„Mein Name ist Ben und manchmal habe ich mit Depressionen zu kämpfen“ – die Geschichte eines jungen Briten, der sich für psychische Gesundheit einsetzt

19 May 2022
News release
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Ben Ogden, ein 24-jähriger Personal Trainer und Content Creator, versucht, Menschen dazu zu bewegen, über ihre psychische Gesundheit zu sprechen. Dafür wählte er einen eher unkonventionellen Ansatz: er stellt sich in überfüllte Bahnhöfe im gesamten Vereinigten Königreich und hält Pappschilder hoch, auf denen z. B. steht: „Wenn Sie manchmal mit psychischen Problemen zu kämpfen haben, lassen Sie uns darüber reden“. Dabei fügt er absichtlich kleine Rechtschreibfehler in die Aufschriften der Schilder ein, um die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich zu ziehen.

„Ich glaube wirklich, dass wir die psychische Gesundheit zu einem Teil einer normalen Unterhaltung machen müssen“, erklärte Ben in seiner Eröffnungsansprache auf der ersten Tagung des Europäischen Bündnisses für psychische Gesundheit, „insbesondere bei jungen Menschen, und insbesondere nach der Pandemie.“

Seit Oktober 2021 steht Ben mit seinen Schildern in Bahnhöfen in Leeds und anderen Städten im Vereinigten Königreich. Der Inhalt der Schilder ändert sich und reicht von ehrlichen Worten über seinen eigenen Kampf mit Depressionen bis hin zu allgemeineren Einladungen wie der obigen. Die Idee dahinter ist, die Menschen dazu anzuregen, trotz ihres engen Zeitplans auf ihn zuzukommen und aus sich selbst heraus über ihre eigene mentale Gesundheit zu sprechen.

„Das ist der Grund, warum ich die Aktionen in Bahnhöfen durchführe“, erklärt er. „Diese Unterhaltung, die wir auf die Schnelle im Bahnhof haben können, hat vielleicht enorme Auswirkungen auf ihren Tag.“

Suizid ist die zweithäufigste Todesursache in der Altersgruppe der 10- bis 19-Jährigen


Psychische Gesundheit, insbesondere die psychische Gesundheit junger Menschen, gibt in allen Teilen der Europäischen Region der WHO zunehmend Anlass zur Sorge. Der nichtstaatlichen Organisation Mental Health Europe zufolge berichten über 9 Mio. junge Menschen in allen Teilen der Region, dass sie mit psychischen Gesundheitsproblemen zu kämpfen haben, und Suizid war bereits vor der Pandemie die zweithäufigste Todesursache in der Altersgruppe der 10-bis 19-Jährigen. 

„Ich habe schon immer ein wenig mit meiner mentalen Gesundheit zu kämpfen gehabt“, erzählt Ben. „Doch es waren, glaube ich, die Lockdowns und einige persönliche Erfahrungen in meinem Leben, die bei mir ernsthaftere psychische Probleme ausgelöst haben.“ 

Der Fachliche Beirat von WHO/Europa zu den Auswirkungen von COVID-19 auf die psychische Gesundheit berichtet, dass sich die psychische Verfassung von Jugendlichen infolge der Pandemie verschlechtert hat. Gründe hierfür sind etwa die soziale Isolation, allgemeine Sorgen und Ängste wegen der Pandemie und Unsicherheit bezüglich Arbeit oder Schule. Auch wenn es helfen kann, über seine psychischen Probleme zu sprechen, kann es für junge Menschen aufgrund tief verwurzelter Stigmata schwierig sein, das Thema anzusprechen. 

Auch Ben zögerte, sich mit Freunden und Familien über seine Gefühle auszutauschen. „Ich wollte sie nicht unter Druck setzen“, erklärt er. Die Idee für die Schilder kam ihm, als er sich die Zeit nahm, einen guten Freund nach dessen psychischer Verfassung zu fragen.

„Wir litten beide an psychischen Gesundheitsproblemen“, sagt Ben. „Und ich fragte ihn einfach, ob es ihm wirklich gut gehe. Und dann sprachen wir am Ende ziemlich lange über unsere eigene psychische Verfassung. Nach diesem Gespräch dachte ich: Wir haben in den letzten drei Monaten jeden einzelnen Tag miteinander verbracht und keiner von uns beiden wusste, dass wir beide mit Problemen zu kämpfen hatten. Was macht dann erst jemand durch, der seine Freunde vielleicht einmal pro Woche sieht?“ 

Ein Gespräch anregen


Die Idee mit den Schildern kam ihm, als er überlegte, wie er ein solches Gespräch anregen könne. Das erste Mal war eine nervenaufreibende Erfahrung. „Wir waren um 10 Uhr morgens in Leeds und am Ende begannen wir erst um 15.30 Uhr mit den Videoaufnahmen. Ich glaube, wir verbrachten den ganzen Tag damit zu überlegen, rumzulaufen und die Sache mehrfach hinauszuzögern“, erinnert er sich. „Und dann dachte ich plötzlich: ,Weißt du was, es geht dabei gar nicht um mich, sondern um alle anderen.‘“ 

„Wenn man sich das ursprüngliche Video anschaut, kann man sehen, dass ich wie versteinert war. Ich war so befangen“, fügt er hinzu.

Bens Mut hat sich ausgezahlt: seit diesem ersten Video ist die Zahl seiner Follower rapide gewachsen. Zwischen 70 000 und 100 000 Menschen schauen sich seine Live-Streams an, die in der Regel ungefähr eine Stunde dauern, und seine Videos haben bislang über eine Million „Likes“ erhalten. Zudem haben seine Follower einen Diskurs-Server mit etwa zehn unterschiedlichen Räumen für Einzelgespräche über das Thema mentale Gesundheit eingerichtet, um die Gespräche über psychische Gesundheit auch außerhalb der Live-Streams fortzusetzen.

Bens Anstrengungen reihen sich ein in eine wachsende Zahl von Stimmen, die verstärkte Investitionen in die psychische Gesundheit, insbesondere für junge Menschen, fordern. Die Nachfrage ist so groß, dass das Jahr 2022 zum Europäischen Jahr der Jugend ausgerufen wurde. In den letzten drei Jahren hat Mental Health Europe jeweils im Mai eine einwöchige Kampagne unter dem Titel „Europäische Woche für psychische Gesundheit“ organisiert, um auf psychische Gesundheitsprobleme aufmerksam zu machen und Politiker und die allgemeine Öffentlichkeit zum Handeln zu motivieren.

In diesem Jahr steht die Woche unter dem Motto „Mach dich stark für psychische Gesundheit“ und zielt darauf ab, psychische Probleme unter Jugendlichen hervorzuheben. Die Kampagne macht auf eine Reihe von Forderungen an politische Entscheidungsträger innerhalb der Europäischen Union aufmerksam, bestehende Lücken in den Gesundheitssystemen für psychische Gesundheit, insbesondere bei Jugendlichen, zu schließen.

Ebenso hat auch WHO/Europa mit dem Start eines neuen Programms im Büro Athen für Versorgungsqualität, bei dem die Versorgungsqualität im Hinblick auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im Mittelpunkt steht, die Aufmerksamkeit auf die psychische Gesundheit von Jugendlichen gerichtet. Die Förderung der psychischen Gesundheit von jungen Menschen stellt auch eines der Arbeitspakete des Europäischen Bündnisses für psychische Gesundheit dar, zu dem Ben während seines Besuchs in Kopenhagen anlässlich der ersten Tagung des Bündnisses beitrug.

Für Ben stellt sich die Frage für Regierungen und andere Organisationen, wie sich seine Aktion in größerem Maßstab umsetzen ließe. „Ich weiß nicht, wie – aber von Schulen über weiterführende Schulen und Universitäten bis hin zu Arbeitsplätzen besteht meines Erachtens ein Bedarf für etwas, das einen Schritt für Schritt begleitet, wie eine berufliche Karriere.“ 

Er plant, seine Schilderaktion fortzusetzen. Nach der Tagung des Bündnisses stand er mit einem seiner Schilder sogar vor dem Rathaus von Kopenhagen – das erste Mal außerhalb des Vereinigten Königreichs.

Beteiligen Sie sich in den sozialen Medien an der Diskussion. Ben finden Sie auf TikTok (@itsbenogden) und auf Instagram (@iambenogden).