heißt es eindeutig: „Jeder Mensch hat das Recht auf Gesundheitsversorgung unter den gesetzlich vorgesehenen Bedingungen“.
In einer Zeit, in der Millionen von Menschen in der gesamten Europäischen Region der WHO und weltweit noch immer mit finanziellen Härten zu kämpfen und keinen Zugang zu einer optimalen Gesundheitsversorgung haben, muss dies noch einmal hervorgehoben werden: Jeder Mensch soll das Recht auf Gesundheitsversorgung haben.
Meine Freunde, unser jährliches Treffen der kleinen Länder ist immer eine bereichernde Erfahrung, doch dies gilt besonders in diesen turbulenten Zeiten.
Trotz aller Widrigkeiten und entgegen allen Erwartungen zeigen kleine Länder immer wieder, wie man sich weiterentwickeln und wie man führen und gedeihen kann.
Ich habe Ihre Fortschritte während meiner gesamten ersten Amtszeit als Regionaldirektor verfolgt und werde dies auch während meiner zweiten Amtszeit tun.
Sie haben Gesundheit und Wohlbefinden in den Mittelpunkt der politischen Agenda gerückt; Sie sind geschlossen für die Bedürfnisse kleiner Länder eingetreten – sei es in Bezug auf Gesundheitspersonal, Arzneimittel oder in den globalen Verhandlungen zum Pandemieabkommen; Sie haben neue Partnerschaften geschlossen, z. B. im Bereich Tourismus und Gesundheit; und Sie haben Fortschritte auf dem Weg zu einer allgemeinen Gesundheitsversorgung erzielt und gleichzeitig solide Erkenntnisse aus dem Bereich der öffentlichen Gesundheit genutzt, darunter die vielversprechendsten Optionen im Bereich nichtübertragbare Krankheiten, die so genannten „Best Buys“ – wichtige Sofortmaßnahmen zur Prävention und Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten.
Seit unserem ersten Treffen 2014 in San Marino hat sich unsere Welt grundlegend verändert:
- Unser Gesundheitsprofil verändert sich.
- In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Notlagen verdoppelt.
- Die Klimakrise fordert einen immer höheren Tribut.
- Wir haben heute weniger Menschen unter 15 Jahren als über 65.
- Die Bevölkerung hat das Vertrauen in Wissenschaft und Behörden verloren.
- Eine nicht hinnehmbare Anzahl von Frauen und Mädchen erlebt sexuelle Gewalt.
- Nichtübertragbare Krankheiten und psychische Erkrankungen geben Anlass zu erheblicher Besorgnis.
- Infolgedessen stehen unsere Systeme und unser Fachpersonal so stark unter Druck wie nie zuvor.
Alle diese Megatrends haben unser zweites Europäisches Arbeitsprogramm (EPW 2) für die nächsten 5 Jahre beeinflusst.
Inspiriert von Ihnen haben wir bei WHO/Europa die längerfristige „Vorausschau“ als kritisches Planungs-Tool für das EPW 2 eingeführt.
Gemeinsam mit wichtigen Experten aus der Region stellen wir uns vier mögliche Szenarien für die Gestaltung der Zukunft des Gesundheitswesens vor:
- Fortsetzung oder „weiter wie bisher“ – mit willkürlichen, ungleichmäßigen Fortschritten;
- Verschlechterung – gekennzeichnet durch Krise, Fragmentierung und wachsende Ungleichheiten;
- Disziplin – ein werteorientierter, aber langsamerer Weg, bei dem die Chancengleichheit im Vordergrund steht; und
- grundlegende Umgestaltung – oder Systeme, die durch Technologie und Innovation revolutioniert werden.
Natürlich können wir nicht alle Wendungen vorhersagen, welche die Zukunft bestimmen werden, aber wir können und müssen handeln, um unerwünschte Folgen auf lange Sicht abzuwenden.
Unser Dank gilt den vielen unter Ihnen, die in schwierigen finanziellen Zeiten – in denen Wendigkeit und Agilität (wie kleine Länder sie an den Tag legen) für die WHO der Lackmustest sein werden – Erkenntnisse und Visionen für die Gestaltung des bevorstehenden EPW 2 bereitgestellt haben.
Hier sind 5 entscheidende Prioritäten, die unser neues Arbeitsprogramm aufgreifen wird:
- Gesundheitssicherheit: Das ist unser Anliegen Nummer eins. Bedrohungen für unsere Gesundheit müssen genauso behandelt werden wie andere Bedrohungen für die globale Sicherheit und den Frieden. Und dabei müssen unsere Gemeinschaften unsere Strategien und Reaktionen mitgestalten.
- Altern: An sich ist Langlebigkeit ein Triumph und ein Beweis für den Fortschritt – aber sie erfordert eine Anpassung der Gesundheits- und Pflegesysteme. Gesundes Altern beginnt in der Tat schon bei der Geburt und erfordert einen Lebensverlaufansatz.
- Nichtübertragbare Krankheiten und psychische Gesundheit: Hierbei handelt sich nicht nur um gesundheitliche, sondern – angesichts ihres Dominoeffekts – auch um gesellschaftliche Herausforderungen. Um bessere Resultate zu erzielen, müssen wir Prävention und Behandlung kombinieren.
- Klimawandel: Europa erwärmt sich doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt – es sind dringende, engagierte und konsequente Maßnahmen erforderlich. Die Paneuropäische Kommission Klima und Gesundheit, die wir im Juni in Island ins Leben rufen werden, wird dazu beitragen, dies zu erreichen.
- Grundlegende Umgestaltung der Gesundheitssysteme: Diese Umgestaltung muss sich KI und andere digitale Gesundheitsinnovationen zunutze machen, um die erstaunlichen Möglichkeiten, die es bereits gibt und die noch aufkommen werden, wirklich zu nutzen. Tatsächlich haben wir bei WHO/Europa bereits damit begonnen, KI in verschiedene Funktionalitäten einzubeziehen, mit wirklich interessanten und zeitsparenden Ergebnissen.
Aber die grundlegende Umgestaltung der Gesundheitssysteme unterstreicht letztlich die Bedeutung der primären Gesundheitsversorgung – des Motors, der die Gesundheitssysteme intelligenter, stärker und – nicht zuletzt – menschlicher macht, da sie an der Basis mit Einzelpersonen, Familien und Gemeinschaften verbunden sind.
Dabei kann Slowenien auf eine jahrhundertelange Tradition zurückblicken, die Hand in Hand mit dem öffentlichen Gesundheitswesen arbeitet, wobei die soziale Teilhabe und die Chancengleichheit hoch auf der politischen und konzeptionellen Tagesordnung stehen, und bei der ein System kultiviert wird, das auf die Bedürfnisse aller, einschließlich der Schwächsten, eingeht.
Bei alledem ist die WHO für Sie, unsere Mitgliedstaaten, da, so wie wir es immer getan haben.
Aber, liebe Freunde, Sie wissen, dass sich die WHO in einer existenziellen Krise befindet – ausgelöst durch eine Finanzkrise, die auf die Entscheidung der USA, sich aus der Organisation zurückzuziehen, zurückzuführen ist.
Wir bei WHO/Europa ergreifen drastische Maßnahmen, um die Erwartungen der Mitgliedstaaten erfüllen zu können.
Wir bauen Personal und Kosten ab, setzen neue Prioritäten bei den Kernfunktionen, strukturieren Programme um und verfolgen neue Methoden zur Mobilisierung von Ressourcen.
Was bleibt, ist ein weitaus schlankeres Modell, das jedoch einen erheblichen Wert hat und wahrhaft zukunftsfähig ist.
Mein Ziel ist es, WHO/Europa als das agilste, reaktionsschnellste und innovativste Regionalbüro der WHO aufzustellen.
Das bedeutet, dass wir eine Organisation aufbauen müssen, die schnell, flexibel und ergebnisorientiert ist, wie wir es im EPW 2 dargelegt haben.
Aufbauend auf unserer gemeinsamen Arbeit mit den Mitgliedstaaten im Bereich partizipatorische Organisationsführung wird das Vertrauen durch eine noch offenere, besser messbare und prüffähigere Organisationsführung bei WHO/Europa noch weiter gestärkt.
Ich verpflichte mich zudem, WHO/Europa als treibende Kraft für Innovation und zukunftsorientierte öffentliche Gesundheit zu positionieren, wozu auch ein Zukunftslabor und regelmäßige Zukunftsgipfel und entsprechende Berichte gehören, um gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und Partnerorganisationen neue Modelle für das öffentliche Gesundheitswesen zu entwickeln.
Aber ich möchte Ihnen einen größeren Zusammenhang liefern, denn bei all dem geht es nicht um die WHO als solche, sondern um etwas viel Größeres.
Was auf dem Spiel steht, sind unsere hart erkämpften Fortschritte bei der Eindämmung der wachsenden Bedrohung durch antimikrobielle Resistenzen.
Was auf dem Spiel steht, sind die Entwicklung von Impfstoffen für Kinder und die Krebsforschung.
Was auf dem Spiel steht, ist das entscheidende Wissen, das die Vorsorge für künftige Pandemien und unsere Fähigkeit zur Überwachung und Reaktion auf globale gesundheitliche Bedrohungen untermauert.
Was auf dem Spiel steht, ist nichts Geringeres als die Sicherheit und das Wohlbefinden der Menschen überall auf der Welt; die Gesundheit als Menschenrecht.
Wir kommen heute hier zusammen, eine Woche vor der 78. Weltgesundheitsversammlung (WHA) in Genf – vielleicht der wichtigsten WHA seit Menschengedenken.
WHO/Europa zählt auf Sie, die Mitgliedstaaten der Initiative kleiner Länder, dass Sie die regionsweite und globale Gesundheitspolitik an unterschiedlichen Fronten unterstützen. Dazu gehört auch die Formalisierung des lang erwarteten Pandemieabkommens – einer zentralen Säule der globalen Gesundheitssicherheit – sowie die Unterstützung einer erheblichen Erhöhung der ordentlichen Beiträge der Mitgliedstaaten an die WHO.
In Zeiten wie diesen ist die WHO auf die Stärke ihrer Verbündeten und das Engagement ihrer Partner angewiesen. In Zeiten der Fragmentierung zählt der Multilateralismus. Ein Beispiel für erfolgreichen Multilateralismus ist die Initiative kleiner Länder: gemeinsames Verständnis und gemeinsamer Respekt, Informationsaustausch und anderweitige Kooperation, die zu gemeinsamen Resultaten führen.
Gesundheit ist unser höchstes Gut oder „Zdravje je največje bogastvo“, wie man in Slowenien sagt. Und ich weiß mit Sicherheit, dass es in jeder unserer Muttersprachen ein Sprichwort gibt, das die gleiche universelle Wahrheit wiedergibt.
Ihre strategische Partnerschaft – ja Ihre Freundschaft – ist die Art von Partnerschaft und Freundschaft, die WHO/Europa pflegen will und für die es sich auch weiterhin einsetzen wird, während wir gemeinsam voranschreiten.
Hvala vsem! Ich danke Ihnen.