Während jedes Seuchenausbruchs – und die aktuelle Notlage aufgrund der Affenpocken bildet hier keine Ausnahme – spielen die Medien eine entscheidende Rolle bei der Kommunikation von Gesundheitsrisiken und von möglichen Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung. Dies gibt den Menschen – und insbesondere den am stärksten gefährdeten Gruppen – die Chance, mündige Entscheidungen zum Schutz der eigenen Gesundheit zu treffen.
Sechs Monate nach den ersten Fällen von Affenpocken in der Europäischen Region der WHO haben wir mit zwei Journalisten gesprochen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, mit ihren Podcasts, Artikeln und Recherchen die Probleme in Verbindung mit dem Ausbruch der Affenpocken für Tausende von Menschen verständlich zu machen. Sie haben Plattformen geschaffen, auf denen Menschen, die sich von den Affenpocken erholen, Unterstützung finden, Wissenschaftler Informationen über die Entwicklung der Lage bereitstellen und alle Mitglieder der Gesellschaft ihre Stimme erheben können.
Der Komiker Martin Joseph ist auch Moderator und Produzent des Podcasts What the Pox?. Er lebt in London und startete den Podcast, nachdem er sich selbst mit den Affenpocken infiziert hatte. „Als ich ganz allein zuhause war, mit allen möglichen Schmerzen, und mit der Angst und Einsamkeit, hatte ich sehr wenig Informationen, also habe ich mir im Netz welche gesucht. What the Pox? sorgt für die Informationen und die Unterstützung, die ich mir gewünscht hätte, als ich die Affenpocken hatte.“
Der weltweit renommierte Journalist Kai Kupferschmidt ist in Berlin ansässig und Korrespondent des Science Magazine, einer der weltweit führenden wissenschaftlichen Fachzeitschriften. Er schreibt über eine Vielzahl von Themen, hauptsächlich aber über Infektionskrankheiten. „Es ist eine wirklich interessante Thematik, weil da ständig etwas in Bewegung ist und weil sie wichtig ist“, sagt er.
Ungewissheit kommunizieren
Obwohl die ersten Fälle von Affenpocken beim Menschen schon vor über 50 Jahren gemeldet wurden, gab es zu Beginn des aktuellen Ausbruchs in Europa viele Unbekannte in Bezug auf die Ausbreitung des Virus, die wichtigsten Risikogruppen, die Symptomatik und die wirksamsten Präventionsstrategien.
„Die Informationen, die ich fand, deckten sich nicht wirklich mit dem Erscheinungsbild des Virus“, erzählt Martin. „Ich sah Bilder von Menschen, die am ganzen Körper mit Blasen bedeckt waren, doch meine Erfahrung war eine ganz andere.“
Kai sagt: „Wenn man über Infektionskrankheiten schreibt, ist da am Anfang immer ein Element der Ungewissheit. Außerdem wird man mit den Ängsten der Menschen konfrontiert. Sie wollen wissen, wie groß die Gefahr ist, aber am Anfang ist es sehr schwierig, ihnen aussagekräftige Antworten zu geben. Also sagt man oft: es sieht so und so aus, aber genau wissen wir das auch nicht.“
„In What the Pox? legten wir ganz offen auf den Tisch, was wir wissen und was nicht“, sagt Martin, „aber Information ist so wichtig, um den Leuten etwas Sicherheit zu geben. Da hat man dann wenigstens etwas Gewissheit, auch wenn die Fakten erschreckend sind.“
Veränderungen im Sprachgebrauch
Sowohl Martin als auch Kai sind schwule Männer, die über ein Virus schreiben, das bei diesem Ausbruch hauptsächlich Männer mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten traf, insbesondere solche mit wechselnden Sexualpartnern. Deshalb war eine klare Kommunikation darüber, wie bestimmte sexuelle Verhaltensweisen diese Gruppe besonders anfällig für das Virus machen, unbedingt notwendig; ebenso wichtig war es aber, Stigmatisierung oder das Bedienen von falschen Vorstellungen oder Vorurteilen zu vermeiden.
Kai erzählt, dass manche Experten nicht bereit waren, Interviews zu geben, weil es ihnen schwerfiel, über Sexualverhalten zu sprechen, und sie Angst hatten, der Diskriminierung beschuldigt zu werden. „Solche Entscheidungen sind verständlich, aber ich glaube, da ist immer noch ein Restunbehagen, darüber zu sprechen, das letztendlich von einer gewissen Homophobie herrührt.“
„Es ist schwierig, über Sex zu sprechen“, fügt er hinzu. „Es ist schwierig, über Sexualverhalten zu sprechen. Ich finde, da muss man einfach durch, auch wenn es unangenehm ist. Ich glaube, dass kleine sprachliche Kniffe manchmal einen großen Unterschied bewirken. Ich habe ein paar Sätze nachträglich geändert, weil mir klar wurde, dass die Krankheit nicht von schwulen Männern verbreitet wird, sondern sich unter ihnen ausbreitet. Sie sind eben die anfälligste Gruppe.“
Martin ärgert sich über Formulierungen, die implizit Schwulen und Männern mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten die Schuld geben:
„Ich habe das Gefühl, da ist etwas an unserer Türschwelle gelandet, und wir haben saubergemacht. Wir haben die harte Arbeit erledigt. Dass die Zahlen jetzt rückläufig sind, ist eindeutig den großartigen Angeboten im Bereich Sexualgesundheit und der Arbeit von Organisationen wie der WHO zu verdanken, aber auch der Tatsache, dass wir uns vier Stunden lang für Impfungen angestellt haben, dass wir einander geholfen haben und dass die Leute ihr Sexualverhalten geändert und in aller Offenheit über Sex gesprochen haben.“
Vertrauenswürdige Stimmen
In Martins zehnteiligem Podcast What the Pox? werden einige der durch den Ausbruch der Affenpocken aufgeworfenen Probleme untersucht, etwa durch Interviews mit Patienten und mit Experten wie Dr. Richard Pebody, Leiter des Teams für hochgefährliche Erreger beim WHO-Regionalbüro für Europa. Doch auch Martins eigene Erfahrungen mit den Affenpocken fließen immer wieder ein. Obwohl er ursprünglich einen anonymen Beitrag geplant hatte, fühlte er sich durch die Erfahrungen anderer Menschen so bestärkt, dass er beschloss, seine Geschichte mit Zuhörern zu teilen, von denen viele sich mit Symptomen der Affenpocken in häuslicher Isolation befanden. „Wenn man die persönlichen Geschichten von anderen Menschen hört, dann gibt das einem was“, sagt er.
Zu Kais Publikum dagegen gehören viele Forscher und Gesundheitswissenschaftler. Er beruft sich in seinen Artikeln vor allem auf Personen, die sich schon vor diesem Ausbruch mit Affenpocken beschäftigt haben und die jetzt zu diesem Thema veröffentlichen, aber auch auf Mitarbeiter von internationalen Organisationen wie der WHO, die ihm einen größeren Überblick geben können.
Er sieht das Überhandnehmen von Informationen im Internet in Verbindung mit einem schwindenden Vertrauen in die Gesundheitsbehörden infolge der Pandemie als große Herausforderungen, die es im Interesse einer nuancierten, evidenzbasierten Aufklärung der Öffentlichkeit in den kommenden Jahren zu bewältigen gilt.
„Letztendlich geht es um das Vertrauen der Bevölkerung in die Gesundheitsbehörden und in die Journalisten bestimmter Medien, und ich glaube, wir haben das auf eigene Gefahr verdrängt. Ich habe keine einfachen Antworten. Es ist eine schwierige Aufgabe, dieses Vertrauen aufzubauen, aber letztlich müssen wir wohl genau das tun“, stellt er fest.
Eine vernetzte Welt
Trotz des erfreulichen Rückgangs der Fallzahlen der Affenpocken in der Europäischen Region ist Kai überzeugt: Mit Blick auf die weitere Strategie gegen die Affenpocken müssen wir zunächst klären, ob der Rückgang auf eine erhöhte Immunität in den sexuell aktivsten Gruppen und ihrem Umfeld oder auf Verhaltensänderungen zurückzuführen ist. Er gibt zu bedenken, dass eine vollständige Beendigung des Ausbruchs trotzdem noch schwierig sein könnte:
„Diese letzten Fälle sind immer am schwersten zu verhindern, denn das sind die Leute, die wir mit unseren Informationen bisher vielleicht nicht erreicht haben. Diese Menschen stehen manchmal vor enormen Hindernissen beim Zugang zu Gesundheitsversorgung oder Gesundheitsinformationen. Das können Menschen in Ländern sein, in denen Sex unter Schwulen strafbar ist und sie deshalb stigmatisiert sind. Sie haben oft Angst vor der Diagnose, wenn das eine Zeit der Isolation bedeutet, die für sie nicht möglich ist oder die dazu führen würde, dass sie geoutet werden.
Martin wünscht sich weltweit verstärkt Impfstoffspenden und Ressourcenaustausch sowie bessere Gesundheitsangebote für die LGBTQIA+ Community (Schwule, Lesben, bi-, trans- und intersexuelle, queere und asexuelle Personen). Er ruft auch zu verstärktem Handeln gegen Homophobie auf, die er als Barriere für die Reduzierung der Mensch-zu-Mensch-Übertragung und für die Eliminierung der Affenpocken in der Europäischen Region sieht. Auch Kai befürwortet einen globalen Ansatz, der die Beseitigung von Benachteiligungen in der Gesundheitsversorgung und eine stärkere Berücksichtigung der Schnittstellen zwischen Gesundheit und Handel sowie unserer Interaktionen mit der natürlichen Umwelt beinhaltet:
„Als Journalist sehe ich es als meine Aufgabe an, die Punkte miteinander zu verbinden und den Menschen nicht nur zu erklären, wie es diesmal bei den Affenpocken abläuft, sondern auch, was das für die Zukunft bedeutet, mit Blick auf andere Krankheiten. Ich versuche, den Menschen zu erklären, dass das, was sie erleben, damit zu tun hat, wie wir die Welt geschaffen haben. Das ist für mich die zentrale Mission – den Menschen begreiflich zu machen, wie wir alle miteinander verbunden sind und wie sich das jetzt auf sie auswirkt.“
Seit Beginn des Ausbruchs der Affenpocken in der Europäischen Region steht WHO/Europa nicht nur in partnerschaftlichem Austausch mit den Medien und mit Gesundheitsexperten in den Ländern und in der Region, sondern auch im Kontakt mit Verbänden von Männern mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten und mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sie unterstützen und repräsentieren, denn ihre Sachkenntnis und ihr Engagement sind im Hinblick auf die Bekämpfung und Eliminierung der Affenpocken unverzichtbar. Diese Zusammenarbeit hat dazu beigetragen, im Sommer 2022 und danach wesentliche Informationen über eine Vielzahl von Kanälen und Plattformen zu verbreiten.