WHO
Rune has shared his story of mental ill health for 5 years as a ONE OF US ambassador – his shirt says, “Mental illness is not contagious, but taboo is”
© Credits

Dänemarks Programm „ONE OF US“: Beseitigung der Stigmatisierung psychischer Gesundheitsprobleme und Wiederherstellung des Vertrauens in die Gesundheitssysteme

28 November 2023
News release
Reading time:
In Dänemark hat sich das landesweite Programm ONE OF US zur Bekämpfung von Stigmatisierung zu einem Hoffnungsstrahl im Kampf gegen die Stigmatisierung psychischer Gesundheitsprobleme entwickelt. Diese weit über das Übliche hinausgehende Initiative beinhaltet einen tiefgreifenden Paradigmenwechsel, der sich auf die gelebten Erfahrungen und mutigen Schilderungen der Menschen stützt.

Im Kern verkörpert ONE OF US eine einfache, aber wirkungsvolle Philosophie: den Einsatz von geschulten Freiwilligen, die oft als „Botschafter“ bezeichnet werden und die die komplexe Dynamik psychischer Erkrankungen und den Druck der gesellschaftlichen Stigmatisierung genau kennen. Diese Botschafter erzählen Menschen, die keinerlei Erfahrung auf diesem Gebiet haben, mutig ihre zutiefst persönlichen Geschichten.

Durch die Schaffung eines Systems für den Austausch von Geschichten auf verschiedenen Ebenen der Gesellschaft verändert ONE OF US die Gesundheitsversorgung von Grund auf und macht es Menschen mit psychischen Erkrankungen leichter, ihren Leistungsanbietern zu vertrauen. 

Nach einer Pandemie, die das Vertrauen der Menschen in die Institutionen und nicht zuletzt die Gesundheitssysteme untergraben hat, wird die bevorstehende Konferenz zum Thema Gesundheitssysteme in Tallinn die kritischen Themen „Vertrauen und Wandel“ und ihre Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung beleuchten. 

Die Konferenz beschäftigt sich mit der zunehmenden Einschätzung, dass das Gesundheitswesen nicht für die Menschen da ist, wenn es gebraucht wird, sowie mit der wachsenden Wahrnehmung der Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegewesen, die sich innerhalb des Systems nicht wertgeschätzt fühlen. Dies spiegelt sich in der folgenden Schilderung von Rune wider – ein Beispiel dafür, wie mangelndes Vertrauen den Zugang zu einer angemessenen Versorgung behindert hat.

Runes Geschichte 

Der 49-jährige Rune Jørgensen lebt seit über zwei Jahrzehnten mit einer psychischen Erkrankung. Seit fünf Jahren ist er Botschafter von ONE OF US, auf Empfehlung einer Ärztin, der seine klare Wahrnehmung von Stigmatisierung als soziales Problem aufgefallen war. 

„Sie kannte mich und wusste, dass ich Stigmatisierung als soziales Problem verstehe; also dachte ich, ok, versuchen wir‘s“, erinnert er sich. „Zu diesem Zeitpunkt hatte ich viel über mich selbst gelernt und darüber, wie ich meine Gedanken und Gefühle mitteilen kann.“

Rune erinnert sich noch lebhaft an Momente, in denen er nicht in der Lage war, seine Schwierigkeiten in Worte zu fassen, und deshalb nicht die Hilfe erhielt, die er dringend benötigte. Als er dann jedoch an dem Programm teilnahm, wurde er darin geschult, seine Geschichte und seine Erfahrungen zu schildern – wie er sich fühlte und wie er die psychiatrische Betreuung in Dänemark erlebte. 

Nun, da die Konferenz in Tallinn die wesentliche Verknüpfung zwischen Vertrauen und Wandel hervorhebt, veranschaulicht ONE OF US diese Verknüpfung. Vertrauen – der Klebstoff, der Patienten, Gesundheitsberufe und politische Entscheidungsträger miteinander verbindet – erweist sich als Eckpfeiler eines wirksamen Wandels in den Gesundheitssystemen.

Für ONE OF US ist Vertrauen nicht nur ein Element, sondern der Dreh- und Angelpunkt, der die Zusammenarbeit innerhalb eines Gesundheitssystems fördert. 

Die schädlichen Auswirkungen der Stigmatisierung erkennen 

Eine 2015 von ONE OF US durchgeführte Umfrage verdeutlicht die weitreichenden Auswirkungen der Stigmatisierung. Darin gaben etwa neun Zehntel der befragten Personen mit psychischen Erkrankungen an, Diskriminierung erlebt zu haben, wobei beunruhigenderweise ein Drittel dieser Menschen diese Erfahrung im Gesundheitswesen machte.

Anja Kare Vedelsby, die bei der dänischen Gesundheitsbehörde das Programm ONE OF US betreut, erwähnt einige besonders besorgniserregende Ergebnisse. 

„Einige Menschen, die nach Selbstverletzungen die Notaufnahme aufsuchten, berichteten, dass sie keine angemessene Betäubung für die Nähte erhielten“, sagte sie und wies damit auf eine erschreckende Realität in der Gesundheitsversorgung hin.

Diese Diskriminierung äußert sich nicht nur in der mangelnden Bereitschaft der Betroffenen, Leistungen in Anspruch zu nehmen. Vielmehr sind auch die Leistungserbringer im Gesundheitswesen davon stark betroffen, da sie weniger Vertrauen in ihre Fähigkeit haben, eine ordnungsgemäße Versorgung sicherzustellen. 

„Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass Menschen sich selbst verletzen, um Aufmerksamkeit zu erhalten. Demnach sollte das Gesundheitspersonal nicht auf sie eingehen, da dies zu noch mehr Selbstverletzungen führt, um noch mehr Aufmerksamkeit zu erhalten“, merkt Anja an und warnt, dass genau dies zu mehr Selbstverletzungen führen kann – ein Teufelskreis.

Sozialer Kontakt als Fundament für die Bekämpfung von Stigmatisierung 

ONE OF US fördert den sozialen Kontakt, um mit diesen und anderen Falschvorstellungen aufzuräumen. 

„Sozialer Kontakt wird hergestellt, wenn Menschen, die eine psychische Erkrankung erlebt haben, ihre Erfahrungen so mitteilen, dass die Vorurteile ihrer Zuhörer dadurch nicht bestätigt werden“, sagt Anja. „So werden diese Vorurteile abgebaut und wird der Weg für eine Verhaltensänderung geebnet.“

„Psychische Erkrankungen sind nicht unser definierendes Merkmal“, sagt Rune. „Sie sind nur ein Teil von uns.“

Sozialer Kontakt kann in vielerlei Form erfolgen: Schulungen, Sensibilisierungsmaßnahmen oder Geschichten, die von Botschaftern wie Rune mit verschiedenen Gruppen, etwa Mitarbeitern des Gesundheitswesens, ausgetauscht werden. 

ONE OF US ist vollständig auf allen staatlichen Ebenen integriert und in allen fünf Verwaltungsregionen Dänemarks tätig.

ONE OF US bietet nicht nur die Möglichkeit, Kontakt zur Gesellschaft herzustellen und stigmatisierende Einstellungen und Verhaltensweisen zu ändern, sondern ermöglicht es seinen Botschaftern auch, praktische Informationen darüber weiterzugeben, was zur Unterstützung von Menschen mit psychischen Erkrankungen getan werden kann. Das ist vor allem im Gesundheitswesen außerordentlich wichtig. 

„Es hilft, die Angst vor dem Kontakt zu zerstreuen“, sagte eine Krankenschwester, die seit Jahren mit den Botschaftern arbeitet. „Für mich ist es auch eine Erleichterung, Patienten zu sehen, denen es jetzt gut geht.“ 

Die Bewegung ONE OF US in Dänemark ist nicht nur eine Initiative, sondern vielmehr eine transformative Kraft, die die gesellschaftliche Wahrnehmung verändert und eine Landschaft entstehen lässt, in der psychische Gesundheit ein Gesprächsthema und kein Stigma ist – und die letztlich das Vertrauen als Eckpfeiler eines effektiven und glaubwürdigen Gesundheitssystems wiederherstellt.