Kopenhagen, 27. März 2024
Heute veröffentlicht WHO/Europa den zweiten Band der Studie über das Gesundheitsverhalten von Kindern im schulpflichtigen Alter (HBSC-Studie), dessen Schwerpunkt auf verschiedenen Formen von Mobbing und Gewalt unter gleichaltrigen Jugendlichen in 44 Ländern und Regionen liegt.
Während die Trends beim Mobbing in der Schule insgesamt seit 2018 stabil geblieben sind, hat das Cyber-Mobbing zugenommen und wird durch die zunehmende Digitalisierung der Interaktionen junger Menschen verstärkt – mit potenziell tiefgreifenden Auswirkungen auf das Leben junger Menschen.
Zu den wichtigsten Erkenntnissen der Studie zählen:
- Mobbing gegen andere in der Schule: Im Durchschnitt beteiligen sich 6 % der Jugendlichen an Mobbing gegen andere in der Schule. Solche Verhaltensweisen sind unter Jungen (8 %) häufiger als unter Mädchen (5 %).
- Von Mobbing in der Schule betroffen: Etwa 11 % der Jugendlichen waren in der Schule von Mobbing betroffen; hier gibt es keinen nennenswerten Unterschied zwischen Jungen und Mädchen.
- Cyber-Mobbing gegen andere: Etwa 12 % der Jugendlichen (jeder Achte) gaben an, Cyber-Mobbing gegen andere begangen zu haben. Jungen (14 %) berichten häufiger von Cyber-Mobbing als Mädchen (9 %). Dies spiegelt insbesondere einen Anstieg gegenüber 2018 wider, als der Anteil der Jungen bei 11 % und der der Mädchen bei 7 % lag.
- Von Cyber-Mobbing betroffen: 15 % der Jugendlichen (etwa jeder Sechste) haben Cyber-Mobbing erlebt, wobei die Quoten zwischen Jungen (15 %) und Mädchen (16 %) sehr ähnlich sind. Dies entspricht einem Anstieg gegenüber 2018 von 12 % auf 15 % bei Jungen und von 13 % auf 16 % bei Mädchen.
- Körperliche Auseinandersetzungen: Etwa ein Zehntel der Jugendlichen waren an körperlichen Auseinandersetzungen beteiligt, wobei es hier einen deutlichen Unterschied zwischen den Geschlechtern gibt: 14 % der Jungen gegenüber 6 % der Mädchen.
Geschlechtsspezifische Trends und Lösungen
Die Ergebnisse verdeutlichen geschlechtsspezifische Unterschiede beim Mobbing-Verhalten. So neigen Jungen eher zu Aggressionen und körperlichen Auseinandersetzungen, was die dringende Notwendigkeit von Maßnahmen zur Emotionsregulierung sowie von positiven sozialen Interaktionen unterstreicht. Umgekehrt erfordert die Zunahme von Mobbing unter Mädchen, insbesondere durch Cyber-Mobbing, gezielte geschlechtsspezifische Lösungen, die digitale Sicherheit, Empathie und eine integrative Schulkultur fördern.
Cyber-Mobbing: ein wachsendes Problem
Cyber-Mobbing stellt die Jugendlichen vor besondere Probleme, die über die Schultore hinaus in die vermeintliche Sicherheit ihres Zuhauses und Privatlebens reichen. Die neuesten Daten für den Zeitraum 2018 bis 2022 zeigen einen besorgniserregenden Anstieg von Cyber-Mobbing, wobei der Anteil der Jungen, die andere im Internet mobben, von 11 % auf 14 % und der Anteil der Mädchen von 7 % auf 9 % gestiegen ist. Ebenso sind die Berichte über eigene Erfahrungen mit Cyber-Mobbing bei Jungen von 12 % auf 15 % und bei Mädchen von 13 % auf 16 % angestiegen. Angesichts der Tatsache, dass Jugendliche immer mehr Zeit im Internet verbringen, verdeutlichen diese Zahlen, wie dringend notwendig es ist, dass Pädagogen, Eltern, Kommunalpolitiker und andere Entscheidungsträger Maßnahmen zur Förderung der digitalen Kompetenz und Sicherheit ergreifen.
Die Koordinatorin der HBSC-Studie, Dr. Joanna Inchley, unterstrich: „Die digitale Welt bietet zwar unglaubliche Möglichkeiten zum Lernen und zur Vernetzung, aber sie verstärkt auch Probleme wie Cyber-Mobbing. Dies erfordert umfassende Strategien zum Schutz des psychischen und emotionalen Wohlbefindens unserer jungen Menschen. Für Regierungen, Schulen und Familien kommt es nun entscheidend darauf an, bei der Bewältigung von Online-Risiken zusammenzuarbeiten und dafür zu sorgen, dass Jugendliche ein sicheres und unterstützendes Umfeld für die eigene Entfaltung haben.“
„Dieser Bericht ist ein Weckruf für uns alle, Mobbing und Gewalt zu bekämpfen, wann und wo immer sie passieren“, erklärte Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa. „Wenn junge Menschen täglich bis zu sechs Stunden online verbringen, können schon kleine Veränderungen in der Häufigkeit von Mobbing und Gewalt tiefgreifende Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden von Tausenden Menschen haben. Von Selbstverletzung bis hin zu Suizid erleben wir, wie Cyber-Mobbing in all seinen Formen das Leben junger Menschen und ihrer Familien zerstören kann. Das ist sowohl eine Gesundheits- als auch eine Menschenrechtsfrage, und wir müssen uns stärker dafür einsetzen, unsere Kinder vor Gewalt und Schaden zu bewahren – online wie offline.“
Zu diesem Zweck hat WHO/Europa vor Kurzem ein erstes Positionspapier über den Schutz von Kindern vor Online-Schäden veröffentlicht. Es soll Regierungen dabei unterstützen, von den Technologiekonzernen konsequente Anstrengungen zur Schaffung gesunder Online-Umgebungen zu verlangen, in denen sich die Kinder entfalten können.
Mobilisierung von maßgeblichen Akteuren für evidenzbasierte Interventionen
Die Ergebnisse der HBSC-Studie unterstreichen die Komplexität von Mobbing und Gewalt durch gleichaltrige Jugendliche, aber auch, in welchem Maße gesellschaftliche, kulturelle und technologische Faktoren solche Verhaltensweisen prägen. Mit seinem detaillierten Überblick über aktuelle Trends und Herausforderungen bietet der Bericht den Akteuren auf allen Ebenen eine wertvolle Orientierungshilfe bei ihren Bemühungen, Gesundheit und Wohlbefinden junger Menschen in Europa, Zentralasien und Kanada zu verbessern.
„Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass jeder junge Mensch in einer Umgebung gedeihen kann, die seiner Gesundheit und Entwicklung zuträglich ist“, erklärte Dr. Joanna Inchley. „Wir brauchen schnelle, umfassende und evidenzbasierte Interventionen, die alle Ebenen der Gesellschaft einbeziehen, aber auch politische Maßnahmen und Programme, die unter Jugendlichen Empathie, Respekt und Resilienz fördern. Das ist das Entscheidende.“
Investitionen in evidenzbasierte Maßnahmen zur Bekämpfung von Mobbing und Gewalt unter Gleichaltrigen fördern nicht nur das Wohlbefinden von Jugendlichen, sondern bringen auch einen breiteren gesellschaftlichen Nutzen, etwa durch geringere Gesundheitskosten in Verbindung mit psychischen Problemen und auch durch höheren Schulerfolg.
Die Studie zum Gesundheitsverhalten von Kindern im schulpflichtigen Alter
Dieser umfassende internationale Bericht stützt sich auf Daten von rund 279 000 Jugendlichen im Alter von 11, 13 und 15 Jahren aus insgesamt 44 Ländern und Regionen. Sein zweiter Band liefert wichtige Einblicke in den Themenkomplex Mobbing, Cyber-Mobbing und körperliche Gewalt. Die HBSC-Studie ist eine länderübergreifende Studie, die in Zusammenarbeit mit WHO/Europa durchgeführt wird. Die alle vier Jahre durchgeführte Untersuchung soll Einblicke über Gesundheit und Wohlbefinden von Jugendlichen und über ihr soziales Umfeld geben und Informationen für Politik und Praxis liefern, um das Leben junger Menschen zu verbessern. Die neueste Studie beinhaltet enorm wertvolle Informationen über Gesundheit und Gesundheitsverhalten von Jugendlichen im Alter von 11, 13 und 15 Jahren.
Weitere Auskünfte erteilt:
Bhanu Bhatnagar, Referent für Presse- und Medienbeziehungen bei WHO/Europa
Joseph Hancock, Beauftragter für wissenschaftliche Öffentlichkeitsarbeit zur HBSC-Studie