Ayat Al Huseein
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Ayat Al Huseein hilft als psychosoziale Betreuerin anderen Flüchtlingen bei der Bewältigung psychischer Gesundheitsprobleme

15 December 2020
News release
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„In mancher Hinsicht hat meine Arbeit mir dabei geholfen, mein eigenes Leben wiederaufzubauen. Ich kann jetzt anderen bei der Genesung und beim Aufbau seelischer Widerstandskraft behilflich sein“, erzählt Ayat Al Huseein, eine 30-jährige Geflüchtete aus Syrien, die vor etwa drei Jahren mit ihrer Familie in einem Boot in Griechenland ankam und inzwischen als psychosoziale Betreuerin arbeitet. Sie ist im Rahmen eines Projektes tätig, das psychosoziale Betreuung für Flüchtlinge und Asylbewerber anbietet.

„Ich habe sehr unterschiedliche Menschen mit entsprechend unterschiedlichen psychosozialen Bedürfnissen kennengelernt, auf die ich mich in meinem Vorgehen einstellen muss. Wenn ich jemanden besuche, der um Hilfe gebeten hat oder an uns verwiesen wurde, wende ich das an, was ich während meiner Schulung gelernt habe, und nutze auch meine persönlichen Fähigkeiten. Bevor ich Syrien verließ, war ich Lehrerin, und meine Fähigkeit zu kommunizieren, aufmerksam zuzuhören und mich in andere hineinzuversetzen, kommt mir jetzt wieder zugute.“

„Die psychosozialen Bedürfnisse von Flüchtlingen sind stark von Erlebnissen und Erfahrungen, Alter, Geschlecht und Hintergrund abhängig, aber ich bemühe mich bewusst, allen wieder Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu geben.“

Wirksame fachübergreifende Kooperationen

„Psychosoziale Unterstützung kann in unterschiedlichen Formen erfolgen – manche Flüchtlinge benötigen emotionalen Zuspruch, andere müssen dafür motiviert werden, sich an Aktivitäten zu beteiligen, die ihnen Anschluss an die örtliche Bevölkerung verschaffen, und wieder andere brauchen praktische Unterstützung bei alltäglichen Angelegenheiten.“

„Ich helfe Flüchtlingen, indem ich ihnen zuhöre und sie an Organisationen oder Akteure verweise, die ihnen weiterhelfen können, etwa mit Sprachkursen oder mit Hilfe beim Zugang zur Gesundheitsversorgung, zur Rechtsberatung oder zum Arbeitsmarkt. Psychische Gesundheitsprobleme erfordern eine umfassende, fachübergreifende Antwort.“

„Bei Flüchtlingen mit schweren psychischen Gesundheitsproblemen wende ich mich an meinen Teamleiter und andere Gesundheitsfachkräfte. Diese Zusammenarbeit trägt entscheidend zu einem ganzheitlichen, fachübergreifenden Ansatz für die psychische Gesundheit von Flüchtlingen bei, und wir unterstreichen ständig die Bedeutung von Abstimmung zwischen allen Akteuren vor Ort, die den Flüchtlingen dabei helfen soll, ihre Selbständigkeit zurückzuerlangen.“

Ayat und ihre Kollegen nutzen verschiedene von der WHO herausgegebene Handbücher für psychosoziale Betreuer, wie Psychologische Erste Hilfe: Handbuch für die Einweisung von Betreuungspersonal, Psychologische Erste Hilfe: Ratgeber für Betreuungspersonal und Problemmanagement und individuelle psychologische Hilfe für durch Not beeinträchtigte Erwachsene in von widrigen Umständen betroffenen Gemeinschaften.

Ähnliche Geschichten ermöglichen sinnvolle Kontakte

„Eine der größten Stärken dieses Projektes besteht darin, dass die gemeindenahen psychosozialen Betreuer selbst Flüchtlinge sind. Da wir oft Ähnliches erlebt haben und Kultur und Sprache teilen, fällt es den Flüchtlingen leichter, sich uns anzuvertrauen, weil sie wissen, dass wir ihre Erlebnisse richtig einordnen können. So wird es leichter, Beziehungen und sinnvolle Kontakte aufzubauen.“

„Einmal lernte ich eine Frau kennen, die unter Angstzuständen und Depressionen litt. Sie war antriebslos, hatte keine Freunde und vergaß manchmal sogar, ihre Kinder aus der Schule abzuholen. Wir begannen, uns regelmäßig zu treffen, und mit der Zeit machte sie erhebliche Fortschritte. Wir konnten ihr dabei helfen, sich zu einem Sprachkurs anzumelden, eine Arbeit zu finden und an kulturellen Veranstaltungen teilzunehmen, wo sie Freunde fand. So konnte sie etwas an ihrem Leben ändern.“

„Solche Erfahrungen helfen mir, meine Motivation zu bewahren. Ich möchte Menschen helfen und zusehen, wie es ihnen besser geht. Ich wünsche mir, dass dieses Projekt fortgesetzt wird und dass die Hilfe in allen Ländern diejenigen erreicht, die sie benötigen.“

Die COVID-19-Pandemie hat die Arbeit der psychosozialen Betreuer verändert, aber nicht beendet

Die aktuelle COVID-19-Pandemie kann weitere negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Flüchtlingen haben, wenn gesundheitliche Maßnahmen, soziale Isolation, eine unsichere Versorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten sowie bestehende Quarantäneregeln vergangene Traumata wieder aufleben lassen. Das Leben von Asylbewerbern und Flüchtlingen in Ankunftsländern war schon vor der Pandemie oftmals von sozialen, kulturellen, sprachlichen und juristischen Barrieren geprägt, die psychologische Probleme hervorrufen bzw. verschärfen können.

Asylbewerber und Flüchtlinge leiden aufgrund traumatischer Erlebnisse oft unter schweren Depressionen und Angstzuständen und unter großer Einsamkeit, die die Folge einer Exposition gegenüber verschiedenen Stressfaktoren aufgrund von Härten in ihrem Herkunftsland, während der Migration oder aufgrund der Lebensbedingungen in der Europäischen Region sein können.

„Seit Beginn der Pandemie können wir bedürftige Personen nicht mehr in ihrer Wohnung besuchen, sondern müssen stattdessen online oder über digitale Tools mit ihnen Kontakt aufnehmen. Dabei nutzen wir alle möglichen Angebote, von regelmäßigen Anrufen über Video bis hin zu den sozialen Medien“, erklärt Ayat.

„Manche tun sich schwer mit solchen technologischen Kommunikationsmitteln, und viele brauchen einfach Zeit, um sich anzupassen, und auch wir psychosozialen Betreuer mussten uns an die neuen Umstände anpassen. Doch ich glaube wirklich, dass es uns trotz dieser Herausforderungen gelungen ist, die von den Flüchtlingen benötigte Betreuung und Unterstützung weiter anzubieten.“

Ayat arbeitet seit November 2019 bei EPAPSY – dem Verband für regionale Entwicklung und psychische Gesundheit, wo sie psychosoziale Unterstützung für erwachsene Flüchtlinge und Asylbewerber in städtischen Gebieten der griechischen Region Attica leistet. Von Januar bis September 2020 versorgte das Projekt für gemeindenahe psychosoziale Betreuung insgesamt 92 Leistungsempfänger, darunter Obdachlose, in privaten Unterkünften lebende Personen sowie bedürftige Menschen, wie sie in dem Programm für Nothilfe zur Integration und Unterbringung bestimmt werden, das vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen in Zusammenarbeit mit Kommunalbehörden und nichtstaatlichen Organisationen durchgeführt und von der Abteilung Humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz bei der Europäischen Kommission finanziert wird.