Darinas Reise von Charkiw (Ukraine) nach Bulgarien dauerte vier Tage mit Zug und Bus. Sie war hochschwanger. Jetzt, da sie ihr friedliches Baby in den Armen hält, wischt sie sich die Augen, wenn sie die Namen der Freiwilligen aufzählt, die ihr
in den ersten Tagen nach ihrer Flucht vor dem Krieg in ihrem Heimatland geholfen haben.
„Diese Frauen – Maria, Katya, Rumi, Stanislava – Menschen, denen ich ganz zufällig begegnet bin und die mir einfach nur helfen wollten“, sagt sie.
Als die ersten Flüchtlinge in dem Land ankamen, wurde das Bulgarische Rote Kreuz aktiv und mobilisierte bezahlte Mitarbeiter und Freiwillige als praktische Helfer für Menschen, die Unterkünfte, Nahrung, Arzneimittel, Hygieneartikel und
Kleidung benötigten.
„Alle zusammen haben wir es auf etwa 34 000 Stunden Freiwilligenarbeit gebracht“, erzählt Dr. Nadejhda Todorovska, Stellvertretende Generaldirektorin beim Bulgarischen Roten Kreuz. „Etwa 5000 Freiwillige haben mitgemacht, nicht
nur in der Hauptstadt Sofia, sondern an allen Zugangspunkten für die Flüchtlinge im ganzen Land.“
Koordinierte Unterstützung für die ukrainischen Flüchtlinge
Das Bulgarische Rote Kreuz ist nur ein Mitglied des Koordinierungsgremiums der bulgarischen Regierung, dem ansonsten noch das WHO-Länderbüro in Bulgarien, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF), das Amt des Hohen Flüchtlingskommissars
der Vereinten Nationen (UNHCR), die Internationale Organisation für Migration (IOM) sowie eine Reihe anderer nichtstaatlicher internationaler Organisationen angehören. Gemeinsam bemühen sie sich, den vielfältigen Bedürfnissen
der Flüchtlinge gerecht zu werden.
Das Rote Kreuz sorgt mit Unterstützung durch das WHO-Länderbüro in Bulgarien dafür, dass ukrainische Flüchtlinge wie Darina Zugang zu medizinischer und psychosozialer Betreuung erhalten.
„Auf der Entbindungsstation wurde für mich gesorgt, und die Medizin bekam ich vom Roten Kreuz“, erzählt Darina. „Glücklicherweise bekam ich alles, was ich brauchte, auch für mein Kind, sodass ich mich ausruhen konnte.
Ich habe das Kind in Sofia bekommen. Ich war nicht besorgt, weil das Personal so nett war. Es war fast wie im Märchen.“
Alexandra, die bei ihrer Ankunft aus Cherson (Ukraine) ebenfalls schwanger war, erinnert sich: „Ich habe vom Roten Kreuz viel moralische Unterstützung erhalten. Sie gaben mir einen Buggy, Windeln und Kleidung, aber auch medizinische und juristische
Informationen.“
Dr. Skender Syla, Repräsentant der WHO und Leiter des Länderbüros in Bulgarien, arbeitet mit einem kleinen Team. „Mit unserem kleinen Team mussten wir mehr Zeit auf Kontakte mit unseren Partnerorganisationen verwenden, aber auch für
die Gespräche mit den Flüchtlingen selbst, um zu verstehen, welche Prioritäten wir setzen müssen“, erzählt er. „Wir erhalten auch Unterstützung von unserem Regionalbüro bei der Einschätzung der Situation,
bei der Festlegung der zentralen Prioritäten und bei der Unterstützung von Menschen in Not, unabhängig von ihrem Aufenthaltsort oder ihrer Herkunft.“
Das WHO-Länderbüro in Bulgarien arbeitet darauf hin, eine zügigere Verteilung der Medikamente in Zentren des Roten Kreuzes zu ermöglichen, und diese erfolgreiche Partnerschaft mit dem Roten Kreuz in Sofia wird auch auf andere Städte
mit hohen Flüchtlingszahlen ausgeweitet.
Unterstützung durch die Zivilgesellschaft
Die Menschen in Bulgarien haben den Flüchtlingen ihre Herzen und ihre Häuser geöffnet.
„Wenn sie in einem fremden Land sind, kennen sie weder die Sprache noch die Gesetze. Sie brauchen einfach Hilfe“, sagt Juliana Kolukina, Leiterin des Bildungs- und Integrationszentrums Ukrainian Beehive. „Wir dürfen nicht vergessen,
dass diese Menschen aus dem Krieg kommen und dass manche von ihnen alles verloren haben: Haus, Familie, Angehörige. Sie sind körperlich und emotional ausgelaugt, und viele von ihnen haben Gesundheitsprobleme verschiedenster Art.“
Sie erklärt, wie die Freiwilligen von Ukrainian Beehive die Flüchtlinge durch Sprachkurse, rechtliche Beratung und Informationen unterstützen, die ihnen die Integration und Anpassung an das Leben in einem neuen Land ermöglichen.
„Die größte Schwierigkeit besteht darin, sich im bulgarischen Gesundheitssystem zurechtzufinden. Unter den Ankömmlingen sind viele Menschen mit Behinderungen. Sie sind ohne Papiere gekommen, weil die oft in den Trümmern begraben
sind.“
Es überrascht nicht, dass die Flüchtlinge auch psychische Betreuung benötigen. Die 23-jährige Rima, die mit ihrem Freund und ihrem Hund aus Odessa floh, schildert, wie sie nach ihrer Ankunft in Bulgarien immer wegen des Lärms
von Müllfahrzeugen in Panik geriet, weil sie dachte, da sei eine Bombe explodiert. „Man fühlt sich machtlos. Man kann jeden Augenblick getötet werden, und du kannst nichts dagegen tun.“
Erweiterte medizinische und psychosoziale Betreuung
Auch wenn die Zahl der Flüchtlinge in Bulgarien seit dem Höhepunkt des Zustroms wieder gesunken ist, so arbeiten die koordinierenden Stellen doch Notfallpläne aus, um den Schutz der körperlichen und psychischen Gesundheit der ukrainischen
Flüchtlinge in den kommenden Wintermonaten zu gewährleisten. Neben der Verbesserung des Zugangs zu Medikamenten schult das Länderbüro der WHO in Bulgarien auch Menschen, die mit Flüchtlingen arbeiten, in psychosozialer Betreuung
und stellt ukrainische Muttersprachler für die Mitwirkung an einer erweiterten Beratungsstelle ein.