Erklärung von Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa, anlässlich der Einweihung des Europäischen Bündnisses für psychische Gesundheit in Anwesenheit Ihrer Majestät Königin Mathilde von Belgien
Brüssel, 30. September 2021
Majestät, Frau Kommissarin Kyriakides, sehr geehrte Gäste, Fürsprecherinnen und Fürsprecher für öffentliche Gesundheit!
Zur heutigen Einweihung des Europäischen Bündnisses für psychische Gesundheit begrüße ich Sie mit großer Freude, aber auch mit einem tiefgreifenden Verantwortungsgefühl.
Wie Hippocrates vor 2500 Jahren sagte: Jede Krankheit beginnt in der Psyche, der Seele. Deshalb beginnen auch wir, mit vereinten Kräften genau das zu stärken, von dem alles ausgeht: unsere psychische Gesundheit und unser seelisches Wohlbefinden.
Dieses Bündnis ist auch ein von mir persönlich angestrebtes Ziel, ein brennender Wunsch, der in den vielen Jahren, in denen ich den Erzählungen von Menschen zugehört habe und in allen Teilen der Welt mit den Ausgegrenzten der Gesellschaft zu tun hatte, sowohl vor und nach meinem Amtsantritt als Regionaldirektor, nach und nach Gestalt angenommen hat.
Die Zahlen sind unerbittlich: In der Europäischen Region der WHO lebten schon vor Beginn der COVID-19-Pandemie mindestens 150 Mio. Menschen mit einer psychischen Erkrankung, und nur ein Bruchteil von ihnen erhielt die nötige Versorgung. Seit Beginn der Pandemie hat sich die Situation eindeutig verschärft. Und wir alle sind davon betroffen.
Auf dem Athener Gipfel zum Thema psychische Gesundheit im Juli, der von der WHO einberufen und von der griechischen Regierung ausgerichtet wurde, riefen politische Entscheidungsträger und Experten aus den 53 Ländern der Europäischen Region dazu auf, die psychische Gesundheit in den Mittelpunkt des Wiederaufbaus zu stellen.
Heute reagieren wir auf diesen Aufruf, indem wir das Europäische Bündnis für psychische Gesundheit einweihen.
Ich sehe das Bündnis für psychische Gesundheit als ein Zeichen der Hoffnung – Hoffnung auf Veränderungen auf allen Ebenen.
Auf der individuellen Ebene ist Hoffnung die innere Substanz, die psychische Gesundheit und seelisches Wohlbefinden ermöglicht.
Auf der kommunalen Ebene stärkt und fördert Hoffnung den kollektiven Glauben an Investitionen in Maßnahmen und Initiativen, die eine erhebliche und dauerhafte Wirkung auf die sozialen und sonstigen Determinanten der psychischen Gesundheit und des seelischen Wohlbefindens der Menschen haben.
Auf der nationalen und der gesamteuropäischen Ebene befähigt Hoffnung Regierungen, internationale Organisationen und Finanzierungsinstitutionen dazu, die Lehren aus der Pandemie zu verinnerlichen und die Gesundheitssysteme und die psychische Gesundheitsversorgung am Bedarf künftiger Generationen auszurichten, damit diese in Zukunft besser für eine ähnliche Gesundheitskrise gerüstet sind.
Wir betrachten das Bündnis für psychische Gesundheit als das Vehikel für die Umsetzung dieser Hoffnung auf Veränderung in die praktische Realität, das die Zukunft unserer Kinder und Enkel bestimmen wird.
Dies werden wir erreichen, indem wir zusammen MIT IHNEN ALLEN umgehend drei Arbeitsfelder aktivieren:
ERSTENS: Wir werden einen Austausch von Wissen und bewährten Praktiken zwischen Mitgliedstaaten, internationalen Organisationen und nichtstaatlichen Akteuren, einschließlich der Zivilgesellschaft, organisieren, und die Leistungsempfänger und deren Angehörige, wissenschaftliche Einrichtungen, gemeinnützige Organisationen und Privatunternehmen einbeziehen.
ZWEITENS: Wir werden zusammen mit allen Mitgliedern des Bündnisses darauf hinarbeiten, eine patientenfreundliche psychische Gesundheitsversorgung mit gemeindenaher Unterstützung zu schaffen, Ressourcen für Investitionen in die psychische Gesundheit zu mobilisieren, präzise Daten zu gewinnen und für Reformen des Leistungsangebots im Bereich der psychischen Gesundheit zu werben, die geschlechtersensibel sind und dem Schutz von Menschenrechten dienen.
DRITTENS: Wir werden die Öffentlichkeit für Fragen der psychischen Gesundheit sensibilisieren, gegen Stigmatisierung und Diskriminierung kämpfen und Programme zur Prävention psychischer Gesundheitsprobleme, auch am Arbeitsplatz, unterstützen, stets mit Schwerpunkt auf den am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen.
Ich bin fest davon überzeugt, dass wir so in ein paar Jahren das feiern können, was wir gemeinsam erreicht haben.