Ricardo Fuertes
Verteilung von Informationen über Affenpocken auf der Pride-Veranstaltung in Lissabon
© Credits

In Portugal arbeiten Gesundheitsbehörden mit gesellschaftlichen Akteuren, um die Affenpocken unter Kontrolle zu bringen

30 August 2022
News release
Reading time:
Vom 3. bis 12. Mai 2022 gaben einige wenige Patienten mit ungewöhnlichen genitalen Läsionen, Ausschlägen und systemischen Symptomen wie Fieber und geschwollenen Lymphknoten in zwei Kliniken für sexuelle Gesundheit in Lissabon Anlass zur Sorge. 

Dr. Margarida Tavares, die Leiterin des Nationalen Programms für sexuell übertragbare Infektionen und HIV-Infektionen und Beraterin für Infektionskrankheiten am Centro Hospitalar Universitário de São João in Porto, erinnert sich daran, wie sie sich die Krankheit nicht erklären konnten. 

„Damals war nicht klar, was diese Symptome verursachte, aber die Tatsache, dass wir im selben Zeitraum eine Reihe ähnlicher Fälle hatten, veranlasste uns, zu fragen, was da passierte, und die Fälle zu melden, in der Hoffnung, Antworten zu bekommen.“ 

Erkennung der Affenpocken 

Ohne eine Diagnose stellen zu können, erfasste das Nationale Referenzlabor die ungeklärten Fälle auf dem Online-Portal EpiPulse – einem vom Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) eingerichteten Instrument, über das europäische Gesundheitsbehörden und globale Partner Daten zu Infektionskrankheiten sammeln, analysieren, austauschen und überwachen können. 

Drei Tage später meldete das Vereinigte Königreich vier im Labor bestätigte Affenpockeninfektionen, und die Behörden in Lissabon konnten den Zusammenhang herstellen und erhielten die Bestätigung, dass sie es ebenfalls mit einem Affenpockenausbruch zu tun hatten.

Reaktion auf den Ausbruch und Einbindung der Zivilgesellschaft 

Sobald der erste Fall als Affenpockenvirus bestätigt war, wurde am 17. Mai ein Team für rasche Gegenmaßnahmen mit mehreren Unterteams für die wichtigsten Säulen dieser Maßnahmen (darunter Koordination, klinisches Management, Laboranalyse, Impfung, epidemiologische Überwachung und Risikokommunikation) gebildet.

Von Anfang an führte das Team einen engen Dialog mit gemeindenahen Organisationen, die mit Männern mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten (MSM) arbeiten, da in dieser Gruppe die meisten Fälle auftraten. Das Team setzte sich auch mit Test- und Versorgungszentren für sexuell übertragbare Infektionen und HIV sowie mit Treffpunkten wie Bars und Swinger-Clubs in Verbindung, um sie zu zentralen Botschaften und den besten Kommunikationswegen im Zusammenhang mit den Affenpocken zu befragen, besonders im Vorfeld der Pride-Veranstaltungen Marcha do Orgulho am 18. Juni und Arraial Lisboa Pride am 25. Juni.

„Die Pride-Veranstaltungen, an denen insgesamt bis zu 100 000 Menschen teilnehmen, sind der Höhepunkt im LGBTQI+-Leben der Stadt. Sie boten uns eine ideale Gelegenheit, geeignete und klare Botschaften zu finden, um die Menschen mit dem höchsten Infektionsrisiko auf Affenpocken hinzuweisen und darüber zu informieren, auf welche Symptome sie achten sollten, wie sie die Krankheit vermeiden können und was sie im Fall einer Ansteckung unternehmen sollten“, erklärt Ricardo Fuertes, Psychologe im Nationalen Programm und Kontaktperson für die Community. 

Während auf den Pride-Veranstaltungen Botschaften verbreitet wurden, bereiteten sich Testzentren und Krankenhäuser auf die Aufnahme von besorgten Patienten mit Symptomen in anderen Teilen der Stadt und des Landes vor. 

Veranstalter als Teil der Lösung 

Zusammen mit Grupo de Ativistas em Tratamentos (GAT), einer gemeindenahen Organisation, die Beratungen und Tests zu HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten durchführt, erstellten und verteilten die Organisatoren der beiden Pride-Veranstaltungen Informationsmaterial, darunter ein zweisprachiger Leitfaden (auf Portugiesisch und Englisch) im Taschenformat, der mit Bildern einer stacheligen Gurke auf die für Affenpocken charakteristischen Läsionen und Ausschläge hinweist. Die Organisatoren erhielten zudem Informationen für die Einweisung von Mitarbeitern und wirkten an der Produktion von Aufklärungsvideos mit, die bei einer der Veranstaltungen im Großformat gezeigt wurden. 

Schnelle Reaktionen in Abstimmung mit der Community 

Um schnell zu reagieren, nutzten die Gesundheitsbehörden in Portugal nach Kräften bestehende Kontakte und Netze sozialer Dienste und Interessenvertreter – Beziehungen, die sie bei ihren HIV-Maßnahmen und der Arbeit mit MSM, Migranten und Prostituierten entwickelt hatten. Vor Veröffentlichungen in den nationalen Medien wurden Vertreter der entsprechenden Gruppen zurate gezogen und die Betreiber von Treffpunkten wie Bars und Saunas angesprochen und gebeten, Informationsplakate auszuhängen. 

„Dieses Bündnis von Gesundheitsbehörden, Veranstaltern, gemeindenahen Organisationen und Treffpunkten war entscheidend für den Erfolg unserer Maßnahmen“, sagt Dr. Tavares. „Und im Lauf der Zeit hat sich das Bündnis erweitert, als wir erkannten, dass wir andere Untergruppen wie Chemsex-Netzwerke und neue geografische Gebiete wie Porto einbeziehen müssen.“ 

GAT und die nationale Gesundheitsbehörde arbeiteten zusammen, um einen telefonischen Beratungsdienst für Affenpocken einzurichten, der Fragen zu Infektion, Übertragung und Impfung und Möglichkeiten, sich im Fall einer vermuteten Infektion testen zu lassen, beantwortet. 

Dr. Tavares und Ricardo Fuertes sind der Meinung, dass ein pragmatischer Ansatz in Bezug auf die empfohlenen Präventionsmaßnahmen und ein gezieltes Ansprechen der am stärksten gefährdeten Gruppen ohne Stigmatisierung oder Schuldzuweisung wesentlich zur Vermittlung ihrer Botschaften und zum Erfolg ihrer Kampagne beigetragen haben. Auch wenn in Portugal weiter Fälle von Affenpocken gemeldet werden, war das Land doch eines der ersten, das Anzeichen für eine Stabilisierung des Infektionsgeschehens zeigte. Nun geht es darum, die Fallzahlen weiter zu senken und den Ausbruch ganz zu stoppen. 

Vorbereitung auf ein nationales Impfprogramm 

Ähnliche Schritte werden jetzt zur Vorbereitung eines nationalen Schutzimpfungsprogramms unternommen. Erneut werden Partner der betroffenen Bevölkerungsgruppen und Betreiber ihrer Treffpunkte bei vielen der hierfür erforderlichen praktischen Überlegungen zurate gezogen, unter anderem bei der Festlegung der Auswahlkriterien für die Impfung, der Impfstandorte und der Art und Weise, wie Informationen vermittelt werden, um die gefährdetsten Menschen zu erreichen. 

Eine zentrale Rolle bei diesen Plänen spielt der von GAT betriebene CheckpointLX, ein Testzentrum für HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten, das wegen seiner engen Verbindungen zu den am stärksten gefährdeten MSM-Gruppen bereits als eine von drei Impfstellen für Affenpocken im Großraum Lissabon benannt worden ist. Mit Impfstoffen als einem neuen Instrument bei der Bekämpfung der Affenpocken in Portugal ist die kontinuierliche Einbindung und Mitwirkung der betroffenen Bevölkerungsgruppen bei allen Maßnahmen der Schlüssel zur Beendigung des Ausbruchs im Land.