Im Juli lösten schwere Regenfälle im Nordosten Rumäniens Sturzfluten aus. Marian Ruscan, Leiter des Inspektorats für Notlagen in Suceava, und sein kleines Team von Notfallhelfern trafen als erste am Ort des Geschehens im Bezirk Suceava ein, einem der am stärksten betroffenen Gebiete.
Bei sintflutartigem Regen und aufgrund der extremen Wetterbedingungen ohne Kontakt zu anderen Rettungskräften arbeitete Ruscans Team die ganze Nacht hindurch, bevor es in den frühen Morgenstunden die Nachricht erhielt, dass in der nahe gelegenen Stadt Broșteni, die aufgrund der blockierten Straßen völlig von der Außenwelt abgeschnitten war, 200 Menschen in ihren Häusern eingeschlossen waren.
„Als die Sonne aufging, sahen wir Unbeschreibliches. Es war wie mitten im Krieg. Überall zerstörte Häuser, andere Häuser waren durch die Kraft des Flusses weggespült – von einem Fluss, den man normalerweise zu Fuß überqueren kann.“
Gut koordinierte Einsatzteams
Sein Team konnte einige Menschen per Boot und zu Fuß evakuieren. Doch trotz der dringenden Notwendigkeit konnten sie nur wenig für die noch eingeschlossenen Bewohner der Stadt tun, bis weitere Hilfe eintraf, und zwar in Form von fünf Hubschraubern, die von der Generalinspektion Luftfahrt des rumänischen Innenministeriums zur Verfügung gestellt wurden.
„Alles war zerstört. Wir hatten keinen Zugang zu den Menschen. Es ist ein sehr seltsames Gefühl, in der Nähe dieser Menschen zu sein – man kann sie sehen und die Gefahr erkennen, der sie ausgesetzt sind, aber man kann nichts dagegen tun. Es gab Mütter, deren Kinder noch in den Häusern waren. Ich selbst bin Vater und möchte so etwas niemals erleben.“
Insgesamt wurden bei diesem Einsatz 110 Menschen aus der Luft in Sicherheit gebracht. Damit war es die größte Flutrettungsaktion mit Hubschraubern in der Geschichte Rumäniens.
Leider kamen unmittelbar bei den Überschwemmungen drei Menschen ums Leben, aber das Team von Kommandant Ruscan konnte mit Hilfe von Hubschraubern, einer Bergrettungsmannschaft, schwerem Gerät und rechtzeitigen Informationen aus der Bevölkerung alle gestrandeten Bewohner ausfindig machen und evakuieren. Insgesamt wurden über 1200 Menschen mobilisiert, um in den Bezirken Neamț und Suceava zu helfen, die beide stark von dem Hochwasser betroffen waren.
Dr. Caroline Clarinval, Repräsentantin der WHO in Rumänien, erklärte: „Überschwemmungen können verheerende Auswirkungen haben, aber wenn die Kommunen gut vorbereitet sind und die Einsatzkräfte koordiniert vorgehen, können Menschenleben gerettet werden. Die jüngsten Überschwemmungen im Bezirk Suceava machen deutlich, wie engagiert die Ersthelfer sind und wie wichtig schnelles Handeln und Notfallvorsorge sind. Durch fachliche Beratung und Bereitstellung von Ausrüstung unterstützt das Länderbüro der WHO Rumänien weiterhin beim Aufbau widerstandsfähiger Systeme, die gefährdete Bevölkerungsgruppen schützen, einen raschen Wiederaufbau ermöglichen und die Gesundheitsrisiken aufgrund von Naturkatastrophen minimieren.“
Notfallplanung ist entscheidend
Diese schnelle, koordinierte Reaktion war nur möglich, weil Rumänien in die Notfallvorsorge investiert hat – Frühwarnsysteme, geschulte Einsatzkräfte und behördenübergreifende Zusammenarbeit –, die alle entscheidend zur Verringerung der Opferzahlen während dieser beispiellosen Überschwemmungen beigetragen haben.
Ohne die sorgfältige Notfallplanung Rumäniens wäre die Zahl der Todesopfer nach Ansicht von Kommandant Ruscan wohl noch viel höher ausgefallen. Dank des landesweiten Notfallwarnsystems RO-ALERT wurden die Wetterwarnungen direkt auf die Mobiltelefone gesendet, sodass viele gefährdete Personen sich an höher gelegene Orte begeben und so Verletzungen vermeiden konnten.
Doch Ruscan befürchtet, dass nicht alle die Notfallwarnungen ernst nehmen oder mit der gebotenen Eile reagieren: „Die Leute sollten mehr auf die Behörden hören, wenn sie solche Botschaften erhalten. Denn sie sind ernst zu nehmen, sie sind real und sie retten oft Leben.“
Wiederherstellung der Normalität, Anpassung an den Wandel
Während die umfangreichen Aufräumarbeiten weitergehen, mahnt Ruscan zur Vorsicht bei der Rückkehr in die überschwemmten Häuser, die instabil und in hygienisch bedenklichem Zustand sein können. Sein Team arbeitet inzwischen zusammen mit anderen Organisationen sowie mehr als 310 Freiwilligen darauf hin, die Normalität in der betroffenen Region wiederherzustellen.
„Wir sollten glauben, dass sich das Wetter ändert, und ich denke, das liegt an uns. Wir müssen uns anpassen. In den letzten Tagen habe ich das Gefühl, ein halbes Leben gelebt zu haben. Ein kleiner Teil unserer Erinnerung wird immer mit diesem Ereignis verbunden bleiben. Aber wir werden weitermachen. Wir haben noch viel zu tun.“
Kommandant Ruscan unterstreicht damit, wie wichtig es ist, auf Warnungen zu hören und sich an veränderte Bedingungen anzupassen. Ergänzend dazu betont Tanja Schmidt, Leiterin des Programmbereichs Bereitschaftsplanung, Handlungsbereitschaft und Kapazitätsaufbau bei WHO/Europa, dass Vorsorge in Form von robusten Frühwarnsystemen und koordinierten ressortübergreifenden Maßnahmen entscheidend dazu beiträgt, Gemeinschaften zu schützen und Leben zu retten:
„Angesichts der zunehmenden Häufigkeit extremer Wetterereignisse ist die Vorbereitung auf Notlagen unverzichtbar. Eine wirksame Katastrophenhilfe und ein wirksamer Gesundheitsschutz beruhen auf einer ressortübergreifenden Vorsorge, daher sind koordinierte Anstrengungen in den Bereichen Planung und Übung, Suche und Rettung, Logistik, Unterkünfte, Schutz, Wasser- und Sanitärversorgung, Ernährungssicherheit und Aufklärung unverzichtbar, um Schäden zu minimieren und Leben zu retten. All diese Bereiche müssen zusammenarbeiten, um die Bevölkerung zu schützen und weiteren Schaden abzuwenden.“
Sicherheit vor, während und nach Hochwasserereignissen
WHO/Europa hat einen Leitfaden zum Schutz der Gesundheit und zur Erhaltung der Sicherheit vor, während und nach Hochwasserereignissen veröffentlicht. Dieser enthält folgende Empfehlungen:
- Halten Sie sich von Hochwasser oder instabilen Bauwerken fern und warten Sie, falls Sie gestrandet sind, auf Rettung, ohne sich an unsichere Orte zu begeben.
- Halten Sie sich auf dem Laufenden, befolgen die Anweisungen der örtlichen Behörden und kehren Sie erst nach Hause zurück, wenn es für sicher erklärt wurde.
- Vergewissern Sie sich vor dem Konsum von Wasser oder Lebensmitteln oder der Nutzung von Haushaltsgeräten, dass alles sicher ist, und achten Sie jederzeit auf strenge Hygiene.
Ausführlichere Gesundheitsempfehlungen finden Sie unter dem nachstehendem Link.
Ereignisse wie dieses verdeutlichen die dringende Notwendigkeit anhaltender Investitionen in die Notfallvorsorge, in Frühwarnsysteme und in integrierte Gegenmaßnahmen zum Schutz von Gemeinschaften, die mit immer extremeren Wetterereignissen konfrontiert sind.
Die Klimakrise hat die Europäische Region der WHO in den letzten Jahren zunehmend in Mitleidenschaft gezogen und Auswirkungen auf die Intensität und Extremität von Wetterereignissen gehabt. Das Ausmaß der Überschwemmungen in der Europäischen Region in den letzten Jahren zeigt einmal mehr, wie dringend notwendig es ist, dass die Länder gemeinsam an der Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen auf die Gesundheit arbeiten. Diese Verpflichtung kommt in der bahnbrechenden Erklärung von Budapest zum Ausdruck, die 2023 auf der Ministerkonferenz Umwelt und Gesundheit verabschiedet wurde.

