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Ein Workshop mit Migranten in Serbien.
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Serbien: Zivilgesellschaft baut Brücken zwischen Migranten und Gesundheitspersonal während der COVID-19-Pandemie

17 December 2021
News release
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Jedes Jahr wird Serbien von mehr als 50 000 Flüchtlingen und Migranten durchquert. Viele von ihnen sind bei ihrer Ankunft erschöpft und traumatisiert und benötigen medizinische Versorgung und Hilfe.  

Doch für viele Migranten ist es wichtiger, ihre Reise fortzusetzen, als auf ihre Gesundheit zu achten oder sich wegen schwerer Gesundheitsprobleme behandeln zu lassen. Obwohl sie vom Gesundheitspersonal dazu aufgefordert werden, Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Übertragung von COVID-19 zu ergreifen, etwaige Symptome zu melden und sich so bald wie möglich impfen zu lassen, haben viele Migranten nur wenig Vertrauen in das Gesundheitswesen und wissen kaum, wie sie sich Zugang verschaffen sollen. 

„Ich bin jetzt seit vier Jahren hier, und ich bin echt verwirrt“, sagte eine 23-jährige Afghanin. 

WHO/Europa unterstützt das Zentrum für Forschung und soziale Entwicklung (IDEAS), eine zivilgesellschaftliche Organisation aus Serbien, bei der Zusammenarbeit mit den Migranten im Land und dem örtlichen Gesundheitspersonal, die sie in Aufnahme-, Durchgangs- und Asylzentren behandeln. 

Diese Initiative ist eines von insgesamt acht Projekten mit Bürgerbeteiligung in der Europäischen Region. Sie zielt darauf ab, die Zugänglichkeit, Qualität und kulturelle Sensibilität des Gesundheitswesens für Migranten zu verbessern, um so die Widerstandsfähigkeit des Gesundheitssystems zu stärken.  

Das IDEAS sorgt mit seiner Arbeit dafür, dass die konkreten Erfahrungen von Migranten in politischen Entscheidungsprozessen berücksichtigt werden, und hat dazu beigetragen, neue Strukturen, Leitlinien und berufliche Aufgabenfelder zu entwickeln, die die Lücken bei der Versorgung dieser anfälligen Gruppe schließen sollen. 

Dank der engen Verflechtung des Projektes mit dem Gesundheitsministerium und dem Ministerium für Arbeit, Beschäftigung, Veteranen und Soziales konnten zügig spezielle Leitlinien zugunsten der Migranten eingeführt werden. 

Gesundheitsmediatoren tragen zur Verbesserung des Zugangs zur Versorgung bei

Innerhalb des medizinischen Personals der Aufnahme-, Durchgangs- und Asylzentren wurden 30 Mediatoren geschult; außerdem wurde ein Leitfaden für die Verringerung der Folgen von Sprachbarrieren, soziokulturellen Unterschieden und Spannungen zwischen ethnischen Gruppen erstellt. 

Neben der Bewertung von COVID-19-Symptomen, psychischen Störungen und anderen Gesundheitsproblemen unterstützen die Gesundheitsmediatoren, die speziell in Kommunikation und kultureller Kompetenz geschult werden, die Migranten auch beim Zugang zu juristischen und sozialen Angeboten. Aufgrund ihrer engen Beziehungen zu den Migranten können sie sachdienliche Informationen an das Gesundheitspersonal, an das IDEAS und an das Gesundheitsministerium weitergeben und so zur Verbesserung von Qualität und Zugänglichkeit der Gesundheitsversorgung beitragen.  

„Jetzt fällt es mir leichter, über meine gesundheitlichen Probleme zu sprechen“, sagte ein 28-jähriger Afghane.  

„Wenn ein Arzt mir jetzt sagt, ich soll mich ausziehen, und ich mich dabei nicht wohl fühle, kann ich das sagen und fragen, ob ein Gesundheitsmediator dazukommen kann“, sagte ein 16-Jähriger aus Pakistan. 

Gesundheitsversorgung an Bedürfnisse von Flüchtlingen und Migranten angepasst 

Beschäftigte der primären Gesundheitsversorgung erhielten Schulungen in Bezug auf Konzepte und Praktiken der kulturellen Kompetenz, Präventionsmaßnahmen und Interventionen gegen COVID-19 sowie Überweisungsverfahren zwischen Gesundheits- und Sozialwesen. 

Sie wurden auch in der Betreuung von Trauma- und Gewaltopfern und im Umgang mit Überlebenden von geschlechtsspezifischer Gewalt, mit Frauen und Mädchen, mit unbegleiteten und getrennten Kindern sowie mit Suchtkranken geschult. 

„Ich habe die Schulung in kultureller Kompetenz als einen Weg verstanden, den Kontext, aus dem die Migranten kommen, besser zu verstehen und ihre Versorgung zu verbessern“, sagte einer der Teilnehmer an der Schulung. 

Darüber hinaus organisierte die Medizinische Fakultät der Universität Belgrad auch einen Workshop mit 174 Jurastudenten, die eines Tages juristisch mit Flüchtlingen und Migranten zu tun haben könnten, um ihnen ein besseres Verständnis für diese schutzbedürftigen Gruppen zu vermitteln. 

Das IDEAS hat auch Informationsmaterial über das Recht auf Gesundheit sowie über Gesundheitsmediatoren entwickelt und an über 2000 Migranten verteilt.  

Die Initiative für zivilgesellschaftliche Organisationen in der Europäischen Region der WHO   

Mit der von WHO/Europa gestarteten Initiative für zivilgesellschaftliche Organisationen werden neue, in Zusammenarbeit mit dem Staat durchgeführte Bottom-up-Ansätze erprobt, die der Bevölkerung ein Mitspracherecht bei Plänen geben, die Auswirkungen auf ihr Leben haben, und ihre Beteiligung an politischen Entscheidungsprozessen gewährleisten sollen. 

Die Initiative trägt namentlich zur Bekämpfung von COVID-19 bei, indem sie auf eine Stärkung der Bereitschaft und Widerstandsfähigkeit der Bürger in Bezug auf Notlagen, eine Anbindung schutzbedürftiger Gruppen an Leistungsangebote und eine inklusivere Gestaltung der Regierungsarbeit abzielt. Serbien ist eines von insgesamt acht Ländern der Europäischen Region und 40 Ländern weltweit, die solche Lösungsansätze erproben.