Im Verhältnis zu anderen Ländern in der Europäischen Region der WHO weist Kasachstan niedrige Raten von Übergewicht und Adipositas im Kindesalter auf. Die jüngsten Surveillance-Daten der WHO zeigen jedoch, dass diese Raten möglicherweise ansteigen, insbesondere bei Jungen. Diese neue Erkenntnis bildete auch die Grundlage für das neue Faktenblatt „Ergebnisse der Überwachung von Übergewicht, Ernährung und Bewegung im Kindesalter im Jahr 2020“, das gemeinsam von der WHO und dem Gesundheitsministerium Kasachstans ausgearbeitet wurde.
Jüngste Daten aus dem Land: mehr zuckerhaltige Getränke und mehr Zeit vor dem Bildschirm
Den jüngsten Daten der WHO zufolge sind 21% der Kinder im Alter zwischen 6 und 9 Jahren in Kasachstan übergewichtig oder adipös.
Bei 8-jährigen Mädchen beläuft sich diese Rate auf rund 18% und ist seit 2015 nahezu unverändert geblieben. Bei Jungen gibt der Trend eher Anlass zu Besorgnis. Zwischen 2015 und 2020 stiegen die Raten von Übergewicht und Adipositas bei 8-jährigen Jungen um mehr als 5% auf insgesamt 24%.
„In Kasachstan beobachten wir eine allmähliche Verlagerung hin zum Verzehr von mehr zuckerhaltigen Getränken und mehr Freizeit, die im Sitzen mit elektronischen Geräten verbracht wird. Gleichzeitig verzeichnen wir aber auch zunehmend positive Trends. Die Prävalenz von täglicher Bewegung (für eine Dauer von mindestens 60 Minuten) ist um mehr als 15% angestiegen und liegt derzeit bei einem Wert von 86%“, erläutert Dr. Zhanar Kalmakova, geschäftsführende Vorstandsvorsitzende des Staatlichen Zentrums für öffentliche Gesundheit beim Gesundheitsministerium.
Übergewicht und Adipositas unter Kindern im schulpflichtigen Alter stellen in der Europäischen Region der WHO eine große Herausforderung dar. Selbst nach der Kindheit stellen sie erhebliche Risikofaktoren für mehrere nichtübertragbare Krankheiten dar, darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes.
Nach Daten aus der gleichen Studie sind rund 5% der Kinder in Kasachstan als dünn einzustufen, was ebenfalls im späteren Lebensverlauf zu gesundheitlichen Problemen führen kann.
Eltern schätzen das Gewicht ihrer Kinder oft falsch ein
„Es gibt eine alte Redensart: ,Wir wissen zu schätzen, was wir messen‘“, erklärt Dr. Caroline Clarinval, Repräsentantin der WHO in Kasachstan. „Wenn wir Adipositas im Kindesalter messen, sind wir besser gerüstet, um zu gewährleisten, dass wir unseren Kindern eine gesunde Zukunft ermöglichen. Die Ergebnisse dieser Erhebung zeigen, dass die Raten von Übergewicht und Adipositas in Kasachstan im Verhältnis zu anderen Teilen der Region niedrig sind. Doch sie zeigen auch, dass es Bereiche gibt, in denen wir wachsam bleiben müssen, so etwa bei der Bildschirmzeit von Kindern, um sicherzustellen, dass Übergewicht und Adipositas nicht das gleiche Ausmaß erreichen, wie wir es in anderen Teilen der Region sehen.“
Dr. Clarinval fügt hinzu: „Eine der Stärken der Initiative der Europäischen Region der WHO zur Überwachung von Adipositas im Kindesalter (COSI) ist, dass sie Entscheidungsträger in die Lage versetzt, jene Faktoren zu untersuchen, die Einfluss auf das Gewicht haben: von Geschlecht und Ernährungsgewohnheiten über geografische Unterschiede bis hin zu mehreren sozialen Faktoren, die indirekt Auswirkungen auf Übergewicht und Adipositas haben.“
So zeigen etwa die Daten der WHO, dass Eltern in Kasachstan das Gewicht ihrer Kinder oft falsch einschätzen. In 77,6% der Fälle gaben die Eltern der an der Untersuchung teilnehmenden Kinder mit Übergewicht oder Adipositas an, dass ihre Kinder in eine durchschnittliche Gewichtskategorie fielen. Da Eltern eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Ernährungsmustern und Bewegungsgewohnheiten ihrer Kinder spielen, muss diese Herausforderung bei der Ausarbeitung eines wirksamen politischen Ansatzes berücksichtigt werden.
Die neuen Daten stammen aus einer landesweiten Erhebung, die im Jahr 2020 gemeinsam vom kasachischen Gesundheitsministerium (über das Staatliche Zentrum für öffentliche Gesundheit) und COSI sowie mit Unterstützung des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) durchgeführt wurde.
Adipositas bekämpfen: Empfehlungen der WHO
Bevölkerungsbezogene Konzepte zur Bekämpfung von Übergewicht und Adipositas im Kindesalter umfassen:
- breit angelegte steuerpolitische Ansätze zur Verringerung der Bezahlbarkeit und Zugänglichkeit von Nahrungsmitteln und Getränken mit hohem Zucker-, Salz- und Fettgehalt;
- Konzepte zur Verbesserung des Zugangs zu gesunden Nahrungsmitteln wie Obst, Gemüse und Vollkornprodukten, u. a. auch in Schulen;
- Werbebeschränkungen (einschließlich für digitale Werbung) für Nahrungsmittel und Getränke mit hohem Zucker-, Salz- und Fettgehalt;
- Konzepte zur Förderung des ausschließlichen Stillens während der ersten sechs Lebensmonate und des fortgesetzten Stillens bis zum 2. Lebensjahr oder darüber hinaus; und
- Konzepte zur Vorantreibung einer allgemeinen Gesundheitsversorgung und zur Stärkung der Gesundheitssysteme, um sicherzustellen, dass jedes übergewichtige oder adipöse Kind Zugang zu hochwertigen Angeboten zur Gewichtskontrolle erhält.
Besonderes Augenmerk sollte darauf gerichtet werden, inwiefern sozioökonomische Faktoren möglicherweise das Risiko für Adipositas beeinflussen. Es müssen Anstrengungen unternommen werden, um zu gewährleisten, dass jeder unabhängig vom sozioökonomischen Status Zugang zu gesunden Nahrungsmitteln und Gelegenheiten zu körperlicher Betätigung erhält.
Die Empfehlungen spiegeln die zentralen Grundsätze des Europäischen Arbeitsprogramms 2020–2025 wider, in dem an die Mitgliedstaaten appelliert wird, gemeinsam zu handeln, um in allen Teilen der Europäischen Region der WHO gesundheitliche Ungleichgewichte zu beseitigen und mehr Wohlbefinden anzustreben.