Am 25. Juli 2023 beobachteten die Mitarbeiter des Cervello-Krankenhauses in Palermo, der Hauptstadt der italienischen Insel Sizilien, mit zunehmender Sorge, wie die Waldbrände, die auf einem nahen Hügel gewütet hatten, immer näher an sie und ihre Patienten heranrückten.
„Die Feuerwehr hatte genauso viel zu tun wie wir“, erzählt Dr. Ilaria Dilena, Direktorin der Notaufnahme im Cervello-Krankenhaus. „Das gesamte Gebiet um Palermo herum hatte mit Feuern zu kämpfen.“
Während die Waldbrände nur wenige Meter von der Klinik und Apotheke entfernt gelöscht wurden, hatte das Krankenhauspersonal nach wie vor alle Hände voll zu tun. Sie kämpften mit den Folgen von zehn Tagen Rekordhitze. Da mehr Menschen an schwerer Hyperthermie (übermäßiger Hitze) und Dehydrierung litten, musste das Krankenhaus in zwei – statt nur einer – voll besetzten Schichten arbeiten.
Der Zustand dieser Patienten konnte sich rapide verschlechtern, und viele waren auf dringende medizinische Hilfe angewiesen, um Flüssigkeitsverluste auszugleichen und schwerwiegende Folgen zu verhindern. Trotz der heldenhaften Anstrengungen der Gesundheitsfachkräfte stieg die Mortalitätsrate in der Notaufnahme während der Hitzewelle um ein Drittel.
Als die Temperaturen draußen einen Spitzenwert von 47 Grad Celsius erreichten, waren ganze Stationen infolge von Hitzeschäden an den Kabeln ohne Strom. Die Zahl der verfügbaren Betten war begrenzt, doch einige der älteren Patienten zu entlassen, war gänzlich unmöglich.
Ilaria und ihre Kollegin Dr Tiziana Maniscalchi, Gesundheitsdirektorin im Cervello-Krankenhaus, sind erschüttert durch die Erfahrung, diese Zeit der glühenden Hitze und Waldbrände auf der Arbeit erlebt zu haben.
„Erst jetzt, zehn Tage später, erleben wir langsam eine Rückkehr zur Normalität. Es ist erst Juli, daher machen wir uns Sorgen, was die Zukunft langfristig gesehen noch bringen mag“, erklärt Tiziana.
Sie schildern, inwiefern sich die extreme Hitze auf ihr Krankenhaus ausgewirkt hat, und äußern sich zu notwendigen Anpassungen in den Gesundheitssystemen, die sich schwer damit tun, auf eine sich erwärmende Welt zu reagieren.
Die Auswirkungen von Hitze auf die Gesundheit
„Die Temperaturen sind in den letzten Jahren allmählich immer weiter gestiegen, aber dieses Mal lag der Unterschied darin, wie lang die Hitzewelle anhielt – zehn aufeinanderfolgende Tage lang, auch nachts. Ich kann mich nicht erinnern, dass das in der Vergangenheit jemals der Fall war“, erklärt Ilaria.
In Sizilien sind ältere Menschen am stärksten von der Hitze betroffen, ebenso wie andere gefährdete Personen mit Vorerkrankungen. Viele kamen mit Verwirrung, Kopfschmerzen, Atembeschwerden und Krampfanfällen in die Notaufnahme. Die Fälle von Nierenversagen aufgrund von Dehydrierung stiegen ebenso wie die Fälle von Hyperthermie, welche auftritt, wenn der Körper mehr Wärme aufnimmt oder erzeugt, als er abgeben kann.
„In den 30 Jahren, in denen ich als Ärztin tätig bin, habe ich 4 oder 5 Fälle von Hyperthermie gesehen. In diesen 10 Tagen habe ich 5 oder 6 Fälle am Tag erlebt“, erklärt Tiziana.
Hyperthermie kann zu Hitzekrämpfen führen, sich aber auch zu einer schwereren Hitzeerschöpfung und einem potenziell lebensbedrohlichen Hitzschlag entwickeln. Zudem verschlimmert die Hitze bereits vorbestehende Erkrankungen wie Herzprobleme und kann die Aufnahme von Medikamenten beeinträchtigen.
„An einem normalen Tag haben wir 30 Mal am Tag einen Code Red, wenn das Leben eines Patienten wirklich auf dem Spiel steht, aber an diesen Tagen hatten wir 50 am Tag – also eine erhebliche Steigerung“, erinnert sich Tiziana.
Im Freien tätige Arbeiter
Ilaria und Tiziana behandelten auch eine Reihe jüngerer Menschen, von denen viele einer Arbeit im Freien nachgingen und der Sonne ausgesetzt waren. „Sie kamen in einem kritischen Zustand hier an, weil sie übermäßiger Hitze ausgesetzt waren. Sie müssen viel besser geschützt werden, weniger stark der Sonne ausgesetzt werden und sich abkühlen können“, erklärt Ilaria.
Tiziana ist der Ansicht, dass mehr darüber nachgedacht werden sollte, wie die Arbeit während der heißesten Stunden des Tages ausgeführt wird: „Die Städte müssen Pläne für die Sommermonate machen und einen Teil der Arbeiten, die bei dieser Hitze im Freien stattfinden, aussetzen, um die Risiken für uns alle zu verringern.“
Der neue Normalzustand?
Die beiden Ärztinnen betonen die dringende Notwendigkeit von Anpassungen an die Bedrohungen durch den Klimawandel. „Wir können nicht länger ignorieren, dass der Klimawandel eine Bedrohung für unsere Gesundheit darstellt. Wir müssen uns entsprechend vorbereiten – vor allem wir im Gesundheitswesen“, fordert Ilaria.
Tiziana hält dringende gesundheitsbezogene Informations- und Beratungskampagnen für notwendig, um die Menschen vor den Gefahren zu warnen, die mit dem Aufenthalt im Freien während der heißesten Tageszeit verbunden sind. Sie verweist darauf, dass sich die traditionellen sizilianischen Familienstrukturen verändern, und ist der Ansicht, dass auch Änderungen bei der Bereitstellung von Gesundheitsleistungen notwendig sind, um ältere Menschen zu schützen, von denen viele heute allein leben.
„Die Menschen sind mit der Pflege von älteren Angehörigen überfordert. Wir hatten noch nie so viele Anfragen, ältere Menschen von einem Privathaushalt in eine Einrichtung zu verlegen, wie während der Hitzewelle“, stellt Tiziana fest.
Sie schlägt vor, dass mithilfe von Telemedizin die Notwendigkeit von Arzt- und Apothekenbesuchen bei heißem Sommerwetter verringert werden könnte, und dass regelmäßige Hausbesuche von Gesundheitspersonal bei älteren Menschen verhindern könnten, dass viele hitzebedingte Erkrankungen lebensbedrohlich werden.
Die Hitzewelle verdeutlichte auch die gesellschaftlichen Herausforderungen. „Es war äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich, ältere Menschen nach Hause zu schicken“, fährt Tiziana fort. „Wir behandelten Patienten, die in diesem Moment zwar vielleicht noch nicht ernsthaft gefährdet waren, es aber bald sein würden, weil sie nirgendwo in Sicherheit waren, keine andere Transportmöglichkeit hatten, als in der Hitze zu Fuß zu gehen, und niemanden außer uns hatten, der sich um sie kümmerte.“
Obwohl Cervello ein COVID-19-Krankenhaus war, das bereits Erfahrung im Umgang mit Krisen hatte, war das Personal eingeschüchtert durch die Herausforderung, Patienten bei der extremen Hitze zu versorgen. „Wir haben uns zusammengesetzt, die Notaufnahme und die Intensivstation, und haben bestimmte Leistungen umgestellt und neu organisiert, um mit der Situation fertig zu werden. Was wir in der Zeit empfanden, war Angst, genau die gleiche Angst, die viele von uns am Anfang von COVID-19 empfunden hatten“, erzählt Ilaria.
Die Auswirkungen der Hitze in diesem Sommer haben beide Ärztinnen davon überzeugt, dass die Gesundheitssysteme es sich nicht leisten können, angesichts der steigenden Temperaturen selbstgefällig zu sein. „Dies ist eine ernste Notlage, die wir nicht ignorieren können“, erklärt Ilaria. „Sie ist mit COVID-19 gleichzusetzen. Wir müssen besser werden, mehr für die Prävention tun.“
Gesundheitsförderliche Maßnahmen für Hitzeperioden
Der Klimawandel führt zu einer Zunahme von extremen Wetterereignissen, einschließlich Hitzewellen. Die jüngsten Hitzewellen in der Europäischen Region der WHO haben zu einem Anstieg der Zahl der hitzebedingten Todesfälle geführt, doch die negativen gesundheitlichen Auswirkungen von hohen Temperaturen und Hitzewellen lassen sich weitgehend verhindern.
Zur Prävention sind Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen erforderlich; dazu gehören die Einrichtung von meteorologischen Frühwarnsystemen, rechtzeitige gesundheitspolitische und medizinische Empfehlungen, eine Verbesserung der Wohnverhältnisse und der Städteplanung sowie Anstrengungen zur Gewährleistung, dass Gesundheits- und Sozialsysteme ausreichend gerüstet sind.
Eine wirksame Prävention kann in einen festgelegten Gesundheitsaktionsplan für Hitzeperioden (HHAP) integriert und darin systematisiert werden. WHO/Europa arbeitet gegenwärtig mit Unterstützung der Europäischen Kommission an der Aktualisierung seines Leitfadens zu HHAP. Ziel des Leitfadens ist es, Entscheidungsträger und Praktiker aus dem Gesundheitswesen und anderen Sektoren bei ihren Bemühungen zur Ausarbeitung nationaler, subnationaler bzw. kommunaler HHAP anzuleiten, anhand derer präventive und abhelfende Interventionen zur Verhinderung bzw. Verringerung der Exposition gegenüber Hitze entworfen und gesteuert werden. Dies umfasst auch eine Schwerpunktlegung auf die Risikokommunikation und den Schutz besonders gefährdeter Bevölkerungsgruppen.