Kleine Helden, großes Lächeln

14 February 2025
Wenn sie ein Krankenhaus betreten, erwarten viele traurige Gesichter und schlechte Nachrichten über schlechte Gesundheit, lange Genesungszeiten, riskante Operationen und lebensverändernde Herausforderungen. Im südwestlichen Teil von Taschkent, der Hauptstadt Usbekistans, trotzt ein Kinderkrankenhaus diesen Erwartungen, indem es eine ganz andere Atmosphäre schafft und denjenigen, die es am meisten brauchen, Inspiration und Freude bringt: Kindern, die sich einer Krebsbehandlung unterziehen, und ihren Eltern.

An der Mehrli Maktab-Schule werden Kinder im Alter zwischen 2 und 18 Jahren in einer Reihe von Fächern unterrichtet, darunter Elektronik, Informationstechnologie (IT), Musik, Mathe und mehr. Die Schule befindet sich im Medizinischen Wissenschafts- und Fachzentrum für pädiatrische Onkologie, Hämatologie und Immunologie und bietet Kindern, die sich einer Langzeitbehandlung unterziehen und keine regulären Schulen oder Kindergärten besuchen können, eine kontinuierliche, hochwertige Vorschul- bis Sekundarschulbildung. Obwohl sie mit lebensbedrohlichen Krankheiten kämpfen, schließen sie Freundschaften und entdecken neue Interessen. Viele kommen nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus zurück, um im Lehrplan Versäumtes nachzuholen und ihre Mitschüler zu treffen. 

Die Mehrli Maktab-Schule konzentriert sich auf die vollständige Rehabilitation und Sozialisierung der Kinder und bezieht auch die Eltern in den Prozess mit ein. Die Schüler werden ermutigt, ihre körperlichen und motorischen Fähigkeiten zu erhalten und zu entwickeln, vor allem die Jüngsten unter ihnen. Das Klassenzimmer des Kindergartens, das mit hellen Farben gefüllt ist, regt zu ruhigen Aktivitäten wie Malen und Lesen an, aber auch zu Tanz und körperlicher Betätigung für die Kinder, die genug Energie haben. 

„Für viele dieser Kinder wird die Bildung zum Bindeglied zwischen ihnen und der Welt, die sie früher kannten. In diesem Sinne ist es unser Ziel, den Kindern durch unseren Unterricht Trost zu spenden und das Gefühl von Normalität zu bewahren“, sagt Sergey Sharikov, der das Projekt „Wir unterrichten/sie lernen“ leitet, das sich mit dem Bildungsumfeld für Kinder befasst, die sich in Krankenhäusern einer Langzeitbehandlung unterziehen. Die ersten Krankenhausschulen des Projekts „Wir unterrichten/sie lernen“ wurden in der Russischen Föderation eingerichtet, und die Initiative wurde später auch in Usbekistan und Kirgisistan eingeführt.

Sergey erklärt: „Jede Krebserkrankung bringt viel Dunkelheit mit sich, daher müssen wir uns immer wieder daran erinnern, dass es auch eine helle Seite gibt. Inspiration hat die Kraft zu heilen, und das ist es, was wir versuchen, in unsere Schulen zu bringen.“ 

 

WHO/Andreas Beck
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Maruf Mamirjanov, 14 Jahre

„Zunächst konnten die Ärzte nicht herausfinden, warum ich mich krank fühlte. Später kamen sie zu dem Schluss, dass es durch Stress verursacht wurde – irgendetwas könnte mich erschreckt oder verängstigt haben. Einmal war ich kurz davor, in einen Autounfall verwickelt zu werden, was große Auswirkungen auf meine psychische Verfassung hatte“, beschrieb Maruf.

„Zuerst wollte ich die Schule nicht besuchen, aber nachdem ich sie mit meiner Mutter besucht hatte, kam ich jeden Tag. Die Einrichtungen sind hervorragend, und die Lehrer sind sehr engagiert. Ich bin 3-facher Landesmeister im Kickboxen. Eines Tages besuchte der weltberühmte Boxer Bahodir Jalolov die Schule, und die Begegnung mit ihm war eine wirklich inspirierende Erfahrung. Ich glaube, wenn die Lehrer an normalen Schulen so engagiert wären wie die Lehrer hier, würde ich viel lieber hingehen.“

Leider verstarb Maruf Mamirjanov kurz nachdem wir ihn in der Schule kennen gelernt hatten. Ihm zu Ehren und mit dem Segen seiner Familie teilen wir seine Geschichte wie ursprünglich geplant und halten sein Andenken in Ehren.

 

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Dilnura Bakirova, 12 Jahre

„Ich gehe weiterhin hier in der Mehrli Maktab-Schule zum Unterricht, weil ich mich in der dritten Phase meiner Chemotherapie befinde. Ich habe bereits 2 Runden Chemotherapie sowie im Anschluss daran eine Operation hinter mir. Ich habe eine Leidenschaft für Musik und spiele gerne Klavier, und ich habe Spaß am Englischlernen und an Mathematik“, erklärt Dilnura. 

„Meine nächste Behandlung hat gestern begonnen, und das neigt dazu, meine Stimmung zu senken. Ich genieße soziale Kontakte, gehe gern in den Zoo und reise gern. Mein Traum ist es, Flugbegleiterin zu werden, deshalb interessiere ich mich auch sehr für Sport.“

 

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Javlon Jamshidov, 12 Jahre

Javlons Mutter berichtet: „Seitdem Javlonbek die Schule besucht, haben sich seine Stimmung und sein Gesundheitszustand merklich verbessert. Vorher, als die Zahl seiner weißen Blutkörperchen stark gesunken war, hatte ihn die Krankheit in einen depressiven Zustand versetzt. Er war gereizt, bat ständig darum, ins Dorf zurückkehren zu dürfen, und regte sich schnell auf. Aber nach der Eröffnung der Schule begann er, von seinen Lehrern zu lernen, und er wurde viel engagierter.“

Javlon fügt hinzu: „Im Moment benutze ich die von der Mehrli Maktab-Schule zur Verfügung gestellten Computer, um online IT-Kurse zu belegen. Bislang haben wir gelernt, wie man Websites erstellt. Im Rahmen des Programms finden regelmäßig Prüfungen statt. Wenn ich bei der Prüfung gut abschneide, habe ich die Chance, im IT-Bereich angenommen zu werden.“

 

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Imron Abdukarimov, 5 Jahre

Dilnoza, Imrons Mutter, sagt: „Ich hatte gehört, dass eine Chemotherapie das Gehirn schädigen kann, aber seit er hier zur Schule geht ist sein Verstand schärfer – ein Verdienst des engagierten Personals. Wir bewahren seine Testergebnisse in einer Mappe auf, auf der ein Foto von ihm angebracht ist, das vor seiner Krankheit aufgenommen wurde; er hatte dichtes Haar, dichte Wimpern und Augenbrauen. Kürzlich zeigte er auf dieses Foto und sagte: ,Ich vermisse diesen Imron.‘“

Sie fährt fort: „Während der Chemotherapie sinkt sein Appetit, aber wenn wir ihn fragen, was er essen möchte, wünscht er sich die Gerichte, die wir früher für große Familientreffen gekocht haben. Er sehnt sich nach diesen Zeiten. Diese Krankheit ist für Eltern eine harte Prüfung und macht einem deutlich, wie wichtig es ist, den Frieden des Lebens zu schätzen zu wissen. Diese Momente rufe ich mir nun jeden Tag in Erinnerung. Wenn ich sehe, dass andere in schwierigeren Situationen sind, macht mich das demütig und erinnert mich daran, zutiefst dankbar zu sein.“

 

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Samira Idrisova, 17 Jahre

„Ich habe mich nie ausführlicher mit meiner Diagnose beschäftigt. Viele Menschen fangen an, das Internet zu durchsuchen, werden traurig und hören auf, das Leben zu genießen. Meine Mutter hat mir nur gesagt, dass ich ALL [die Abkürzung für akute lymphatische Leukämie] habe – das reicht mir“, sagt Samira.

„Malen versetzt mich in eine andere Welt, es hilft mir zu entspannen. Derzeit male ich Seerosen, meine Lieblingsblumen. Sie symbolisieren Aufrichtigkeit, Gesundheit und Glück. Als ich in die Mehrli Maktab-Schule eingeladen wurde, lag ich im Krankenhaus und konnte nicht am Unterricht teilnehmen. Sobald die Ärzte es erlaubten, fühlte sich das Betreten der Schule an, als würde man einen düsteren Ort verlassen und in eine helle neue Welt eintreten. Das Beste daran ist, wie die Lehrer uns behandeln – nicht streng, sondern wie Freunde. Die Schule fühlt sich für mich wie eine zweite Familie an.“

Samira fügt hinzu: „Den Kindern im Zentrum für pädiatrische Onkologie und Hämatologie möchte ich sagen: Gebt nicht auf! Ihr werdet alles überstehen!“

 

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