Heute ist Welt-Polio-Tag, den wir in diesem Jahr mit einem bedeutsamen Erfolg begehen – seit 20 Jahren ist die Europäische Region frei von endemischen Polio-Wildviren, seit die Region im Jahr 2002 für poliofrei erklärt wurde.Das ist wahrlich ein Erfolg, den es zu feiern gilt.
Noch im Jahr 1980 gab es fast 2700 bestätigte Polio-Fälle in den Ländern der Europäischen Region, und 18 Jahre später wurde der letzte regionsweite Fall endemischer Polio-Wildviren in der Türkei gemeldet.
Glücklicherweise ist Polio dank entsprechender Impfmaßnahmen kurz davor, der Geschichte anzugehören. Weltweit sind die Poliofälle seit den 1980er Jahren um 99% zurückgegangen. Wir stehen kurz davor, Polio auszurotten – damit wäre Poliomyelitis nach den Pocken erst die zweite Krankheit, die der Vergangenheit angehören würde.
Doch unsere Fortschritte und der poliofreie Status der Europäischen Region sind nach wie vor gefährdet. Im vergangenen Jahr waren wir in Israel, der Ukraine und dem Vereinigten Königreich mit dem Poliovirus konfrontiert, nachdem in diesen drei Ländern eine Zirkulation vakzine-abgeleiteter Polioviren bestätigt wurde.
Die Bezeichnung vakzine-abgeleitete Polioviren bezieht sich auf einen Stamm des Virus, der von einem abgeschwächten Stamm, der ursprünglich im oral verabreichten Polioimpfstoff enthalten war, mutiert ist. Solche vakzine-abgeleiteten Polioviren können sich über Impflücken in der Bevölkerung ausbreiten, weshalb die Gewährleistung einer hohen Durchimpfung in allen Bevölkerungsgruppen nach wie vor entscheidend bleibt.
Die Verbindungen zwischen den kürzlich in Ländern der Europäischen Region und in New York entdeckten vakzine-abgeleiteten Virenstämmen sowie dem vor Kurzem für beendet erklärten Polioausbruch in Tadschikistan, der durch in Afghanistan und Pakistan zirkulierende Viren ausgelöst wurde, verdeutlichen, dass bis zur endgültigen Ausrottung von Polio jedes Land weiterhin dem Risiko einer Wiedereinführung von Polio ausgesetzt ist.
Die Reaktion auf den Polioausbruch in Tadschikistan zeigte eindeutig, welch starkes Engagement vonseiten der Regierung für die Gesundheit ihrer Bevölkerung möglich ist. Ich werden in der nächsten Woche nach Tadschikistan reisen, während die Regierung ihre Anstrengungen vorantreibt, den Impfstoff gegen Pneumokokken an alle Kinder im Land auszugeben.
Angesichts der sich verändernden Reise-, Migrations- und Klimamuster in unserer immer stärker vernetzten Welt wird es umso wichtiger sicherzustellen, dass jeder überall durch Impfungen geschützt ist.
Heute, wo die Aussicht auf eine poliofreie Welt zum Greifen nah zu sein scheint, fordere ich Gesundheitsbehörden und Partner in ganz Europa und Zentralasien nachdrücklich dazu auf, die jahrzehntelangen Investitionen und die harte Arbeit, die uns so weit gebracht haben, aufrechtzuerhalten und sich weiterhin entschlossen zu zeigen, die Ziellinie zu erreichen. Das Rennen jetzt aufzugeben, wäre für uns alle ebenso wie für künftige Generationen eine Tragödie.
Die von allen 53 Mitgliedstaaten in der Europäischen Region angenommene Europäische Impfagenda 2030 gibt unseren Kurs vor, um den poliofreien Status unserer Region zu erhalten und das Ziel einer weltweiten Ausrottung von Polio zu erreichen.
Ich freue mich sehr, Jennifer Jones, Präsidentin von Rotary International, heute hier bei uns begrüßen zu dürfen. Seit Jahrzehnten beteiligt sich Rotary International unermüdlich am Kampf gegen Polio, sowohl auf nationaler als auch kommunaler Ebene weltweit. Neben der geleisteten Unterstützung zur Erreichung des poliofreien Status in der Europäischen Region hat Rotary, das seit ihrer Gründung im Jahr 1988 ein engagiertes Mitglied der Weltweiten Initiative zur Ausrottung der Kinderlähmung ist, eine entscheidende Rolle bei der Erzielung des poliofreien Status in Afrika im Jahr 2020 gespielt.
Der Kampf gegen Polio hat eindeutig gezeigt, welche Wunder Impfungen erzielen können. Doch das sollten wir nicht als selbstverständlich ansehen.
Seit nahezu drei Jahren, in denen die Gesundheitsbehörden bereits gegen die COVID-19-Pandemie ankämpfen, haben unentbehrliche Leistungen – wie etwa Polio- und andere wichtige Impfprogramme – einen hohen Preis gezahlt.
In allen Teilen der Europäischen Region der WHO ist die Durchimpfung mit der dritten Dosis des Polio-Impfstoffs zwischen 2019 und 2020 um 1% zurückgegangen. 2021 erreichten nur 25 der 53 Länder unserer Region die von der WHO empfohlene Durchimpfungsrate von mindestens 95% bei Polio-Impfungen.
Lassen Sie mich nun noch auf das Thema COVID-19 eingehen. Bislang hat unsere Region über 260 Millionen Fälle und 2,1 Millionen Todesfälle verzeichnet, und wir haben über 1,6 Milliarden Impfdosen ausgegeben.
In der vergangenen Woche war es 1000 Tage her, seit in der Europäischen Region die ersten COVID-19-Fälle gemeldet wurden. Wir stehen nun unserem dritten Pandemie-Winter bevor, doch wir sind auch besser ausgestattet als je zuvor.
Wie vorhergesagt hat mit Beginn des Herbstes ein rasanter Anstieg der Fallzahlen seit Anfang September zu einer Verdreifachung der regionsweiten Fallzahlen geführt. In der zweiten Oktoberwoche entfielen auf die Europäische Region fast 60% aller neuen weltweiten Fälle und 42% aller neuen weltweiten Todesfälle. Doch dieser plötzliche Anstieg hat bisher weder zu dem vorherigen Ausmaß an schweren Krankheitsverläufen – mit einem jeweils nur leichten Anstieg bei der Zahl der Todesfälle und der Einweisungen auf Intensivstationen – noch zu den zuvor beobachteten verheerenden Auswirkungen auf das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben geführt.
Es ist jedoch jetzt nicht die Zeit, sich zurückzulehnen. Im vergangenen Monat haben wir zudem einen frühzeitigen Anstieg der saisonalen Grippefälle verzeichnet, was nun zu einem Anstieg der Zahl der Krankenhauseinweisungen mit schweren akuten Atemwegsinfektionen führt.
Angesichts der Ko-Zirkulation von COVID-19 und saisonaler Grippe ist die Gesundheit besonders gefährdeter Gruppen – darunter ältere Menschen, Menschen mit Immunschwäche, Schwangere und Neugeborene – einem besonders großen Risiko ausgesetzt.
Wir müssen nach wie vor unser Bestmögliches tun, um Infektionen zu verhindern, gefährdete Menschen zu schützen und unsere Gesundheitssysteme auf den Umgang mit Bedrohungen an mehreren Fronten vorzubereiten.
Impfmaßnahmen gehören weiterhin zu unseren wirksamsten Instrumenten, sowohl gegen die Grippe als auch gegen COVID-19, und ich fordere daher jeden, für den eine Impfung in Frage kommt, dazu auf, sich so schnell wie möglich gegen die Grippe impfen und sich eine Auffrischimpfung gegen COVID-19 verabreichen zu lassen.
Impfstoffe sind sicher und sie wirken. Für Polio wie auch für COVID-19 und die Grippe gilt: Impfungen können Leben retten – und tun dies auch. Zu den weiteren wichtigsten politischen Maßnahmen gegen COVID-19 zählen eine anhaltende Surveillance und die Sicherstellung des Zugangs zu antiviralen Mitteln für gefährdete Bevölkerungsgruppen.
Lassen Sie uns am heutigen Welt-Polio-Tag all unsere insgesamt erzielten Impferfolge feiern, und uns dazu bekennen, unseren diesbezüglichen Kurs auch in Zukunft zu halten.
Wir werden in Kürze Ihre Fragen beantworten, aber zunächst möchte ich Jennifer Jones, der Präsidentin von Rotary International, das Wort erteilen.
Jennifer, Sie haben das Wort.

