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In Rumänien sind ruinöse Gesundheitsausgaben im Wesentlichen auf Zahlungen aus eigener Tasche für ambulant verschriebene Arzneimittel zurückzuführen.
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Hohe Zahlungen aus eigener Tasche für Gesundheitsleistungen beeinträchtigen Fortschritte bei der Verwirklichung einer allgemeinen Gesundheitsversorgung in Rumänien

29 August 2022
News release
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Rumänien weist im Vergleich zu anderen Ländern der Europäischen Union (EU) eine hohe Inzidenz ruinöser Gesundheitsausgaben auf; so lautet das Fazit eines neuen Berichts von WHO/Europa. Aus dem Bericht geht auch hervor, dass 2015 jeder achte Haushalt Zahlungen aus eigener Tasche leisten musste, die seine Zahlungsfähigkeit für Gesundheitsausgaben um mindestens 40% überstiegen. Ruinöse Gesundheitsausgaben führen dazu, dass sich ein Haushalt andere Grundbedürfnisse wie Nahrungsmittel, Wohnung und Strom nicht länger leisten kann.

Der vom WHO-Büro Barcelona zur Finanzierung der Gesundheitssysteme erstellte Bericht ist die erste umfassende Untersuchung zur finanziellen Absicherung (definiert als der bezahlbare Zugang zur Gesundheitsversorgung) in Rumänien. Die Analyse zeigt, dass von ruinösen Gesundheitsausgaben vor allem die einkommensschwächsten 40% der Haushalte, aber auch ältere Menschen betroffen sind. Sie sind hauptsächlich durch Zahlungen aus eigener Tasche für ambulant verschriebene Medikamente bedingt; auf den nächsten Plätzen folgen die zahnärztliche und die ambulante Versorgung. 

Zwischen 2010 und 2015 stieg die Inzidenz ruinöser Gesundheitsausgaben, insbesondere in einkommensschwachen Haushalten. Auch wenn sich der Zugang zur Gesundheitsversorgung in diesem Zeitraum verbessert hat, so liegen die Raten für den ungedeckten Bedarf an Gesundheitsleistungen und speziell der zahnärztlichen Versorgung in Rumänien doch weiterhin deutlich über dem EU-Durchschnitt.

Lücken in der Gesundheitsversorgung

Dank in den letzten Jahren eingeführter Reformen wurde der Leistungsumfang des Staatlichen Krankenversicherungsfonds in Rumänien ausgeweitet, und die staatlichen Ausgaben für Gesundheit erhöhten sich insgesamt.

Trotz dieser positiven Entwicklungen verweist der Bericht auch auf fortbestehende Lücken in der Gesundheitsversorgung. 
  • 12% der Bevölkerung sind nicht versichert und haben nur zu wenigen staatlich finanzierten Gesundheitsleistungen Zugang. Um Zugang zu Leistungen der staatlichen Krankenversicherung zu erhalten, müssen die Bürger Versicherungsbeiträge zahlen, was sich manche einkommensschwache Personen nicht leisten können.
  • Es gibt keine Ausnahmen von Nutzergebühren (Zuzahlungen) für verschriebene Arzneimittel speziell für einkommensschwache Bürger und auch keine generelle Obergrenze für Zuzahlungen. Auch Saldoabrechnungen und zusätzliche Rechnungen von Leistungsanbietern sind problematisch und gefährden die Transparenz.
  • Der Zugang zur zahnärztlichen Versorgung ist aufgrund von Haushaltsengpässen begrenzt.
Weitere Faktoren, die zu finanziellen Härten und Versorgungslücken führen, sind:
  • informelle Zahlungen an Gesundheitspersonal und für Arzneimittel und Hilfsgüter, insbesondere in der stationären Versorgung;
  • Probleme mit der Qualität der Leistungen und einer veralteten Infrastruktur in staatlichen Krankenhäusern; und
  • ein Mangel an Gesundheitseinrichtungen und Gesundheitsfachkräften in ländlichen Gebieten.

Den Zugang zur Gesundheitsversorgung für alle Menschen erschwinglich machen

Der neue Bericht enthält eine Reihe von Grundsatzempfehlungen zur Verbesserung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung und der finanziellen Absicherung in Rumänien. Darin wird auf die Notwendigkeit hingewiesen:
  • sicherzustellen, dass die gesamte Bevölkerung von der staatlichen Krankenversicherung erfasst ist und Zugang zu demselben Leistungspaket hat;
  • einkommensschwache Haushalte systematisch von Zuzahlungen zu befreien und eine einkommensabhängige Obergrenze für alle Zuzahlungen einzuführen;
  • die Fähigkeit von Leistungsanbietern zur Berechnung zusätzlicher Nutzergebühren, etwa durch Saldoabrechnungen, zu begrenzen;
  • weiterhin an der Verbesserung der Beschaffung von (insbesondere rezeptfreien) Arzneimitteln in der staatlichen Krankenversicherung zu arbeiten;
  • bei zahnärztlichen Leistungen den Versicherungsschutz und den Einkauf zu stärken und den hohen ungedeckten Bedarf in den einkommensschwächsten Haushalten abzubauen; 
  • informelle Zahlungen zu unterbinden, beginnend mit wirksameren Kontrollen; und 
  • diese Veränderungen mit erhöhten staatlichen Investitionen ins Gesundheitssystem zu unterstützen; im Vergleich zum EU-Durchschnitt sind die staatlichen Gesundheitsausgaben in Rumänien immer noch niedrig: 2019 machten sie 4,6% des BIP aus, während der EU-weite Durchschnitt bei 6% lag.

WHO unterstützt die Länder bei der allmählichen Verwirklichung einer allgemeinen Gesundheitsversorgung

Die finanzielle Absicherung ist ein zentrales Element einer allgemeinen Gesundheitsversorgung, die wiederum im Mittelpunkt des Europäischen Arbeitsprogramms, des strategischen Handlungsrahmens von WHO/Europa, steht. Über das WHO-Büro Barcelona zur Finanzierung der Gesundheitssysteme überwacht WHO/Europa die finanzielle Absicherung in über 40 Ländern. 

Finanzielle Absicherung ist auch ein Indikator der Ziele für nachhaltige Entwicklung und Teil der Europäischen Säule sozialer Rechte. Darüber hinaus leistet das Büro in Barcelona maßgeschneiderte fachliche Hilfe für die Länder, um durch Identifizierung und Beseitigung von Versorgungslücken den ungedeckten Bedarf und finanzielle Härten zu verringern.