Kopenhagen, 27. Juni 2025
Nichtübertragbare Krankheiten sind weltweit (auch in der Europäischen Region der WHO) nach wie vor die führende Ursache von Tod und Behinderung. Jeder fünfte Mann und jede zehnte Frau stirbt hier vor dem 70. Lebensjahr an den Folgen von nichtübertragbaren Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, chronischen Atemwegserkrankungen und Diabetes.
Jedes Jahr gibt es in der Region 1,8 Mio. vermeidbare Todesfälle aufgrund nichtübertragbarer Krankheiten, die entweder durch wirksame Maßnahmen des öffentlichen Gesundheitswesens verhindert werden könnten oder bei rechtzeitigem Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung behandelbar wären.
Von diesen vermeidbaren Todesfällen aufgrund nichtübertragbarer Krankheiten sind 60 % auf vermeidbare Ursachen wie Tabak- und Alkoholkonsum, Bluthochdruck, ungesunde Ernährung, Adipositas und Bewegungsmangel zurückzuführen, die alle durch eine stärkere Gesundheitspolitik bekämpft werden können. Die restlichen 40 % sind auf behandelbare Ursachen zurückzuführen, bei denen der Tod bei rechtzeitiger Diagnose und Zugang zu einer hochwertigen Versorgung verhindert oder hinausgezögert werden könnte.
Der neue Bericht von WHO/Europa mit dem Titel „Vermeidbare Sterblichkeit, Risikofaktoren und Konzepte zur Bekämpfung von nichtübertragbaren Krankheiten: gezielte Nutzung von Daten für mehr Wirkung“ warnt, dass die Fortschritte bei der Verringerung der vorzeitigen Sterblichkeit aufgrund nichtübertragbarer Krankheiten durch die COVID-19-Pandemie zunichtegemacht wurden. Infolgedessen ist die Region mit Blick auf die Verwirklichung der globalen Zielvorgaben für nichtübertragbare Krankheiten bis 2025 und 2030 vom Kurs abgekommen.
„Nichtübertragbare Krankheiten sind nicht nur vermeidbar oder behandelbar, sie werden auch weitgehend ignoriert. Aber die Wahrheit ist: wenn nichtübertragbare Krankheiten ein Virus wären, wäre die Welt im Lockdown“, sagt Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa.
„Unsere Erkenntnisse zeigen, dass jedes Jahr fast 2 Mio. Todesfälle durch eine bessere Prävention oder Behandlung verhindert werden können, während gleichzeitig Milliarden von Dollar an Gesundheitskosten eingespart würden. Die Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten durch mutige Präventionskonzepte ist eine politische Entscheidung. Die hohe Belastung durch nichtübertragbare Krankheiten in unserer Gesellschaft ist nicht unvermeidlich. Wir haben die Macht und die Mittel, die Dinge zu ändern.“
Untätigkeit ist kostspielig
Vermeidbare Todesfälle aufgrund nichtübertragbarer Krankheiten fordern nach wie vor einen verheerenden Tribut, sowohl in Form verlorener Menschenleben als auch in Form von wirtschaftlichen Auswirkungen. In der Region werden die Produktivitätsverluste aufgrund dieser Todesfälle auf über 514,5 Mrd. US-$ pro Jahr geschätzt. Doch trotz eindeutiger Evidenz für eine hohe Investitionsrentabilität sind die Mittel für die Prävention nichtübertragbarer Krankheiten nach wie vor völlig unzureichend.
Zwar haben sich die Unterschiede zwischen den Ländern seit 2010 verringert, doch bestehen nach wie vor große Ungleichheiten. Vermeidbare Risikofaktoren – u. a. Tabakkonsum, Adipositas, Bluthochdruck und Diabetes – nehmen zu und konzentrieren sich zunehmend auf den östlichen Teil der Region. Gleichzeitig sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen und vermeidbare Todesfälle aufgrund von Krebs bei Männern weiterhin unverhältnismäßig hoch.
Fortschritt ist möglich
Trotz der enormen Herausforderungen, die nichtübertragbare Krankheiten mit sich bringen, gibt der Bericht Anlass zu Optimismus. Zehn Länder in der Region haben die Zielvorgabe einer Verringerung der vorzeitigen Sterblichkeit aufgrund der vier häufigsten nichtübertragbaren Krankheiten um 25 % bis 2025 bei Frauen wie auch Männern bereits erreicht.
Diese 10 Länder – Belgien, Dänemark, Estland, Israel, Kasachstan, Luxemburg, die Niederlande (Königreich der), Norwegen, Schweden und die Schweiz – teilen wichtige Merkmale:
- sie haben umfassende Pakete der vielversprechendsten Optionen der WHO („Best-Buys“) – bewährte, kosteneffiziente Maßnahmen zur Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten – umgesetzt; und
- sie haben die Prävalenz multipler Risikofaktoren reduziert und die Reaktion ihrer Gesundheitssysteme gestärkt, was zu einem jährlichen Rückgang der vermeidbaren und behandelbaren Sterblichkeit aufgrund nichtübertragbarer Krankheiten um über 2 % geführt hat, insbesondere bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs.
Der Bericht zeigt, dass weitere 26 Länder das Ziel einer Verringerung um 25 % noch erreichen können, wenn sie ihre Investitionen in die Prävention und Behandlung nichtübertragbarer Krankheiten aufrechterhalten und intensivieren.
„Eine gesündere Zukunft von morgen erfordert schon heute mutiges Handeln. Die Länder in der Europäischen Region der WHO können ihre Zielvorgaben für 2030 verwirklichen. Die bevorstehende vierte Tagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen auf hoher Ebene zum Thema nichtübertragbare Krankheiten ist ein entscheidender Moment, um sich erneut zur Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten zu verpflichten“, erklärte Dr. Gauden Galea, strategischer Berater der Sonderinitiative für nichtübertragbare Krankheiten und Innovation des Regionaldirektors.
„Dieser Bericht bietet einen klaren, datengestützten Fahrplan für Maßnahmen – und stellt einen Weckruf dar, den wir nicht ignorieren dürfen.“
Daten für mehr Wirkung: der Weg in die Zukunft
Eine wirksame Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten ist nicht nur gut für die öffentliche Gesundheit, sondern auch für unsere Gesellschaft und unsere Volkswirtschaften. Die Verringerung vermeidbarer Todesfälle und Krankheiten aufgrund nichtübertragbarer Krankheiten kann die Wettbewerbsfähigkeit der Länder stärken, indem sie den Menschen zu einem längeren und gesünderen Leben verhilft, sie in die Lage versetzt, einen sinnvollen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten, und die gesundheitsbezogenen Kosten senkt.
Um verlorenen Boden gutzumachen und Fortschritte zu beschleunigen, fordert der Bericht die Länder eindringlich auf, sich ehrgeizige, aber erreichbare Ziele zu setzen und die Datenerfassung zu verstärken, um Fortschritte zu verfolgen und die Rechenschaftslegung zu verbessern. Prävention und Behandlung müssen Hand in Hand gehen, unterstützt durch koordinierte, ressortübergreifende Maßnahmen. Das bedeutet, gemeinsame Handlungskonzepte zu entwickeln, die an den sozialen, ökologischen, wirtschaftlichen und digitalen Faktoren ansetzen, die unsere Gesundheit beeinflussen und unser langfristiges Wohlbefinden fördern.
Die zentralen Empfehlungen des Berichts lauten wie folgt:
- Verringerung der Exposition gegenüber Risikofaktoren und Stärkung der Reaktion der Gesundheitssysteme auf nichtübertragbare Krankheiten, einschließlich eines besseren Zugangs zu Früherkennung und hochwertiger Behandlung, insbesondere in unterversorgten Gemeinschaften.
- Beschleunigung der Fortschritte durch die Umsetzung von NCD-Quick-Buys [dt. schnelle Erfolgsrezepte im Bereich nichtübertragbare Krankheiten] – Maßnahmen, die in weniger als 5 Jahren messbare Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit zeigen.
- Stärkung der ressortübergreifenden Zusammenarbeit, um Ursachen außerhalb des Gesundheitswesens zu bekämpfen.
- Gezielte Nutzung von Daten für mehr Wirkung: Investition in eine hochwertige Surveillance und Überwachung von nichtübertragbaren Krankheiten und deren wirksame Nutzung für Politikgestaltung und -bewertung.
- Einbeziehung der Prävention und Behandlung nichtübertragbarer Krankheiten in die nationalen Notfallpläne.