Ein steiniger Weg: Georgiens Kampf für eine tabakfreie Zukunft

30 May 2022
News release
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In einem neuen Video, das vor Kurzem von WHO/Europa veröffentlicht wurde, wird der lange Kampf geschildert, den Gesundheitsexperten, zivilgesellschaftliche Aktivisten, Journalisten und Politiker gegen eine mächtige weltweite Industrie führen, die ein hochgradig süchtig machendes und schädliches Produkt anbietet. In dem Video wird erzählt, wie der Kampf gegen den Tabakkonsum in Georgien an Dynamik gewonnen hat und wie das Land weiterhin auf eine tabakfreie Zukunft hinarbeitet. 

Vor nicht allzu langer Zeit waren noch ein Drittel der 3,7 Mio. Einwohner Georgiens Raucher. Die Prävalenz des Rauchens unter erwachsenen Männern gehörte mit 57% zu den höchsten in der Europäischen Region der WHO. Auch immer mehr Frauen hatten mit dem Rauchen begonnen. 

Dies hatte verheerende Folgen für die betreffenden Personen und ihre Familien sowie für die Gesellschaft insgesamt. Tausende von Rauchern und Passivrauchern litten an einer Vielzahl von Krankheiten wie Herz-Kreislauf- und Lungenerkrankungen sowie verschiedenen Krebsarten. Tabakbedingte Erkrankungen waren jährlich für den Tod von 11 400 Georgiern verantwortlich. Jahr für Jahr verlor die Volkswirtschaft des Landes etwa 2,4% ihres Bruttoinlandsproduktes infolge von Tabakkonsum.

Ein gesetzgeberischer Sieg


Diese alarmierenden Zahlen verdeutlichten die Notwendigkeit unverzüglicher und weitreichender Maßnahmen zur Bekämpfung des Tabakgebrauchs. Nach verschiedenen Anti-Tabak-Kampagnen und jahrelangen Vorbereitungen durch nationale und internationale Partnerorganisationen verabschiedete das georgische Parlament am 4. Mai 2017 ein neues Gesetz zur Tabakbekämpfung. 

In dem Gesetz wurden eine Reihe fortgeschrittener Maßnahmen zur Bekämpfung des Tabakkonsums eingeführt, und die Umsetzung der Bestimmungen des Rahmenübereinkommens der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs in Bezug auf rauchfreie Umgebungen, Verpackung und Kennzeichnung sowie Werbung, Sponsoring und Verkaufsförderung für Tabakprodukte wurde deutlich intensiviert. Ferner wurden die ordnungspolitischen Maßnahmen für traditionelle Zigaretten wie auch elektronische Zigaretten und Tabakerhitzer verschärft.

Georgiens neues Gesetz trat ab 1. Mai 2018 schrittweise in Kraft. Die Ergebnisse ließen nicht lange auf sich warten. „Die Gesetze zeigten sichtbar Wirkung. Innerhalb von einem oder zwei Jahren sank die Zahl der Raucher um 1 bis zwei Prozent. Ebenso ging die Zahl der Krankenhauseinweisungen von Personen mit akuten Schlaganfällen und Herzinfarkten zurück“, sagte Dr. Amiran Gamkrelidze, Generaldirektor am Staatlichen Zentrum für Krankheitsbekämpfung und öffentliche Gesundheit. 

Diese Ergebnisse bestätigen, was schon seit Langem bekannt ist: dass Gesetze gegen Rauchen funktionieren und dass sie Menschenleben retten und die Gesundheit der Bürger verbessern. 

Kritiker des Gesetzes wandten ein, dass die Öffentlichkeit Rauchverbote nicht akzeptieren werde. Sie befürchteten negative Auswirkungen auf Unternehmen, insbesondere die Gastronomie, Tausende verlorene Arbeitsplätze und die Entstehung eines blühenden Schwarzmarkts für Zigaretten. Doch dies bewahrheitete sich nicht. Vielmehr erhielt das Gesetz erhebliche Unterstützung in der georgischen Bevölkerung: mehr als 79% der Bürger sprachen sich für Rauchverbote aus, und über 90% befürworteten ein Verbot von Tabakwerbung. 

Unterstützung sichern: das Erfolgsrezept heißt starke Kooperationen und politische Fürsprecher


Aus den Erfahrungen in Georgien wird deutlich, dass die Bekämpfung des Tabakkonsums an Dynamik gewann, als verschiedene nationale Akteure und internationale Partnerorganisationen gemeinsam ein Bewusstsein für die durch Rauchen verursachten Schäden und für die Taktiken der Tabakindustrie schufen. 

Der Fall Georgiens verdeutlicht beispielhaft wichtige Merkmale politischer Entscheidungsprozesse, insbesondere die wesentliche Rolle von Medien und nichtstaatlichen Organisationen, aber auch von charismatischen Politikern, die für den Schutz der öffentlichen Gesundheit eintreten und bereit sind, als Fürsprecher aufzutreten und der Tabakbekämpfung einen hohen Stellenwert auf der politischen Tagesordnung zu verschaffen. 

Dr. Marijan Ivanusa, der von 2016 bis 2019 Leiter des WHO-Länderbüros in Georgien war, kommentiert: „Die wichtigste Lehre aus der Zeit während und nach der Annahme des Gesetzes in Georgien war, dass es möglich ist –  möglich in einem Land mit mittlerem Volkseinkommen und nur sehr begrenzten Ressourcen, und das trotz des heftigen Widerstands der Tabakindustrie. Es ist möglich, es ist machbar, und es nützt den Menschen.“ 

Es ist zu hoffen, dass die inspirierende Geschichte Georgiens andere Länder dazu ermutigt, ihre Anstrengungen zur Eindämmung der Tabakepidemie zu intensivieren.