Stärkung der Bereitschaftsplanung in Krankenhäusern in der Ukraine inmitten des Krieges

26 June 2025
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Die WHO empfiehlt, dass mindestens 80 % der Rohrleitungssysteme in Krankenhäusern in gutem Zustand sein sollten, um medizinische Gase, Wasser und andere Flüssigkeiten zu transportieren und den Betrieb der Krankenhäuser zu ermöglichen.

Das Regionale Klinische Krankenhaus in Charkiw liegt nur 40 km von der Frontlinie des Krieges in der Ukraine entfernt. Am Morgen des 18. April 2025 wurden bei Explosionen in der Stadt eine Person getötet und über 100 verletzt. Später an diesem Tag inspizierten die WHO und das Krankenhauspersonal die kritischen Systeme des Krankenhauses im Rahmen einer Bewertung anhand des Hospital Safety Index [dt. Index für Krankenhaussicherheit]. Sie setzten weltweit anerkannte Instrumente der WHO ein, um sicherzustellen, dass ihr Krankenhaus weiter funktionieren und die Verletzten mit lebensrettenden Maßnahmen versorgen konnte.

 

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Luftschutzsirenen während einer Schulung in Charkiw erinnerten alle Teilnehmer an die Realität der Situation. Die Schulung wurde jedoch fortgesetzt, selbst im unterirdischen Schutzraum.

In Anerkennung der besonderen Situation von Krankenhäusern in Kriegsgebieten bietet die WHO den Krankenhäusern in Dnipropetrowsk, Charkiw, Kiew und Mykolaiw Beratung und Unterstützung an. Die Initiative „Stärkung der Bereitschaftsplanung in Krankenhäusern in der Ukraine“ soll sicherstellen, dass die Infrastruktur des Gesundheitswesens auch bei unerwünschten Ereignissen wie Angriffen auf das Gesundheitswesen, Überschwemmungen oder Stromausfällen weiter funktioniert. 

 

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Gesundheitspersonal aus vier Krankenhäusern und Beamte des Gesundheitsministeriums kamen in Kiew zusammen.

Krankenhausverwalter, Notfallplaner und Gesundheitsfachkräfte aus vier vom Krieg betroffenen ukrainischen Städten trafen sich zu einem Workshop in Kiew, um praktische Strategien zur Aufrechterhaltung des Krankenhausbetriebs unter außergewöhnlichen Umständen auszutauschen. Sie befassten sich mit der Anwendung des Instruments des Hospital Safety Index zum Umgang mit Notlagen, einschließlich chemischer, biologischer, radiologischer und nuklearer Bedrohungen, und lernten, wie man Notfallpläne für Krankenhäuser entwickelt.

„Sie sind aufgrund Ihrer Erfahrungen hier. Aufgrund Ihrer Geschichten, Ihrer Erkenntnisse – diese sind wichtig. Darauf bauen wir auf“, erklärten Beamte des ukrainischen Gesundheitsministeriums, die ebenfalls anwesend waren.

 

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Schäden am Okhmatdyt-Kinderkrankenhaus in Kiew, in dem Kinder intensivmedizinisch versorgt wurden und eine lebensrettende Hämodialyse erhielten.

Seit Februar 2022 hat die WHO 2418 Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen dokumentiert, die Auswirkungen auf Gesundheitsanbieter, Versorgungsgüter, Räumlichkeiten, Lagerhäuser und Fahrzeuge wie etwa Krankenwagen hatten. Um auf solche Notfälle besser vorbereitet zu sein, führen die Krankenhäuser im Rahmen der Initiative „Stärkung der Bereitschaftsplanung in Krankenhäusern in der Ukraine“ Bewertungen aller Bereiche durch, vom Keller bis zum Dach, vom Operationssaal bis zum Stromgenerator, und dokumentieren ihre Schwachstellen und potenziell verbesserungswürdigen Bereiche.

„Jede Krise ist anders, aber jedes Mal, wenn wir reagieren, lernen wir dazu. Ich hoffe, dass wir nie wieder damit konfrontiert werden, aber jetzt sind wir flexibler und besser vorbereitet“, sagte ein Teilnehmer des ersten Workshops in Kiew.

 

Die Fenster des beschädigten Flügels des Okhmatdyt-Krankenhauses in Kiew sind auch Monate nach dem Anschlag vom Juli 2024 noch mit Brettern verschlagen.

Ein besseres Verständnis der persönlichen Erfahrungen des Krankenhauspersonals kann dazu beitragen, dass die Krankenhäuser besser vorbereitet sind und dass die Pläne die Realität von Notlagen widerspiegeln. Im Juli 2024 wurde das Okhmatdyt-Krankenhaus in Kiew, die größte medizinische Einrichtung für Kinder in der Ukraine, bei einem Angriff schwer beschädigt. 

„In der ersten Stunde haben wir nur versucht zu verstehen, was passiert ist. Erst danach konnten wir anfangen, uns zu organisieren. Wir haben ein kleines Komitee gegründet, das Personal zusammengetrommelt und versucht zu ermitteln, wer überlebt hat und was gebraucht wird“, so ein Workshop-Teilnehmer, der das Okhmatdyt-Krankenhaus vertritt. 

„Eine Seite des Gebäudes war zerstört, aber die andere Seite war noch funktionstüchtig. Es gab keinen Strom und kein Internet, und es waren über 1000 Menschen gekommen. Der Verkehr kam zum Stillstand. Es gab Gerüchte, dass das Wasser vergiftet sei.“

 

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Ein genauerer Blick auf den kleinen gelben Anschlag, der an einem beschädigten Gebäude des Okhmatdyt-Krankenhauses hängt, zeigt das Bild einer jungen Ärztin, die bei dem Angriff 2024 ums Leben kam.

600 Patienten und ebenso viele Mitarbeiter befanden sich zum Zeitpunkt des Angriffs im Krankenhaus. Das einzige Labor für Blutkrankheiten und Krebs in der Ukraine wurde beschädigt, und das Toxikologiegebäude und die Traumaabteilung des Krankenhauses wurden vollständig zerstört. An diesem Tag gab es drei weitere Anschläge auf andere Gesundheitseinrichtungen. Insgesamt wurden neun Menschen getötet und 71 schwer verwundet. 

„Wir verloren einige unserer Kollegen – das war das Schlimmste. Es geht nicht um das Gebäude, sondern um die Menschen“, sagte ein Teilnehmer des Workshops „Stärkung der Bereitschaftsplanung in Krankenhäusern in der Ukraine“. „Ich hoffe, diese Erfahrung wird uns helfen, falls so etwas noch einmal passiert.“ 

 

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Das Mechnikov-Krankenhaus ist seit Beginn der groß angelegten Invasion ein Rettungsanker, in dem unablässig Verletzte von der gesamten Ostfront aufgenommen und behandelt werden.

Aufgrund seiner Nähe zur Front ist das Mechnikov-Krankenhaus in der Stadt Dnipro oft die erste Anlaufstelle für die Behandlung von Schwerverletzten.

„Wir dachten, wir wüssten seit 2014 was es bedeutet, von einem Konflikt betroffen zu sein, aber 2022 war anders – wir mussten sofort lernen, wie man mit hohen Opferzahlen umgeht“, sagte eine Gesundheitsfachkraft des Mechnikov-Krankenhauses.

 

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Ein Mitglied eines Bewertungsteams klettert auf das Dach des Regionalen Klinischen Krankenhauses in Mykolaiw.

Der Hospital Safety Index verlangt von Krankenhäusern eine hohe Gebäudeintegrität, um Erschütterungen zu widerstehen und die Sicherheit der darin befindlichen Menschen zu gewährleisten. 
Im Jahr 2022 musste sich auch das Personal des Regionalen Klinischen Krankenhauses in Mykolaiw von heute auf morgen an die Realitäten des Konflikts anpassen. Das Militär traf ein, und die Ärzte begannen, im Krankenhaus zu leben, das unter Dauerbeschuss stand.

„Bei einem Angriff wurde das Dach beschädigt, während das Nachtpersonal drinnen war. Wir haben die Dialysepatienten in sicherere Bereiche des Gebäudes verlegt und einfach weitergemacht“, erklärte ein Mitarbeiter aus Mykolaiw. 

Die Initiative „Stärkung der Bereitschaftsplanung in Krankenhäusern in der Ukraine“ wird vom WHO-Regionalbüro für Europa und dem WHO-Länderbüro in der Ukraine in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium der Ukraine unterstützt und von der Regierung Deutschlands finanziert. Die in Pilotkrankenhäusern entwickelten Krankenhaus-Notfallpläne werden dem ganzen Land zugutekommen. Im Zuge der landesweiten Einführung der Initiative werden die Pläne als Beispiele für andere Einrichtungen dienen, um sicherzustellen, dass alle Krankenhäuser gleichermaßen gut vorbereitet sind.

 

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