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Frühzeitige, stigmatisierungsfreie HIV-Tests sind ein Rettungsanker für Flüchtlinge und gefährdete Gruppen

1 December 2025
Vor Beginn des Kriegs in der Ukraine arbeitete Dmytro Skirhiko in seinem Heimatland als Allgemeinmediziner. Im Rahmen seiner Arbeit verschrieb er HIV-Therapien, einschließlich Prä- und Postexpositionsprophylaxen. Heute lebt er in Tschechien und ist Koordinator des Ukraine-Programms der Tschechischen Aids-Hilfe-Gesellschaft in Prag, wo er sich auf die HIV-Beratung und -Betreuung von ukrainischen Flüchtlingen sowie Migranten aus anderen Ländern konzentriert, die mit HIV leben oder davon bedroht sind. Seit 2022 unterstützt das Länderbüro der WHO in Tschechien mit finanzieller Unterstützung der Asien-Europa-Stiftung die Tätigkeit der Organisation.

Frühzeitige Diagnose führt zu besseren Resultaten

Nach neuen Daten des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und von WHO/Europa werden 54 % der HIV-Diagnosen in der Europäischen Region der WHO verspätet gestellt. 

Am höchsten war der Anteil verspäteter Diagnosen bei Menschen, die sich durch heterosexuellen Kontakt infiziert hatten (insbesondere Männern), und bei injizierenden Drogenkonsumenten. Außerdem betraf fast jede dritte HIV-Diagnose im Jahr 2024 Personen, die außerhalb des Landes geboren wurden, in dem sie diagnostiziert wurden. Ein erheblicher Anteil der Neudiagnosen in den Ländern der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums (fast 56 %) entfiel auf Migranten, was den Bedarf an maßgeschneiderten, leicht zugänglichen und kultursensiblen Präventions- und Testangeboten verdeutlicht. 

Der hohe Anteil an Spätdiagnosen in allen Teilen der Europäischen Region der WHO führt dazu, dass viele Menschen nicht früh genug Zugang zur lebensrettenden antiretroviralen Therapie und zu ärztlicher Versorgung erhalten, was das Risiko einer Weiterübertragung des HIV und einer Erkrankung an Aids und auch das Sterberisiko erhöht.

„HIV hat, wie einige andere sexuell übertragbare Infektionen, im Anfangsstadium keine spezifischen Symptome. Deshalb ist ein spezifischer HIV-Test erforderlich“, sagt Dmytro. „Leider sind manche Menschen anfangs nicht bereit, sich testen zu lassen, was dazu führt, dass sie sich zu dem Zeitpunkt, an dem sie sich dann testen lassen, schon in den späteren Stadien der HIV-Infektion oder sogar im Aids-Stadium befinden.“

Stigmatisierungsfreie Tests und Therapien

Bei der Tschechischen Aids-Hilfe-Gesellschaft werden die Tests anonym und kostenlos angeboten. Außerdem werden landesweit Anstrengungen unternommen, um in einer Reihe von Krankenhäusern und bei nichtstaatlichen Organisationen eine Präexpositionsprophylaxe anzubieten, um den Zugang zu erleichtern und die Stigmatisierung zu verringern.

„Leider ist die Stigmatisierung ein großes Problem. Wir müssen sowohl das medizinische Personal als auch die Risikogruppen besser über HIV aufklären“, sagt Dmytro.

Um das Wissen über die Risiken von HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen unter ukrainischen Flüchtlingen und anderen Migranten in Tschechien zu verbessern, hat die Organisation Broschüren und HIV-Präventionskits an Kunden, an Gesundheitsämter und direkt an Clubs und Veranstaltungsorte im ganzen Land verteilt. Außerdem hat sie Kampagnen in den sozialen Medien durchgeführt, Tests in mobilen Einrichtungen angeboten und Webinare für interkulturelle Sozialarbeiter abgehalten.

Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa, erklärt: Seit 2020 ist die Zahl der HIV-Tests in der gesamten Europäischen Region wieder angestiegen, was für 2024 zu einer höheren Zahl an gemeldeten Tests und einem entsprechenden Anstieg der HIV-Diagnosen in 11 Ländern führte. Allein 2024 wurden 105 922 Personen mit HIV diagnostiziert, sodass seit den 1980er Jahren insgesamt 2,68 Mio. Diagnosen verzeichnet wurden. Doch die Zahl der Menschen, die mit einer nicht diagnostizierten HIV-Infektion leben, steigt – eine stille Krise, die die Übertragung begünstigt. Wir tun nicht genug, um die tödlichen Barrieren aufgrund von Stigmatisierung und Diskriminierung zu beseitigen, die Menschen davon abhalten, sich einem einfachen Test zu unterziehen. Eine frühzeitige Diagnose ist kein Privileg, sondern das Tor zu einem langen, gesunden Leben und der Schlüssel, um HIV zu stoppen.“

Das ECDC und WHO/Europa fordern umgehende Anstrengungen zur Routinisierung, Normalisierung und Ausweitung der Tests, u. a. durch einen breiteren Zugang zu Selbsttests und gemeindenahen Angeboten, mit denen Menschen erreicht werden können, die die Versorgung in Gesundheitseinrichtungen nicht in Anspruch nehmen.