Am 4. Dezember 2025 wurden bei einem Angriff auf eine Entbindungsstation in Cherson Wände, Fenster, Türen, Geräte sowie die Wasser- und Gasversorgung beschädigt. Zwar konnten sich das Gesundheitspersonal, die Mütter und die Neugeborenen unverletzt in Sicherheit bringen, doch wird durch den Angriff der Zugang zur Gesundheitsversorgung weiter erschwert, und das in einer der am stärksten betroffenen Regionen der Ukraine, in der die medizinische Versorgung ohnehin schon stark beeinträchtigt ist. Berichten zufolge sind nach den Angriffen mehr als 40 000 Menschen in Cherson ohne Heizung und Strom.
Seit Beginn der Invasion durch die Russische Föderation hat die WHO 2763 Angriffe auf das Gesundheitswesen in der Ukraine bestätigt (Stand: 5. Dezember 2025). Diese Angriffe stören weiterhin wichtige und lebensrettende Dienste und gefährden das Leben und die Gesundheit von Patienten und Personal im ganzen Land.
Mit dem Wintereinbruch wächst die Belastung für das ukrainische Gesundheitssystem
Das Land ist mit einer doppelten Krise konfrontiert: zum einen mit direkten Angriffen auf das Gesundheitswesen, also medizinisches Personal, Gesundheitseinrichtungen und medizinische Transporte, und zum anderen mit den kaskadenartigen Auswirkungen der Angriffe auf die zivile Infrastruktur. Die Unterbrechung der Strom-, Wasser- und Wärmeversorgung – vor allem in den Wintermonaten, wenn die Temperaturen auf durchschnittlich -5 bis -10°C sinken – erschwert die Gesundheitsversorgung in den vom Krieg betroffenen Gebieten zusätzlich. Nach Schätzungen der WHO müssen etwa 150 000 bis 250 000 Patienten in Krankenhäusern und Entbindungskliniken entlang der Frontlinie ohne Heizung und Strom auskommen. In diesem Winter werden viele Frauen in der Ukraine im Dunkeln und in der Kälte gebären; Menschen, die sich von Verletzungen oder Herzinfarkten erholen, sind oft auf kalten und feuchten Krankenstationen untergebracht; und lebenswichtige Krebsoperationen werden abgesagt, weil die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen wurde.
Mehr als drei Viertel der von der WHO bestätigten Angriffe auf das Gesundheitswesen betrafen Gesundheitseinrichtungen, während knapp ein Viertel der Angriffe auf Krankentransporte, insbesondere Krankenwagen, abzielten. Dieses Muster zeigt sich in den letzten drei Jahren des Krieges durchgehend und beeinträchtigt systematisch die Fähigkeit des Landes, auf medizinische Notlagen zu reagieren. In diesem Jahr hat die WHO einen Anstieg der Angriffe auf die Gesundheitsinfrastruktur um 12 % im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet.
In den Oblasten entlang der Frontlinie wurden 742 Gesundheitseinrichtungen vollständig oder teilweise beschädigt, was der in der Nähe aktiver Kampfhandlungen lebenden Bevölkerung den Zugang zur Gesundheitsversorgung erschwert. Besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen in diesen Gebieten haben weniger Zugang zu rechtzeitiger ärztlicher Hilfe, und die wiederholten Angriffe haben viele Mitarbeiter des Gesundheitswesens dazu veranlasst, die am stärksten betroffenen Regionen zu verlassen. Am stärksten belastet sind die Gebiete entlang der Frontlinie, die unter den ständigen Angriffen leiden, die die ohnehin schon fragile Gesundheitsversorgung weiter schwächen.
Alle Ebenen des Gesundheitssystems betroffen
Seit Beginn der Invasion zielten 39 % aller Angriffe auf Einrichtungen der primären Gesundheitsversorgung, 30 % auf Einrichtungen der sekundären Gesundheitsversorgung (Krankenhäuser) und 21 % auf medizinische Notfalltransporte ab. Kein Bestandteil des Gesundheitssystems ist mehr sicher. Auch Einrichtungen der tertiären Versorgung, pharmazeutische Dienste und Arzneimitteldepots waren mit 6 %, 3 % bzw. 1 % der Angriffe betroffen.
„Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen und -infrastruktur gefährden weiterhin Leben und beeinträchtigen die lebenswichtige Versorgung“, erklärte Dr. Jarno Habicht, Repräsentant der WHO in der Ukraine. „Doch das ukrainische Gesundheitspersonal zeigt eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit und rettet unter schwierigsten Bedingungen Menschenleben. Die WHO steht ihnen zur Seite: mit alternativen Strom-, Wärme- und Wasserversorgungssystemen, lebenswichtigen medizinischen Hilfsgütern sowie Schulungen zur Stärkung der Krankenhäuser gegen alle Gefahren. Gemeinsam tragen wir dazu bei, dass die Gesundheitsversorgung trotz der unerbittlichen Herausforderungen weiter funktioniert.“
Im vergangenen Jahr wurden bei Angriffen auf das Gesundheitswesen 73 Mitarbeiter und Patienten getötet und 405 verletzt. 2025 wurden bislang 19 Menschen getötet und weitere 198 verwundet. Seit Beginn der Invasion im Jahr 2022 haben 224 Mitarbeiter des Gesundheitswesens und Patienten bei Angriffen auf das Gesundheitswesen ihr Leben verloren, 896 wurden verletzt.
„Angriffe auf die Gesundheitsversorgung sind klare Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht“, erklärte Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa. „Die WHO setzt sich weiterhin für den Schutz aller Gesundheitseinrichtungen, des Gesundheitspersonals und der Patienten ein und fordert einen sicheren Zugang zur Gesundheitsversorgung ohne Gewalt, Bedrohung oder Angst.“
Die Gegenmaßnahmen der WHO konzentrieren sich auf die Unterstützung des ukrainischen Gesundheitssystems inmitten der anhaltenden Krise. Zu den Sofortmaßnahmen gehören die Lieferung wichtiger medizinischer Hilfsgüter, die Ausweitung mobiler Gesundheitsdienste auf schwer zugängliche Gebiete und die rasche Unterstützung von Krankenhäusern entlang der Frontlinie. 2025 lieferte die WHO Hilfsgüter im Wert von 19,42 Mio. US-$ an insgesamt 883 Einrichtungen und half bei der Installation von modularen Heizsystemen und alternativen Stromversorgungssystemen, um die Versorgung während des Winters aufrechtzuerhalten.
Mit der Initiative „Stärkung der Bereitschaftsplanung an Krankenhäusern in der Ukraine“ unterstützt WHO/Europa Krankenhäuser in Dnipropetrowsk, Charkiw, Kiew und Mykolaiw durch Anleitungen zur Vorbereitung auf Stromausfälle, Überschwemmungen oder Angriffe.

