Das Konzept des einheitlichen Gesundheitsansatzes (One Health) ist nicht neu, doch in den letzten Jahren hat es immer mehr an Bedeutung gewonnen. Der Ansatz – bei dem der Zusammenhang zwischen der Gesundheit von Menschen, Tieren und Ökosystemen im Mittelpunkt steht – ist zukunftsweisend, da wir in der Europäischen Region der WHO eine Zunahme von Zoonosen (wie etwa COVID-19, Vogelgrippe und Mpox) beobachten. Was genau sollten wir also über den einheitlichen Gesundheitsansatz wissen? Und inwiefern unterstützt WHO/Europa die Länder in ganz Europa und Zentralasien dabei, den einheitlichen Gesundheitsansatz in die Praxis umzusetzen?
Im Folgenden werden fünf wissenswerte Dinge zum einheitlichen Gesundheitsansatz in der Europäischen Region der WHO dargelegt.
1. Die Gesundheit von Menschen, Tieren und Ökosystemen ist eng miteinander verknüpft.
Weltweit gehen sechs von zehn neu entstehenden Infektionskrankheiten beim Menschen ursprünglich auf Tiere zurück – Wild- wie auch Haustiere. In den letzten drei Jahrzehnten wurden mehr als 30 neue menschliche Erreger entdeckt, von denen 75 % ihren Ursprung in Tieren hatten.
Dieser Zusammenhang zwischen der Gesundheit von Mensch und Tier wird sich angesichts des Wachstums der menschlichen Bevölkerung und ihres Vordringens in neue Gebiete, wo sie in engerem Kontakt zu Tieren leben, nur verschärfen. Die klimatischen Veränderungen und die Landnutzung begünstigen die Ausbreitung von Zoonosen und Vektorkrankheiten. Zudem verbreiten sich Krankheiten infolge des zunehmenden weltweiten Handels und Reiseverkehrs schneller.
Der einheitliche Gesundheitsansatz erkennt diesen engen Zusammenhang zwischen Menschen, Tieren und unserer Umwelt an und liefert einen integrierten, vereinheitlichenden Ansatz, damit gesundheitliche Bedrohungen ganzheitlich angegangen werden können, wobei Experten aus verschiedenen Bereichen – von Tierärzten, Ärzten, Epidemiologen, Fachleuten für öffentliche Gesundheit bis hin zu Wildtierexperten – eng zusammenarbeiten. Dies kann wiederum zu neuen Methoden für die Surveillance und die Krankheitsbekämpfung führen.
2. Der einheitliche Gesundheitsansatz findet auf eine Reihe von Themen Anwendung – von Zoonosen über antimikrobielle Resistenzen bis hin zur Lebensmittelsicherheit.
Themen mit Bezug zum einheitlichen Gesundheitsansatz umfassen etwa:
- antimikrobielle Resistenz (AMR);
- Zoonosen, wie etwa Tollwut und Milzbrand;
- Vektorkrankheiten, darunter in erster Linie Borreliose, aber auch Dengue-Fieber, Chikungunya-Fieber und die Chagas-Krankheit; und
- Lebensmittelsicherheit und durch Lebensmittel übertragene Erkrankungen, wobei Campylobacteriose eine der häufigsten derartigen Krankheiten in der Europäischen Region darstellt.
Inwiefern hat beispielsweise AMR Bezug zum einheitlichen Gesundheitsansatz? Antibiotikaresistente Keime und Parasiten – d. h. solche, die gegen Medikamente resistent sind, die zu ihrer Bekämpfung eingesetzt werden – können sich schnell über Gesundheitseinrichtungen, Lebensmittel und die Umwelt (Boden und Wasser) ausbreiten, was die Behandlung bestimmter Infektionen bei Menschen und Tieren erschwert und das Risiko einer Ausbreitung von Krankheiten, schweren Erkrankungen und Todesfällen erhöht.
AMR wurde von der WHO zu einer der zehn größten globalen Bedrohungen für die öffentliche Gesundheit erklärt.
3. Wir müssen die Anwendung des einheitlichen Gesundheitsansatzes stärken.
Durch die Nutzung eines einheitlichen Gesundheitsansatzes waren die Länder in der Lage, erfolgreich einige Zoonosen zu bekämpfen. So führte beispielsweise die Koordination zwischen mehreren Regierungs- und Forschungsstellen mit Fachkenntnissen im Bereich der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt in den 1990er Jahren im Vereinigten Königreich zu einem Rückgang der Salmonelleninfektionen bei Menschen (die mit dem Verzehr von Geflügelprodukten in Verbindung gebracht werden).
Ein weiteres Beispiel aus jüngerer Zeit betrifft AMR, da in der gesamten Region erhebliche Anstrengungen unternommen wurden, um die ressortübergreifende Koordination zu stärken und integrierte AMR-Surveillancesysteme zu entwickeln. Rechtzeitige und konsolidierte Informationen zu AMR und dem Einsatz von antimikrobiellen Mitteln in Gemeinschaften, Gesundheitseinrichtungen, der Lebensmittelproduktion und in anderen Bereichen mit Auswirkungen auf die Umwelt tragen dazu bei, die verheerenden Auswirkungen von AMR auf die öffentliche Gesundheit, die Umwelt und die Agrar- und Nahrungsmittelsysteme zu verringern.
Doch in vielen anderen Bereichen tun sich die Länder schwer mit der Umsetzung eines ganzheitlichen Gesundheitsansatzes.
Die COVID-19-Pandemie hat die Notwendigkeit einer Stärkung des einheitlichen Gesundheitsansatzes verdeutlicht. Lücken beim Wissen rund um den einheitlichen Gesundheitsansatz, die Prävention und integrierte Ansätze wurden als wichtigste treibende Kräfte für die Pandemie angesehen, und es wurde betont, dass der Übergang zu einer besseren Surveillance und einem ganzheitlicheren, stärker integrierten Gesundheitssystem nicht warten kann. Dies hat zu einem stärkeren Engagement der Politik und zu verstärkter internationaler Unterstützung geführt, um die Bemühungen im Rahmen eines einheitlichen Gesundheitsansatzes zu verdoppeln und die globale Gesundheit zu verbessern. Das Gleiche gilt auch für die Europäische Region der WHO.
4. WHO/Europa hilft, stärkere Bündnisse für den einheitlichen Gesundheitsansatz auf der Ebene der Region, der Länder und von Kommunen aufzubauen.
Während der einheitliche Gesundheitsansatz ein weltweites Konzept ist, ist der von WHO/Europa verfolgte Ansatz auf lokaler Ebene verwurzelt, um auf die spezifischen Bedürfnisse der Länder einzugehen und stärkere Bündnisse für den einheitlichen Gesundheitsansatz auf der Ebene der Region, der Länder und von Kommunen aufzubauen.
Mit Blick auf ergriffene Maßnahmen hat WHO/Europa Workshops veranstaltet, die darauf abzielten, Wissen und Kapazitäten im Bereich der Surveillance und des Informationsaustauschs aufzubauen, die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Sektoren zu formalisieren und zu stärken und die Länder in die Lage zu versetzen, sich besser auf den Ausbruch von Zoonosen vorzubereiten und auf diese zu reagieren. Seit 2021 wurden Workshops in sieben Ländern und Gebieten veranstaltet (Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Kasachstan, dem Kosovo*, Kroatien und Rumänien), und weitere Länder (Bulgarien, Georgien und Kirgisistan) sollen 2023 und darüber hinaus von solchen Workshops profitieren.
Ferner unterstützt WHO/Europa die Länder in der Region bei der Ausarbeitung nationaler Aktionspläne für die Bekämpfung von AMR sowie bei der Bereitschaftsplanung für und Reaktion auf gesundheitliche Notlagen und entwickelt derzeit einen Fahrplan zur Bekämpfung von AMR, der auf dem Konzept des einheitlichen Gesundheitsansatzes basiert.
Darüber hinaus richtete WHO/Europa 2022 den ersten Fachlichen Beirat der WHO für einen einheitlichen Gesundheitsansatz in der Europäischen Region ein, der sich aus 22 renommierten Experten zusammensetzt und WHO/Europa strategische Ratschläge und Orientierung geben soll. Der Fachliche Beirat unterstützt gegenwärtig die Gestaltung des ersten „Operativen Rahmens für einen einheitlichen Gesundheitsansatz in der Europäischen Region der WHO“, der den Ländern als Orientierungshilfe bei der Umsetzung des einheitlichen Gesundheitsansatzes auf nationaler Ebene dienen soll.
Auf politischer Ebene arbeitet WHO/Europa mit der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO), der Weltorganisation für Tiergesundheit (WOAH) und dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) in ganz Europa und Zentralasien zusammen, um befähigendere Umfelder für die Einführung und Umsetzung des einheitlichen Gesundheitsansatzes in verschiedenen Arbeitsbereichen zu schaffen.
Mit Blick auf das vorhandene Wissen ist WHO/Europa dabei, eine Sammlung von Praktiken im Rahmen des einheitlichen Gesundheitsansatzes zu erstellen, eine Zusammenstellung der in der Region gezogenen Lehren, die den aktuellen Stand der Umsetzung eines einheitlichen Gesundheitsansatzes auf nationaler Ebene aufzeigen und den Wissensaustausch und das kollegiale Lernen fördern soll.
5. Der einheitliche Gesundheitsansatz ist heute relevanter als je zuvor.
Viele gesundheitliche Probleme, für die ein einheitlicher Gesundheitsansatz relevant wäre, sind nicht neu und werden auch in Zukunft weiter bestehen; doch mit einem „Weitermachen wie bisher“ lassen sie sich nicht lösen. Wir müssen die Art und Weise, wie wir diese gesundheitlichen Probleme angehen, von Grund auf ändern. Hierzu zählen etwa neue Rechenschaftsmechanismen, eine bessere Finanzierung, zweckbestimmte Arbeitsfelder und gestraffte Managementstrukturen.
* Alle in diesem Text enthaltenen Verweise auf das Kosovo (unabhängig davon, ob diese sich auf das Gebiet, entsprechende Einrichtungen oder die Bevölkerung beziehen) sind im Zusammenhang mit der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und in vollständigem Einklang mit dieser sowie unbeschadet des Status des Kosovo zu verstehen.