Das WHO-Regionalbüro für Europa richtet ein neues Netzwerk von zivilgesellschaftlichen Organisationen in der Europäischen Region ein, um einen permanenten Dialog mit der Zivilgesellschaft zum Ausbau von Kenntnissen und Fähigkeiten für die Bereitschaftsplanung und Reaktion bei Notlagen zu etablieren.
Die Einrichtung des Netzwerks schließt an eine einjährige Pilotinitiative von WHO/Europa an, die im Dezember zum Abschluss kam und bei der elf zivilgesellschaftliche Organisationen in acht Ländern bei der Reaktion auf die COVID-19-Pandemie unmittelbar mit gefährdeten Gruppen zusammenarbeiteten.
Die Direktorin für gesundheitliche Notlagen in der Europäischen Region bei WHO/Europa, Dr. Dorit Nitzan, erklärte in diesem Zusammenhang: „Es ist offensichtlich, dass enge Partnerschaften zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen wirklich etwas bewirken können. Durch den Austausch von Erfahrungen und Wissen und gegenseitige Unterstützung können Gesundheitsbehörden und die WHO dazu beitragen, die Politikgestaltung integrativer zu machen, insbesondere für die am stärksten gefährdeten Gruppen. Die Erfahrung von zivilgesellschaftlichen Organisationen bei der Zusammenarbeit mit Gemeinschaften kann den Gesundheitsbehörden dabei helfen besser zu verstehen, wie sich die Bevölkerung auf sinnvolle Weise einbinden lässt und gleichzeitig die Menschen in unterrepräsentierten Gemeinschaften zu selbstbestimmtem Handeln befähigt werden können.“
Ende November wurde eine informelle Auftaktsitzung von Netzwerken zivilgesellschaftlicher Organisationen in der Europäischen Region organisiert, um eine Bestandsaufnahme der ergriffenen Gegenmaßnahmen im Kampf gegen die Pandemie zu erstellen und die besten Ansätze zur Verknüpfung von regionsweiter und nationaler Einbindung der Zivilgesellschaft bei gesundheitlichen Notlagen zu untersuchen.
WHO/Europa hat in den Ländern bereits mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammengearbeitet, so etwa in Georgien, wo Gesundheitsfachkräfte darin geschult wurden, während der Pandemie auf die Bedürfnisse von Opfern zwischenmenschlicher Gewalt einzugehen, während in Serbien die Zivilgesellschaft dabei half, Brücken zwischen Flüchtlingen, Migranten und Gesundheitspersonal aufzubauen.
In Griechenland wiederum war ein Netzwerk zivilgesellschaftlicher Organisationen darum bemüht, während der Pandemie Barrieren für junge Menschen mit Behinderungen zu Gesundheit und Bildung abzubauen.
Wissen austauschen, um Barrieren und Möglichkeiten zu identifizieren
Bei der Gruppendiskussion zwischen WHO/Europa, UNICEF, UNHCR und 10 regionsweiten Netzwerken zivilgesellschaftlicher Organisationen aus unterschiedlichen Bereichen stand insbesondere die Einbindung von Gemeinschaften bei gesundheitlichen Notlagen im Mittelpunkt, wobei vier Orientierungspunkte genutzt wurden:
- gemeinschaftliche Strukturen, die in einer Notlage eingebunden/genutzt werden können;
- Möglichkeiten der Einbeziehung von Stimmen der Gemeinschaft in Prozesse der Politikgestaltung und entsprechende Resultate;
- Haupttriebkräfte und -barrieren für die Einbindung von Gemeinschaften während der COVID-19-Pandemie; und
- mögliche Lösungen für Herausforderungen, die eine wirksame Einbindung von Gemeinschaften verhindern.
Die Sitzung bot den Teilnehmern zudem Gelegenheit, sich über ihre eigenen Erfahrungen und die Erfahrungen ihrer Gemeinschaften mit von der Gemeinschaft geleiteten Lösungsansätzen im Kontext der COVID-19-Pandemie auszutauschen.
Die Stärke themenübergreifender Diskussionen
Aus der Diskussion gingen fünf gemeinsame Lektionen hervor:
- Nicht das Rad neu erfinden – Nutzung bereits vorhandener Ressourcen und Strukturen.
- Kommunikation ist entscheidend – eindeutige, präzise und leicht verständliche Informationen in einer für die Gemeinschaft geeigneten Sprache sind unerlässlich, um die Mitglieder der Gemeinschaft auf wirksame Weise einzubinden.
- Es gibt kein Patentrezept – für die erfolgreiche Einbindung von Gemeinschaften bedarf es eines besseren Verständnisses und mehr Respekt für die Komplexität und den Querschnittscharakter der betreffenden Gemeinschaften.
- Informationen austauschen – dies ist der beste Ansatz, um mögliche Bereiche zu ermitteln, in denen es Unterstützung bedarf und eine Kooperation sinnvoll ist.
- Es bedarf eines vielschichtigen Ansatzes – die Verknüpfung verschiedener Akteure sowohl auf Ebene der Europäischen Region als auch auf kommunaler Ebene ist entscheidend. In der Phase der Bereitschaftsplanung bedarf es eines regionsweiten Ansatzes (Kartierung zivilgesellschaftlicher Organisationen, Aufnahme von Dialogen und Ermittlung notwendiger Kapazitäten).
In der Reaktionsphase ist ein Handeln auf kommunaler Ebene entscheidend (durch Partnerschaften mit kommunalen Organisationen der Zivilgesellschaft bei Einsätzen wie auch der gemeinsamen Gestaltung kommunaler Pläne).
Das weitere Vorgehen
Aufbauend auf der Sitzung wird WHO/Europa mit dem Netzwerk zusammenarbeiten, um gemeindenahe Partnerschaften auf Ebene der Länder wie auch auf internationaler Ebene aufzubauen.
Darüber hinaus wird es sich das Fachwissen und die Erfahrungen der Gruppe bei der gemeinsamen Gestaltung von Leitlinien und Toolkits zunutze machen, um diese anpassungsfähig zu machen und die gelebten Erfahrungen der am stärksten von einer Krise betroffenen Bevölkerungsgruppen einfließen zu lassen.