WHO/Europa richtet eine mutige neue Kommission zur Bekämpfung von tödlicher Hitze, Luftverschmutzung und Überschwemmungen mit echten Lösungen für das Gesundheitswesen ein
Eröffnungsansprache von Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa, anlässlich der Einrichtung und ersten Anhörung der Paneuropäischen Kommission Klima und Gesundheit
Reykjavík, 11. Juni 2025
Guten Morgen.
Wir sind hier in Island zusammengekommen, um eine wichtige und zeitgemäße Aufgabe in Angriff zu nehmen: Wir wollen praktikable Lösungen für das Gesundheitswesen vorschlagen, um die Klimakrise zu bewältigen, einen globalen Gesundheitsnotstand, der die sozialen Ungleichheiten weiter verschärft.
Der Klimawandel macht uns schon jetzt krank. Er bringt uns um, und es wird nur schlimmer.
Deshalb haben wir die Paneuropäische Kommission Klima und Gesundheit ins Leben gerufen, denn die Klimakrise ist eine Gesundheitskrise, und Klimamaßnahmen sind Gesundheitsmaßnahmen.
Schauen wir uns die Beweislage an: 2024 war das heißeste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn. Die globale Durchschnittstemperatur liegt nun schon 12 Monate in Folge 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau.
Hier in Island zieht sich jeder einzelne Gletscher zurück, was angesichts der Tatsache, dass die Europäische Region die sich am schnellsten erwärmende Region weltweit ist, nicht überraschend ist.
Über 100 000 Menschen starben in den Jahren 2022 und 2023 an hitzebedingten Ursachen.
Und es treten immer neue Risiken auf: Wärmere Umgebungen begünstigen das Auftreten von durch Mücken und Zecken übertragenen Krankheiten in Ländern, in denen sie bisher nicht aufgetreten sind – Krankheiten wie etwa Dengue, Malaria, West-Nil-Fieber und durch Zecken übertragene Hirnhautentzündung in Ländern Mittel- und Nordeuropas.
Schon jetzt sehen wir, wie die Kosten für den Verlust von Menschenleben, zerstörten Häusern und zerstörten Zukunftsperspektiven steigen.
Und die Schwächsten – Kinder, ältere Menschen, diejenigen, die bereits zu kämpfen haben – leiden immer am meisten.
Verheerende Überschwemmungen in Spanien, Waldbrände in Griechenland, Erdrutsche in Zentralasien und andere extreme Wetterereignisse in der gesamten Region haben viele Kommunen, Katastrophenschutzteams und Gesundheitsfachkräfte traumatisiert.
Für das Gesundheitspersonal bringt der Sommer jetzt nicht nur wärmeres Wetter, sondern auch zunehmende Ängste und Stress mit sich – mit der Aussicht auf größere Unterbrechungen bei Gesundheitsleistungen und Störungen bei der Ausrüstung, zunehmenden Beschwerden der Patienten und der Wahrscheinlichkeit, dass das Gesundheitspersonal Doppelschichten einlegen muss angesichts der steigenden Zahl der Fälle von Hyperthermie, Hitzebelastung und Atemwegserkrankungen.
Tatsächlich verursacht die Luftverschmutzung, die durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe noch verschlimmert wird, in der Europäischen Region inzwischen über eine halbe Million vorzeitige Todesfälle pro Jahr; weltweit sind es 7 Millionen.
Überschwemmungen sind die teuerste Art von Naturkatastrophen in der Europäischen Union (EU), und durch den Klimawandel werden sie immer häufiger und intensiver, so dass sie in einigen Fällen nicht mehr versicherbar sind.
Überschwemmungen verursachen in der EU jedes Jahr Schäden in Höhe von durchschnittlich 12 Mrd. €.
In der Europäischen Region der WHO, die 53 Länder in Europa und Zentralasien umfasst, leben heute 10 % der Stadtbevölkerung in hochwassergefährdeten Gebieten – Tendenz steigend.
Acht von zehn Menschen in der Region werden bis 2030 in städtischen Gebieten leben, so dass unsere Städte an vorderster Front gegen den Klimawandel kämpfen.
All dies bedeutet, dass die Zeit des Redens vorbei ist; es ist Zeit zu Handeln.
Unsere Gesundheitssysteme stehen bereits unter Druck, aber sie sind auch Teil des Problems, denn sie sind für 5 % der weltweiten Kohlenstoffemissionen verantwortlich – mehr als alle kommerziellen Fluggesellschaften der Welt zusammengenommen.
Diese Kommission bietet uns die Chance, das Blatt zu wenden – Evidenz in Einfluss und Ambitionen in Rechenschaftslegung umzuwandeln.
Die Arbeit der Kommission wird auf den Diskussionen der letztjährigen COP29 in Baku aufbauen, wo Klima und Gesundheit neuerliche Aufmerksamkeit erhielten.
Uns liegen die wissenschaftlichen Erkenntnisse vor. Jetzt brauchen wir Lösungen, mit denen wir Gesundheits- und Finanzminister, Bürgermeister und Regierungschefs davon überzeugen können, dass Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen und die Abschwächung des Klimawandels keine Kosten darstellen, sondern sich lohnen: für die Gesundheit, für den Frieden und für den Wohlstand.
Und die Rendite ist real. Die Dekarbonisierung des Gesundheitswesens beispielsweise reduziert nicht nur die Treibhausgasemissionen, sondern auch die Kosten für die Gesundheitsversorgung.
So schätzt etwa der Nationale Gesundheitsdienst in England, dass die Umstellung seiner gesamten Fahrzeugflotte auf Elektroantrieb jedes Jahr über 70 Mio. € einsparen und gleichzeitig eine Reihe von gesundheitlichen Vorteilen im Wert von über 320 Mio. € mit sich bringen würde.
In den nächsten 25 Jahren will Belgien die Emissionen im Gesundheitswesen durch 16 bewährte Maßnahmen um bis zu 73 % senken. Diese werden dazu beitragen, die Qualität der Versorgung zu verbessern, ineffiziente Praktiken zu beseitigen und präventive Gesundheitsprogramme zu verbessern, um nur einige Beispiele zu nennen.
So sehen kluge politische Konzepte aus.
Meine Hoffnung für diese Kommission ist kühn und doch einfach: dass sie ein echter Motor für praktische Lösungen wird und konkrete, umsetzbare Empfehlungen hervorbringt, die Führungskräfte im Gesundheitswesen und Behörden gemeinsam mit der WHO und ihren Partnern umsetzen können.
Ich danke Ihrer Exzellenz Katrín Jakobsdóttir, der ehemaligen isländischen Ministerpräsidentin, aufrichtig dafür, dass sie sich bereit erklärt hat, den Vorsitz über diese Kommission zu übernehmen.
Ich bin ihr, wie auch dem Leitenden Wissenschaftler der Kommission, Sir Andrew Haines, und den zehn Kommissionsmitgliedern, für ihr Fachwissen und ihr Engagement zu Dank verpflichtet.
Sie sind ebenso wie ich besorgt, dass sich das Zeitfenster für sinnvolle Maßnahmen schnell schließt, aber wir glauben auch fest daran, dass wir noch etwas bewirken können.
Letztendlich müssen wir so handeln, als ob unser Leben und das Leben künftiger Generationen davon abhängt – denn das tut es.
Vielen Dank.