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Tabakbekämpfung in Belgien: hohe Ziele anstreben – jetzt handeln!

21 May 2025
News release
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In Belgien sterben jede Stunde 2 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums, und für die politischen Entscheidungsträger ist es offensichtlich, dass das Land nachhaltige und energische Maßnahmen zur Eindämmung des Tabakkonsums benötigt. Auch wenn Belgien nach wie vor vor vielen Herausforderungen steht, wie z. B. der weiten Verbreitung neuartiger Nikotinprodukte, die Kinder und Jugendliche ansprechen sollen, liefert der belgische Ansatz doch wertvolle Lehren für andere Länder, die eine tabakfreie Zukunft anstreben.

Aromen und schlankes Produktdesign: die neue Frontlinie

Nach Schätzungen der WHO sind in der Europäischen Region derzeit 179 Mio. Erwachsene und 4 Mio. Jugendliche zwischen 13 und 15 Jahren Tabakkonsumenten. Die Kampagne zum Weltnichtrauchertag 2025 – „Den Reiz entlarven“ – lenkt die Aufmerksamkeit auf Aromen und Produktdesign, die von der Tabak- und Nikotinindustrie eingesetzt werden, um die Wahrnehmung der Verbraucher zu manipulieren und Tabak- und Nikotinprodukte attraktiver zu machen, insbesondere für Jugendliche. In Belgien steht dieses Thema bei den Gesundheitsbehörden ganz oben auf der Tagesordnung, sagt Dr. Eline Remue, Referentin für Tabak- und Nikotinkonsum im belgischen Gesundheitsministerium.

Das Land erlebt aus erster Hand, inwiefern Produktdesign und Aromen Nikotinprodukte für Jugendliche zunehmend attraktiver machen. Während das Marketing der Tabak- und Nikotinindustrie E-Zigaretten häufig als Hilfsmittel zur Raucherentwöhnung anpreist, ist ihr tatsächlicher Einflussbereich eher auf junge Nichtraucher ausgerichtet. „Kein Erwachsener, der mit dem Rauchen aufhören will, greift nach Kaugummi- oder Einhornaromen“, sagt Eline.

In Reaktion darauf hat Belgien seit dem 1. Januar 2025 Einweg-E-Zigaretten verboten und kontrolliert weiterhin Einzelhändler durch Testkäufe; dennoch kommt es immer wieder zu Verstößen. Eine kürzlich an Schulen durchgeführte Untersuchung ergab, dass die meisten der eingesammelten Vape-Geräte illegal waren – entweder verbotene Einwegprodukte oder Produkte mit hohem Nikotingehalt. Darüber hinaus enthielten einige der den Schülern abgenommenen Vapes auch illegale Drogen.

Um dem entgegenzuwirken, prüft Belgien nach dem Vorbild Dänemarks, Finnlands und der Niederlande nun zusätzliche Beschränkungen für Aromen. Ein Verbot entsprechender Auslagen in Tabakverkaufsstellen und ein Verbot des Online-Verkaufs sind bereits in Kraft. 

Einblick in die Politik: Gesetz über „attraktive Funktionalitäten“ 

Die belgischen Gesetzesvorschriften enthalten eine besonders wertvolle Bestimmung: ein Verbot von Geräten mit „attraktiven Funktionalitäten“. Diese weit gefasste und allgemein formulierte Maßnahme hat sich in der Praxis als wirksam erwiesen, da sie eine rasche Durchsetzung gegen Produkte mit Gimmicks wie Vape-Pens mit Spielen, Lichtern oder sogar Anruffunktionen ermöglicht. Diese so genannten „für Kinder attraktiven“ Geräte verschleiern ihren wahren Zweck: Sie führen dem Körper Nikotin zu – eine stark süchtig machende Substanz, die die Gehirnentwicklung von Kindern und Jugendlichen negativ beeinflussen und zu lebenslanger Abhängigkeit führen kann.

Doch selbst das scheint angesichts des sich ständig wandelnden politischen und wirtschaftlichen Umfelds unzureichend. Die Durchsetzung eines nationalen Verbots des Online-Verkaufs ist aufgrund der Beschaffenheit des Internets und der rechtlichen Grauzonen, in denen der illegale Tabakhandel floriert, nach wie vor schwierig. „Wir schalten Websites ab, und 2 Tage später sind sie wieder da“, erklärt Eline. 

Für Belgien und andere Länder der Europäischen Union (EU) ist ein energischeres Vorgehen der Europäischen Kommission von entscheidender Bedeutung. Diese Bemühungen könnten Gesetzeslücken auf dem sich schnell entwickelnden Markt schließen und die Rechtsvorschriften in der gesamten EU vereinheitlichen, was die internationale Kooperation und Durchsetzung fördere, fügt sie hinzu.

Einmischung der Industrie: auf den Druck vorbereitet sein

Darüber hinaus stößt die belgische Gesundheitspolitik auf starken Widerstand der großen Tabakkonzerne. Bedeutende neue Vorschriften werden häufig von der Tabakindustrie angegriffen, die bislang mehr als 20 Klagen gegen die belgischen Maßnahmen zur Eindämmung des Tabakkonsums eingereicht hat. 

Um sich auf diese Herausforderungen vorzubereiten, seien Ressourcen und politische Widerstandsfähigkeit erforderlich, die nicht immer gewährleistet seien, fügt Eline hinzu.

Politische Dynamik schaffen: Was ist nötig?

Die belgische Strategie für eine rauchfreie Generation aus dem Jahr 2022 spiegelt die Konsensbildung innerhalb des komplexen politischen Systems des Landes wider: an dem Entwurf der Strategie etwa waren 24 Kabinettsvertreter beteiligt. „Die Kehrseite waren der Zeitaufwand und die eingegangenen Kompromisse“, sagt Eline, „aber das Ergebnis ist eine breite Unterstützung“.

Ein weiteres wichtiges Element ist die Suche nach einem politischen Vorkämpfer. Der derzeitige belgische Minister für soziale Angelegenheiten und Volksgesundheit hat der Nikotinprävention Priorität eingeräumt. „Es ist wirklich hilfreich, jemanden zu haben, der den Kampf anführen will“, sagt Eline. Sie räumt ein, dass eine solche Federführung jedoch nicht selbstverständlich sei.

Tabakkonsum ist nicht die Norm

Eline deutet an, dass der Schlüssel zur Schaffung einer tabakfreien Zukunft darin liege, tiefer in die europäische Kultur vorzudringen. Es ist an der Zeit, dass die Europäische Region der WHO ihre kulturellen Normen ändert, die den Tabakkonsum in all seinen Formen schon viel zu lange tolerieren. 

„Man kann sich nicht allein auf die Produktregulierung konzentrieren“, sagt Eline. „Man muss in allen Bereichen der Tabakbekämpfung arbeiten, einschließlich der Entnormalisierung des Tabak- und Nikotinkonsums, um die öffentliche Wahrnehmung zu verändern.“

In diesem Jahr trat ein neues Konzept für rauchfreie Außenbereiche in Kraft, das sich auf Spielplätze, Zoos und Sportplätze erstreckt und auf die Prioritäten für die öffentliche Gesundheit ausgerichtet ist.

Starke Partnerschaften mit nichtstaatlichen Organisationen tragen dazu bei, die Bedenken der Öffentlichkeit widerzuspiegeln und eine breite öffentliche Diskussion über Tabak zu führen. Diese Gruppen, darunter etwa die belgische Stiftung gegen Krebs und die Allianz für eine rauchfreie Gesellschaft, liefern wissenschaftliche Erkenntnisse, die Energie der Basis und Kampagneninfrastruktur zur Unterstützung wirksamer Initiativen zur Eindämmung des Tabakkonsums. 

Hohe Ziele anstreben – jetzt handeln!

Die Erfahrungen Belgiens zeigen, dass keine einzelne Maßnahme den Tabakkonsum beenden kann, aber jeder Schritt in die richtige Richtung wichtig ist. Von Gesetzesreformen bis hin zur Überzeugungsarbeit an der Basis: Kooperation und langfristige Beständigkeit sind wichtig. 

„Wir müssen uns hohe Ziele setzen – sozusagen auf das Pferd setzen“, sagt Eline mit einem Lächeln. „Und feiern, auch wenn wir nur das Huhn bekommen.“

Sie rät den Ländern, nicht auf Initiativen auf EU-Ebene zu warten, sondern alle verfügbaren Maßnahmen für eine tabakfreie Zukunft bereits jetzt umzusetzen. „Schauen Sie sich die Erfahrungen anderer Länder an und passen Sie die Rechtsvorschriften, die sich bewährt haben, an Ihre lokalen Gegebenheiten an. Ob es sich nun um Produktregulierungen handelt, wie z. B. das Verbot von Aromen und Verpackungsvorschriften, oder um Maßnahmen zur Entnormalisierung, wie die Einführung rauchfreier Umgebungen – frühzeitiges Handeln auf nationaler Ebene kann eine Dynamik für eine tabakfreie Zukunft für alle schaffen“, sagt Eline.

Mit dem Globalen Aktionsplan der WHO zur Prävention und Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten haben sich Länder in aller Welt, und somit auch Belgien, zu einer Reduzierung des Tabakkonsums um 30 % bis 2025 verpflichtet. Das Land ist auch Vertragsstaat des Rahmenübereinkommens der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs, das den Ländern die Grundlage für die Umsetzung und Verwaltung wirksamer Maßnahmen zur Eindämmung des Tabakkonsums und zur Suchtprävention liefert und gleichzeitig Leben rettet und die globale Gesundheit verbessert.