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Neuer Bericht der WHO über Estland zeigt Maßnahmen zur Verbesserung der Bezahlbarkeit der Gesundheitsversorgung für einkommensschwache Gruppen auf

12 December 2023
News release
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Aus einem zum Welttag der allgemeinen Gesundheitsversorgung 2023 veröffentlichten Bericht über den bezahlbaren Zugang zur Gesundheitsversorgung in Estland geht hervor, dass 2020 jeder vierzehnte Haushalt von ruinösen Gesundheitsausgaben infolge von Zahlungen aus eigener Tasche für Gesundheitsleistungen betroffen war. Wer von ruinösen Gesundheitsausgaben betroffen ist, kann es sich oft nicht mehr leisten, andere grundlegende Bedürfnisse wie Ernährung, Wohnen und Heizen zu befriedigen. In demselben Jahr wurden 2 % der Haushalte durch Zahlungen aus eigener Tasche in Estland neu oder tiefer in die Armut getrieben. 

Auch wenn Estland weiterhin stärker von ruinösen Gesundheitsausgaben betroffen ist als viele andere Länder der Europäischen Union (EU), so hat sich die Situation doch zwischen 2015 und 2020 verbessert. Dies spiegelt positive Veränderungen in der Kostenerstattungspolitik und bei anderen Einflussfaktoren wider, wie aus einer neuen Studie von WHO/Europa hervorgeht, die heute auf der Konferenz anlässlich des 15. Jahrestages der Unterzeichnung der Charta von Tallinn über Gesundheitssysteme präsentiert wurde. 

Der Bericht mit dem Titel „Können sich die Menschen ihre Gesundheitsversorgung leisten? Neue Erkenntnisse über finanzielle Absicherung in Estland (2023)“ verdeutlicht, dass finanzielle Härten in erster Linie auf Zahlungen aus eigener Tasche für ambulant verschriebene Arzneimittel und Zahnbehandlungen zurückzuführen sind und dass von ihnen hauptsächlich einkommensschwache Haushalte betroffen sind.

Lücken bei der Kostenerstattung untergraben finanzielle Absicherung

Die Studie zeigte Defizite in allen drei Dimensionen der Kostenerstattung auf:
  1. Wer hat Leistungsansprüche? Bei Verknüpfung von Leistungsansprüchen mit der Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung bleiben 10 % der Personen im erwerbsfähigen Alter ohne Versicherungsschutz.
  2. Welche Leistungen werden erstattet? Das vom Estnischen Krankenversicherungsfonds (EHIF) angebotene Leistungspaket ist zwar insgesamt relativ umfassend, bietet aber nur begrenzten Versicherungsschutz für Erwachsene in Bezug auf Zahnbehandlungen.
  3. Welcher Anteil der Kosten wird erstattet? Auch wenn die Regierung versucht hat, den Schutz vor Zuzahlungen für ambulant verschriebene Medikamente und Zahnbehandlungen zu verbessern, so könnte doch mehr getan werden, um Menschen mit geringem Einkommen zu schützen.
„In der 2008 unterzeichneten Charta von Tallinn wurde hervorgehoben, dass die Menschen in Europa nicht infolge von Krankheit verarmen dürfen. Seitdem hat die estnische Regierung einige Aspekte ihrer Kostenerstattungspolitik neu geregelt, um die Bezahlbarkeit von ambulant verschriebenen Medikamenten und Zahnbehandlungen zu verbessern“, erklärte Dr. Natasha Azzopardi-Muscat, Direktorin der Abteilung Gesundheitspolitik und Gesundheitssysteme der Länder bei WHO/Europa.

Sie fügte hinzu: „Auf der Grundlage der Analyse in unserem neuen Bericht fordern wir die Regierung auf, die Zuzahlungen für diese und andere Leistungen weiter zu reduzieren und sich auf die Stärkung des Schutzes für Haushalte mit geringem Einkommen zu konzentrieren.“

Verbesserung der Bezahlbarkeit von Gesundheitsleistungen für einkommensschwache Personen

Zur Verbesserung der finanziellen Absicherung kann Estland: 
  • die Deckungslücke in der Bevölkerung durch Veränderung der Berechtigungsgrundlage für Leistungen des EHIF hin zum Kriterium Aufenthaltsstatus schließen;
  • die Leistungen erhöhen bzw. besser auf die bedürftigsten Gruppen zuschneiden;
  • den Schutz vor allen Zuzahlungen verstärken, insbesondere für einkommensschwache Haushalte;
  • Saldoabrechnungen für Leistungen der primären Gesundheitsversorgung abschaffen, damit der Zugang zu Leistungen nicht von der Zahlungsfähigkeit abhängig ist;
  • Zahlungen aus eigener Tasche in der Langzeitpflege reduzieren; und
  • durch Einführung von Anreizen zur Verschreibung und Abgabe der günstigsten Alternativen, durch Preisregulierung und durch Verbesserungen in Bezug auf den rezeptfreien Verkauf und Gebrauch Zahlungen aus eigener Tasche für ambulant verschriebene Arzneimittel reduzieren.

Über den Bericht

In dem Bericht wird auf Daten aus Erhebungen über Ausgaben von Haushalten aus den Jahren 2015, 2016, 2019 und 2020, auf Daten aus dem estnischen System der Gesundheitskonten für 2021, auf Daten über unerfüllte Bedürfnisse in Bezug auf Gesundheitsversorgung und zahnmedizinische Versorgung bis 2022 sowie auf Informationen zur Erstattungspraxis für 2023 zurückgegriffen. Der Bericht wurde mit finanzieller Unterstützung der EU durch die Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der Europäischen Kommission erstellt.

Über die Arbeit von WHO/Europa zur finanziellen Absicherung

Finanzielle Absicherung ist ein zentraler Bestandteil der allgemeinen Gesundheitsversorgung und ein Kernelement bei der Bewertung der Leistungsfähigkeit von Gesundheitssystemen. Sie ist ein Indikator der Ziele für nachhaltige Entwicklung, ein Bestandteil der Europäischen Säule sozialer Rechte und steht im Zentrum des Europäischen Arbeitsprogramms, des strategischen Handlungsrahmens von WHO/Europa.

Durch das Büro Barcelona zur Finanzierung der Gesundheitssysteme wacht WHO/Europa über die finanzielle Absicherung und nutzt dafür regionsweite Indikatoren zur Erfassung von Chancengleichheit. Darüber hinaus leistet das Büro in Barcelona maßgeschneiderte fachliche Hilfe für die Länder, um durch Identifizierung und Beseitigung von Versorgungslücken unerfüllte Bedürfnisse und finanzielle Härten abzubauen.